27. September 2024, 12:39 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Klingt absurd, ist aber tatsächlich Realität in vielen alten Wohnhäusern in den USA: Rasierklingen in der Wand – beziehungsweise im Hohlraum zwischen den Wänden. Was hat es damit auf sich? Und gibt es das auch in Deutschland?
Es könnte eine Szene aus einem Horrorfilm sein: Eine Familie kauft ein altes Haus, möchte es renovieren und darin wohnen. Als sie die Wände einreißen, um etwa die Küche zu vergrößern, kommen hunderte rostige Rasierklingen zum Vorschein. Tatsächlich ist dies allerdings keine Seltenheit – zumindest in den USA, und speziell bei Häusern, die vor 1970 errichtet wurden. Hier erfahren Sie, was dahintersteckt – und warum das eigenartige Phänomen in der Regel nicht in Deutschland auftaucht.
Der Grund, warum in den USA Rasierklingen in der Wand stecken
Konkret handelt es sich bei den Funden um die Klingen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts in den sogenannten Sicherheitsrasierern zum Einsatz kamen. Erfunden hat sie der Hersteller Gilette im Jahre 1903. Sie hatten auf jeder Seite eine scharfe Klinge, die aus dem sogenannten „Rasierhobel“ herausragt und haben wenig mit den heutigen Einwegrasierern zu tun. Zudem waren diese Klingen sicherer und einfacher in der Handhabung zu Hause als die scharfen Rasiermesser, mit denen ein professioneller Barbier hantiert. Bis in die 1970er-Jahre war das „Rasierhobeln“ die geläufigste Methode, sich zu rasieren. Allerdings gab es dabei ein großes Problem, nämlich die Entsorgung der benutzten Rasierklingen.
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Wie entsorgte man die Rasierklingen?
Da die Klingen scharf und außerdem mit Haaren, Hautschuppen oder auch Blut kontaminiert waren, konnte man sie nicht einfach in den Müll werden. Bis in die 1940er-Jahre wurde der Abfall zu Hause verbrannt, die Asche als Dünger im Garten verteilt. Die Rasierklingen verbrannten dabei nicht und stellten ein Sicherheitsrisiko dar. Die Vorstellung, bei der händischen Gartenarbeit in Kontakt mit einer rostigen Rasierklinge zu kommen, ist durchaus beunruhigend. Also, wohin mit den alten Klingen?
Die Lösung: In den 1950er-Jahren kamen kleine Medizin-Schränkchen auf den US-Markt, die direkt in die Wand eingebaut waren. Dazu sollte man wissen, dass sich die typischen Trockenbau-Wände in den USA von den deutschen Wänden aus meistens massivem Material unterscheiden. Wände in US-Häusern bestehen meistens aus einem Hohlraum zwischen zwei Holzplatten. Und die Medizin-Schränkchen waren oft in eben jenen Hohlraum eingelassen. Auch in Hotels gab es diese Schlitze in der Wand:
An der Hinterseite der Kästchen befand sich ein Schlitz, durch den man die benutzten Rasierklingen stecken konnte. Diese fielen dann in den Hohlraum, wo sie sich ansammelten und keinen Schaden anrichten konnten. Das Problem war damit offenbar gelöst, schließlich haben tausende Klingen im Hohlraum der Wand Platz.
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Rasierklingen kommen bei Renovierungen zum Vorschein
Irgendwann gerieten die Schlitze und die Rasierklingen in den Wänden in Vergessenheit, die Medizinschränkchen wurden ausgebaut, die hohlen Wände teilweise mit Dämmmaterial oder Mörtel gefüllt. Allerdings kamen sie wieder zum Vorschein, als die Häuser renoviert und die Wände eingerissen wurden. Ein Handwerker erklärte dem US-Magazin „Family Handyman“, dass er bei Umbau-Arbeiten älterer Häuser bereits mindestens ein Dutzend Mal auf Rasierklingen-Funde in Wänden stieß. In einem Fall kamen sie sogar aus der Gipsdecke im ersten Stock, als sie diese abrissen. Die Klingen „regneten“ förmlich herunter. Zum Glück hat sich dabei niemand verletzt.
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Können auch in deutschen Häusern Rasierklingen in der Wand stecken?
myHOMEBOOK hat beim Zentralverband Deutsches Baugewerbe nachgefragt, ob dies auch hierzulande vorkommen kann. Gehört habe man dort noch nicht davon, anscheinend handelt es sich tatsächlich um ein US-spezifisches Phänomen. Pressesprecherin Dr. Ilona Klein antwortete auf die myHOMEBOOK-Anfrage: „Heute wie auch früher wird Mauerwerk vollfugig hergestellt. Das bedeutet, dass zwischen den Steinen kein Spalt bleibt, in den man etwas reinstecken könnte.“
In den USA ist allerdings die Trockenbauweise üblich. Die Gipsplatten sind dabei an einem Ständerwerk befestigt. „Hierbei ergibt sich ein Hohlraum zwischen den Platten, in den tatsächlich etwas reingesteckt werden kann“, erklärt die Expertin. In Deutschland sie dies unüblich, „da die Fugen zwischen den Platten immer aufgefüllt und verspachtelt sowie geschliffen sind.“ Bei massivem Mauerwerk, egal ob in Deutschland oder in den USA, komme das also nicht vor.