9. März 2021, 4:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein eigener Garten wird in vielen Städten mittlerweile zum Luxus – die Wartelisten explodieren. In diesen Zeiten entdecken mehr Hobbygärtner Alternativen für sich.
Der heimischen Enge entfliehen, Abstand halten und sich erholen – das funktioniert momentan besonders gut im eigenen Garten. Doch während in vielen dünn besiedelten Regionen Kleingärten keine Pächter finden und Vereine mit Leerstand kämpfen, explodieren in Großstädten die Wartelisten für Parzellen regelrecht. Eine Alternative sind für Hobbygärtner zunehmend sogenannte Mietgärten: Komplett vorbereitete Parzellen auf Feldern, auf denen sie nur noch hacken, jäten und ernten müssen. Auch hier steigt die Nachfrage: „Auf unserer Warteliste stehen rund 2500 Personen“, sagt etwa der Berliner Landwirt Max von Grafenstein von „bauerngarten“. An vier Standorten in Berlin und Brandenburg vermietet er insgesamt 900 Parzellen. „Für viele ist es beglückend, einmal in der Woche lebendige Erde zwischen den Fingern zu spüren“, erklärt von Grafenstein.
Arbeit im Grünen gegen den Stress
„Es ist eine neue Form der Erzeugung, eine Kooperation zwischen Landwirt und interessierten Städtern“, so von Grafenstein. Zwei bis drei Stunden seien pro Woche etwa nötig, um knackiges Biogemüse zu ernten. „Diese Arbeit wird normalerweise von unterbezahlten rumänischen Saisonkräften geleistet.“ Gern würde er sein Angebot ausbauen, doch die Flächen sind knapp.
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Die Arbeit in der Natur wirke sich positiv auf die seelische Gesundheit aus, sagt der Berliner Psychiater und Stressforscher Mazda Adli. Bereits Stadtgrün wie Parks, Beete oder Bäume am Straßenrand senke den Stresslevel. „Bei Gartenarbeit kommt noch ein zusätzlicher psychologischer Effekt dazu: Man schafft mit den Händen ein sichtbares Werk, ein Erfolgserlebnis. Das sorgt für Selbstwirksamkeitserleben, was positive Emotionen stimuliert und uns mit Stress besser umgehen lässt“, so der Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin.
Susma Voigt ist seit 2020 Kundin bei bauerngarten: „Ich kann es schon kaum erwarten, dass es dieses Jahr wieder losgeht“, erzählt die 30-jährige Wahl-Berlinerin. „Ich bin zweimal die Woche zum bauerngarten nach Brandenburg raus fahren, manchmal einfach nur, weil es so gut tut im Grünen zu sein“, so Voigt.
„Ich hatte eine 22-Quadratmeter-Parzelle. Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich: Oh je, das ist ja viel kleiner, als ich es mir vorgestellt habe, ob das wirklich so viel abwirft?“ Aber mit dem Sommer habe sich diese Wahrnehmung ins Gegenteil gekehrt. „Ich habe mit meinem Partner zusammen davon gegessen. Und das hat üppig gereicht“, so Voigt.
Nachfrage nach Mietgärten steigt deutlich an
Eine deutlich gestiegene Nachfrage registrieren auch andere Anbieter, etwa die tegut-Saisongärten, die überwiegend von Bio-Landwirten in Hessen, Bayern und Thüringen betrieben werden. „In diesem Jahr haben einige Landwirte ihre Flächen vergrößert, außerdem sind viele Parzellen bereits deutlich früher ausgebucht als sonst“, berichtet Projektleiterin Stefanie Krecek. „Es sind viele junge Leute dabei, sie wollen ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern, sich gesund und nachhaltig ernähren.“
Bundesweit in 21 Städten aktiv ist das Bonner Unternehmen „meine Ernte“, das seine Kapazitäten ebenfalls ausgebaut hat. „In Stuttgart haben wir beispielsweise aktuell 310 Gärten – 100 mehr als noch 2020“, berichtet Projektmanagerin Ina Remmel. Für viele sei ein Mietgarten eine gute Möglichkeit, das Gärtnern ohne großes Risiko erst einmal auszuprobieren. Und einige Gärtner überbrückten damit auch die Wartezeit auf einen Schrebergarten.
Das geht auch Susma Voigt so. „Ein Kleingarten wäre super. Ich bin auch auf der Suche und stehe auf diversen Wartelisten, aber die Nachfrage ist in Berlin enorm gestiegen, und die Gärten werden eher weniger als mehr“, sagt sie.
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Preise für Mietgärten steigen an
„In unsereren Vereinen stehen mittlerweile etwa 15.000 Personen auf einer Warteliste, vor der Pandemie waren es etwa 12.000 bis 13.000“, sagt der Präsident des Berliner Landesverbands der Gartenfreunde, Michael Matthei. Und das seien noch nicht einmal alle Anwärter, denn einige Vereine hätten ihren Listen wegen des großen Andrangs schon geschlossen.
Die Corona-Pandemie habe zwar einerseits zu einem Nachfrageschub geführt, andererseits leider bei einigen Gärtnern, vor allem Künstlern, auch dazu, dass sie sich nun keine Parzelle mehr leisten könnten, bedauert Max von Grafenstein. Die 22 oder 45 Quadratmeter großen Parzellen sind bei ihm ab 255 Euro beziehungsweise 430 Euro zu haben.
Aber auch für Grünliebhaber ohne jegliches Grundstück gibt es Möglichkeiten, sich gärtnerisch zu betätigen. Die Berliner Schrebergärtnerin und Garten-Bloggerin Caroline Engwert hat gerade ihren Ratgeber „Indoor-Ernte“ zum Gärtnern ohne Garten veröffentlicht. „Auch im Zimmer kann man erfolgreich Salate, Kräuter und pflegeleichte Gemüsesorten anbauen“, so Engwert in ihrem Ratgeber. Nicht einmal ein Balkon sei dafür nötig.