5. September 2024, 14:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Bepflanzung an der Grundstücksgrenze ist ein regelmäßiger Streitpunkt unter Nachbarn. In der Regel geht es dabei um die entsprechenden Abstände, die einzuhalten sind. Ein myHOMEBOOK-Leser berichtet von einem solchen Fall – allerdings geht es hier um die Abstände „nach oben“.
Immer wieder kommt es aufgrund von Hecken an der Grenze zum Nachbargrundstück zu Konflikten. So auch in dem Fall, den myHOMEBOOK-Leser Dieter P. aus dem bayerischen Friedberg schildert. Er wohnt mit seiner Familie im ersten Stock eines Wohnhauses zur Miete, im Erdgeschoss befindet sich ebenfalls eine Mietwohnung inklusive Garten. „In diesem Garten wächst alles, schon jahrelang, wie es will“, erklärt Dieter P. Dazu zählen auch einige Hecken, die mittlerweile eine beachtliche Höhe von bis zu vier Metern erreicht haben. Die Hecke vom Nachbarn im Erdgeschoss wächst so hoch, dass sie das Fenster in der Küche verdeckt, erklärt der Leser. myHOMEBOOK hat bei einem Fachanwalt für Immobilien nachgefragt, ob es bei Hecken auch einen „Abstand nach oben“ gibt.
Wenn die Hecke vom Nachbarn das eigene Fenster verdeckt
Die Hecke des Nachbarn sei „direkt dicht am Giebel unseres Hauses gepflanzt“, einzelne Büsche seien bereits bis zur zweiten Etage gewachsen. „Neben unserem Küchenfenster haben wir dadurch eine ‚grüne Wand‘ und keine Aussicht“, klagt der Leser. Ähnlich würde es sich am Balkon verhalten. Dort wurde ein japanischer Ahornbaum im Abstand von eineinhalb Metern zum Balkon gepflanzt. „Inzwischen ist er so hoch gewachsen, dass Zweige vom Balkon aus greifbar sind“, meint Dieter P. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch von dort keine Aussicht mehr besteht.“
Das Anliegen des Lesers: Die Mieter im Erdgeschoss sollen die Gewächse, die so nah am Gebäude stehen, kürzen. „Und zwar oberhalb in der Höhe, in der unsere Wohnung beginnt“, erklärt Dieter P. Dies entspricht einer Höhe von zweieinhalb bis drei Metern. „Damit hätten wir freie Sicht.“ Auch der Vermieter und Eigentümer der Wohnung von Dieter P. habe sich bereits für einen Rückschnitt der Hecke eingesetzt, sowohl über die Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss als auch über die Hausverwaltung – „alles ohne Erfolg.“
myHOMEBOOK hat diesen Fall zum Anlass genommen und bei Thomas Pliester, Fachanwalt für Immobilien und Mietrecht, nachgefragt. Wie ist die Rechtslage, wenn die Hecke vom Nachbarn die Aussicht aus dem eigenen Fenster verdeckt?
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Das sagt der Anwalt zur Situation
Thomas Pliester ist mit Fällen dieser Art bestens vertraut. Zunächst stellt der Anwalt klar, dass es hierbei um die Pflichten aus einem Sondernutzungsrecht geht. Denn hier gelten nicht die Regelungen des Nachbarrechts, sondern des Wohnungseigentumsrechts. Für Mieter seien die Vermieter immer die erste Anlaufstelle, aus dem Nachbarrecht würden sich keinerlei Ansprüche für sie ergeben.
„Für die Sondernutzungsrechte gelten zunächst einmal die Bestimmungen in der Teilungserklärung“, erklärt Pliester. Allerdings wären diese oft recht unkonkret. „Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aber auch Gebrauchsregelungen durch Beschluss treffen“, ergänzt der Anwalt. Dies würde unter anderem auch die Bepflanzung betreffen.
Ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche umfasse laut Pliester eigentlich nur die Befugnis, diese gärtnerisch zu gestalten. „Zulässig sind dann die übliche gärtnerische Pflege einschließlich des fachgerechten Rückschnitts, der Anpflanzung und Entfernung solcher Pflanzen, die nicht das Gesamtbild prägen.“ Was darüber hinaus gehe, stelle eine „unzulässige bauliche Veränderung“ dar. Bei Bäumen könne man davon ausgehen, dass sie das Gesamtbild prägen. „Die Entscheidung über die Neupflanzung oder Fällung von Bäumen treffen alle Eigentümer gemeinsam und tragen dann auch die Kosten“, erklärt Pliester allgemein.
Nun zum konkreten Fall: „Werden so massive Bäume wie hier angepflanzt und ich vermute einmal ohne Zustimmung der betroffenen Eigentümer geschweige denn aller Eigentümer, dann müssen die letztendlich entfernt werden“, stellt der Anwalt klar. Und zwar nicht nur, weil sie das Sondereigentum des Lesers beeinträchtigen würden, sondern weil sie eben auch eine unzulässige bauliche Veränderung darstellen. Dies bezieht sich sowohl auf die Bepflanzung mit der Hecke, als auch die Ahornbäume.
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Antrag vor der nächsten Eigentümerversammlung stellen
Pliester rät in diesem Fall, Dieter P. solle vor der nächsten Wohnungseigentümerversammlung einen Antrag stellen, um das Thema „Aufforderung zur Baumfällung“ auf die Tagesordnung zu setzen. Dann müsse darüber abgestimmt werden. „Lehnt die Mehrheit die Aufforderung zur Baumfällung ab, dann muss er im Wege der Anfechtungs- und der Beschlussersetzungsklage dagegen vorgehen“, ergänzt der Fachanwalt.
Diese Vorgehensweise richte sich laut Pliester immer gegen den Miteigentümer oder den Sondernutzungsberechtigten. „Wie der dann mit seinem Mieter klarkommt, ist dessen Sache.“ Der habe natürlich auch entsprechende mietrechtliche Ansprüche, „denn der Mieter kann den Garten nicht unbedingt nach seinen Vorstellungen umgestalten.“ Insbesondere dann nicht, wenn es zu Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer führe. Pliester empfiehlt deshalb, derartige Dinge, „die vom Sondernutzungsrecht nicht mehr getragen werden“, von vornherein im Mietvertrag zu verbieten.