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Interview

Insektenfreundlich Gärtnern – Experte gibt wertvolle Tipps

Felix Mildner
Redaktionsleiter

17. Mai 2021, 13:58 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Die Bedeutung von Insektenschutz ist mittlerweile auch bei Hobbygärtnern angekommen. Doch wie geht es richtig? Mit welchen Mitteln und Methoden fördert man wirklich die Artenvielfalt im eigenen Garten? myHOMEBOOK hat darüber mit einem Experten gesprochen, der wertvolle Tipps liefert und erklärt, welche Fehler man vermeiden sollte.

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„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, lautet ein altes Sprichwort – und das trifft auch auf das insektenfreundliche Gärtnern zu. Denn viele vermeintliche Maßnahmen – beispielsweise bienenfreundliche Saatgutmischungen oder Insektenhotels – erzielen oft nicht den gewünschten Effekt. myHOMEBOOK hat sich mit Cornelis Hemmer von der Stiftung für Mensch und Umwelt sowie der Initiative „Deutschland summt!“ getroffen und über Insektenschutz, natürliche Pflanzenschutzmittel und Schottergärten unterhalten.

Insektenfreundliches Gärtnern – warum ist das eigentlich so wichtig?

Hemmer: „Insektenfreundliches Gärtnern ist deshalb so wichtig, weil wir damit Gärten schaffen, die Lebensraum schaffen. Lebensraum für uns, wo wir uns wohlfühlen und ausruhen, aber vor allem auch für unsere Insekten und für andere Lebewesen. Dazu zählen die Pflanzen, die Vogelwelt, als auch die Insektenwelt.“

In Deutschland gibt es 35 Millionen Gärten. Welche Rolle spielen diese beim Schutz von Insekten?

Hemmer: „Wir können bienenfreundliche Pflanzen pflanzen, also ungefüllte, einheimische und gebietsheimische Arten. Dann können wir Strukturen schaffen. Auf einer sitzen wir, nämlich auf einer Trockenmauer. Es könnte aber auch eine Stützmauer, Totholz- oder ein Lesesteinhaufen sein. Und dann können wir natürlich dafür sorgen, dass diese Vielfalt erhalten bleibt – und auch weitergegeben werden kann, in andere Gärten.“

Totholz-Haufen im Garten
Auch ein Totholz-Haufen bietet willkommenen Lebensraum für eine Vielzahl an Lebewesen im Garten Foto: myHOMEBOOK

Welche Pflanzen sind wichtig beim Insektenschutz?

Hemmer: „Wir sollten schauen, dass wir regionale Pflanzen in unseren Gärten oder auf unseren Balkonen setzen. Das sind bei Gehölzen – wenn wir an unseren Garten denken – Liguster, Felsenbirne oder die Kornelkirsche, die im zeitigen März blüht. Dann setzt sich das fort über den Wolligen Schneeball, Obstgehölze wie Apfel, Birne oder Kirsche. Das sind fantastische Gehölze, die man auch gut im Garten pflanzen kann, weil sie nicht so riesig werden.“

„Wenn wir an Stauden denken, also die kleinen Pflänzchen, die wir als Topfware bekommen – Krokus, Winterlinge, Schneeglöckchen, Traubenhyazinthen, Buschwindröschen – das sind bienenfreundliche Pflanzen, die im zeitigen Frühjahr wachsen. Und dann geht’s weiter in den Mai und Juni hinein, wo wir Pflanzen, die aus dem Kräutersegment kommen – Oregano, Dill, Petersilie bis hin zu Salaten – pflanzen. Das sind Kulturpflanzen, die wir selber essen wollen und können, diese eignen sich hervorragend und sollten auch mal durchblühen dürfen.“

Wildbienen-Schaugarten in Berlin-Treptow
Der Schaugarten in Berlin-Treptow, in dem wir uns für das Interview trafen, wurde speziell auf die Bedürfnisse von Wildbienen zugeschnitten Foto: myHOMEBOOK

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Herr Hemmer, ich habe hier zwei Saatgutmischungen, die ich demnächst auf dem Balkon aussäen möchte. Wie gut sind diese Saatgutmischungen für Wildbienen?

Hemmer: „Die Beutelchen verraten nicht genau was drin ist. Sie geben allgemeine Tipps. Aber grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass wir in unseren Gärten und auf unseren Balkonen Saatgutmischungen ausbringen. Aber Achtung! Es sollten möglichst einheimische Sorten und Arten sein, die wir ausbringen. Auch die, die vor Ort für den Ort angebaut worden sind. Im besten Fall handelt es sich um regionales und einheimisches Saatgut. Also: Es nützt allemal, aber wir können natürlich auch nur einen kleinen Teil der großen Gruppe der Wildbienen damit mit Pollen und Nektar versorgen.“

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Welche Pflanzenschutzmittel eignen sich beim insektenfreundlichen Gärtnern?

Hemmer: „Pflanzenschutzmittel ist erst mal ein großer und breiter Begriff, der vieles versucht abzudecken. Pflanzenschutzmittel – das sagt schon der Name – sollen den Pflanzen dienen und sie schützen. Aber vor was? Vor Pilzen, Bakterien, aber auch blattsaugenden Insekten. Im Grunde sind die Mittel nicht schlimm – die Menge macht’s. Um das Gleichgewicht zu erhalten, sollten Pflanzenschutzmittel immer nur sehr dezent, also in Notlagen gegeben werden. Prophylaktisch, also im Vorhinein, ist das nicht sinnvoll.“

„Wir können natürlich Brühen ansetzen, zum Beispiel Brennnesseljauchen oder Schachtelhalmjauchen, und die helfen tatsächlich auch, um Blattläuse oder andere Schädlinge einzudämmen. Aber ausmerzen werden wir sie nie. Dafür brauchen wir das Gleichgewicht zwischen den Protagonisten – zwischen denen, die nützlich sind und Schädlinge quasi eindämmen. Marienkäferlarven oder Schwebfliegenlarven fressen beispielsweise Blattläuse, die können damit eingedämmt werden. Dieses Gleichgewicht auszutarieren schaffen wir, indem wir möglichst viele einheimische Arten pflanzen, nebeneinander oder in Salat- oder Gemüsekulturen, abgetrennt durch Zwiebeln oder Knoblauch, von denen wir wissen, dass sie auch gerne Schädlinge vertreiben. Es ist ein weites Feld, und da muss ich für meinen Garten auch den besten Weg finden.“

Gibt es gute und schlechte Insekten?

Hemmer: „Grundsätzlich gibt es die nicht. Aber wir teilen natürlich die Insektenwelt auf in Gut und Böse. In die, die uns nerven, vielleicht auch mal stechen, und die, die wir mögen und lieben, wie Falter oder Marienkäfer. Im Großen und Ganzen hat jedes Lebewesen seine Bedeutung und seinen Platz auf der Erde – und gehört auch dahin. Wir können natürlich versuchen, die, die wir ein bisschen weniger gern haben, vielleicht Falkenwespen, die Deutschen Wespen oder Hornissen, die bei uns am Grill versuchen, Fleisch zu erobern, durch attraktive Alternativen wegzulocken.“

„Ein kleines Fleischstück in der Nähe des Grills soll die Insekten umlocken, dann können sie ihr Fleisch abschaben und damit nach Hause fliegen. Ich weiß auch, dass bestimmte ätherische Öle für manche Insekten unangenehm riechen und sie fernhalten. In der Hochsaison von Wespen kann man vielleicht einen Zeitpunkt zum Grillen wählen, an dem sie weniger stark vertreten sind. Nicht nach ihnen schlagen, denn das merken sie sich! Sie können nämlich Gesichter erkennen. Ansonsten: froh sein, dass jedes Insekt, das da ist, für uns ist. Für die Umwelt, für die Bestäubung – das hilft.“

Wie kann ich den Rasen insektenfreundlich gestalten?

Hemmer: „Rasenfläche ist ein Ding für sich. Ich würde vorschlagen, wir sollten Teile dieser Fläche einfach mal abstechen, etwa ein Meter mal ein Meter, um ein Quadrat herauszuheben. Diese Grassode könnte man entfernen und vielleicht kompostieren, um dann auf dieser Fläche Sand einzubringen, den Boden auszumagern. Und dann können wir ein Tütchen mit Saatgut ausbringen und schauen, wie dort Kräuter oder Stauden aufwachsen. Im ersten Jahr einjährige, beispielsweise Klatschmohn, im nächsten Jahr denn die zweijährigen Arten, um dann einen Patch zu haben, der attraktiv und farbenfroh aussieht.“

„Und wenn wir den Rasen nur alle drei oder alle vier Wochen mal mähen, stellen wir auch fest, dass da auf einmal Wiesen-Schaumkraut, Gänseblümchen oder vielleicht auch Löwenzahn wächst. Das sind Pflanzen, die dort hingehören, die dort schlummern im Rasen, aber nie rauskommen dürfen, weil sie immer wieder abgesägt werden.“

Was ist bei der Bodenbeschaffenheit wichtig für Insekten?

Hemmer: „Viele Arten, insbesondere Wildbienen-Arten, nisten nicht überirdisch, sondern legen ihre Eier in den Boden hinein – zwanzig, dreißig, vierzig Zentimeter tief. Das verrät uns eigentlich schon, wie wir mit unserem Garten auch umgehen können: Wir sollten immer wieder auch Rohboden lassen, also Boden der nicht zugewachsen ist, auf dem auch kein Rindenmulch liegt. Denn wenn der Boden zugedeckt ist, können die Tiere gar nicht reinfinden, sie können ihr Loch gar nicht graben. Was wir aber auch schaffen könnten, sind Sandinseln, also Flächen aus sandigem Lehm oder lehmigem Sand, wo dann diese Tiere ihre Löcher bohren.“

Was ist der größte Fehler beim Versuch, insektenfreundlich zu gärtnern?

Hemmer: „Ständiges Wässern, ständiges Mähen, und wahrscheinlich auch Austauschen von Blütenfloren, also von Pflanzen, die wir für zwei Monate rausholen und dann wieder reinsetzen – also dieser Wechselflor, den wir aus Parkanlagen kennen. Das ist Blödsinn. Stattdessen weniger mähen, partiell weniger wässern, nicht alles unter Wasser setzen. Klar, wenn extreme Trockenheiten wie 2018 oder 2019 passieren, sollten wir schon wässern, es sollte nichts vertrocknen. Und wir sollten vor allen Dingen nicht in den Baumarkt fahren und glauben, da kriegen wir die richtige Beratung. Es ist leider so. In Baumärkten haben wir Massenware, die als gezüchtete oder hybrid-gezüchtete Pflanzen zu uns gebracht werden. Hier sind regionale Staudengärtnereien gefragt.“

Woran erkenne ich, ob mein Garten insektenfreundlich ist?

Hemmer: „Wir können erkennen, dass der Garten insektenfreundlich ist, wenn er möglichst artenreich gestaltet ist – mit einheimischen Gehölzen und einheimischen Stauden. Aber Strukturen dürfen auch nicht fehlen, die ich als ‚Bemöbelung‘ des Gartens bezeichnen möchte. Ich sitze auf einer Steinmauer, die nicht mit Mörtel verfugt ist, so können die Ritzen von Insekten genutzt werden, von Reptilien, aber auch als Sitzwarte für Vögel. Auf der anderen Seite können wir aber auch Totholz in unserem Garten stehend und liegend einbringen. Das vermodert und vermorscht, da können sich Pilze an der Zersetzung beteiligen. Und wir haben auch da wieder Sitzwarten für Vögel, die gerne so einen sonnenbeschienenen Steinhaufen nutzen. Reptilien tun das ja auch gerne, wenn wir, zum Beispiel, an die Zauneidechse denken.“

Trockenmauer
Eine Trockenmauer ist nicht nur eine Sitzgelegenheit, sondern Lebensraum für viele Arten Foto: myHOMEBOOK

„Und dann können wir natürlich auch Wasserflächen schaffen, auch wenn es nur kleine Wasserflächen sind. Mulden, die wir periodisch volllaufen lassen mit Wasser. Wenn es viel regnet, läuft es rein und verdunstet wieder. Und dann können wir schauen, dass wir an der Seite Gilbweiderich oder Blutweiderich pflanzen, um dort ein gelbes und rotes Meer von Blütenpflanzen zu schaffen.“

Sind Insektenhotels eigentlich empfehlenswert?

Hemmer: „Ein Insektenhotel oder eine Nisthilfe ist gut geeignet, wenn wir Menschen an das Thema Insekten und ihr Nistverhalten heranführen wollen. Wir können hier gefahrlos zuschauen, wie Wildbienen in diese Löcher hinein krabbeln. Gewöhnlich ist es so, dass sie anfliegen, prüfen, wo kann ich nisten und am Ende diese Löcher auch verschließen. Diese Nisthilfen sind insofern gut geeignet, weil sie uns ein gutes Gefühl geben, dass wir was tun für Bienen. So richtig gut sind sie nur auf den zweiten Blick – oder sind es vielleicht auch gar nicht.“

Wie meinen Sie das?

„Wir fördern damit auch nur eine bestimmte Auswahl an Insekten. Bei den Wildbienen wissen wir, dass ein Drittel überirdisch lebt, und davon etwa nur die Hälfte in diese Art von Insektennisthilfe geht. Also in etwa sind es 30 bis 40 Arten, die hier Quartier suchen. So eine Insektennisthilfe hilft, Umweltbildung naturnah zu vermitteln, aber sie ist kein Artenschutz und sollte vielmehr ersetzt werden durch das Stehenlassen von Pflanzen über das ganze Jahr. Auch im Herbst nicht abschneiden und im Winter stehen lassen, und wenn es nur auf 20 oder 30 Prozent der Fläche ist! Dann kann eine Insektennisthilfe zusätzlich dargeboten werden. Zudem würde ich immer empfehlen, diese selbst zu bauen.“

Insektenhotel mit Biene
Insektenhotels sind zwar gut gemeint, helfen aber nur einer kleinen Auswahl an Insekten Foto: myHOMEBOOK

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Was halten Sie von Schottergärten?

Hemmer: „Ich finde, das ist Wahnsinn, vor allem in der heutigen Zeit. Und es hat auch echte Nachteile für die Bewohner. Bei Temperaturen im Sommer von 30 Grad, hat es da 50 Grad. Es gibt eine hohe Abstrahlung der Wärme, die muss ich gegenkühlen, denn ich will ja nicht bei 50 Grad dort sitzen und grillen und gegrillt werden. Dort wächst auch nichts, vielleicht ein paar Algen nach drei bis vier Jahren. Ich schaffe dort so einen lebensfeindlichen Raum, dass wir dem etwas Attraktives entgegensetzen müssen, und das können nur Stauden, Kräuter und einheimische Gehölze sein.“

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