11. November 2024, 11:13 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Für Ruhestörung gibt es die unterschiedlichsten Ursachen. Kinderlärm, Baustellen – und auch Vogelgezwitscher, vor allem wenn dieses im Übermaß auftritt. Eine myHOMEBOOK-Leserin berichtete der Redaktion von einem solchen Fall.
Viele verbinden mit dem Zwitschern von Vögeln eigentlich etwas Positives. Nicht so eine myHOMEBOOK-Leserin aus Niedersachsen, wie sie der Redaktion mitteilte. In ihrem Fall ging es auch nicht um das Gezwitscher von heimischen Singvögeln, sondern um den Lärm aus einer Vogelvoliere, die im Garten ihres Nachbarn errichtet wurde. myHOMEBOOK hat sich diesem Fall angenommen und einen Anwalt dazu kontaktiert. Er hat eine klare Meinung zur Sachlage.
Lärm von Vogelvoliere mit mehr als 50 Wellensittichen
Die Leserin ist Eigentümerin einer Doppelhaushälfte in einem kleinen Ort in Niedersachsen. „Unser Nachbar züchtet seit circa 15 Jahren Wellensittiche in einer Außenvoliere“, berichtet die Leserin. „Was am Anfang mit einigen Tieren begann, beläuft sich nun auf 50 bis 60 Wellensittiche.“ Diese Angaben beziehen sich auf die Aussage ihres Nachbarn. Und mit dieser Zahl kommen natürlich auch Konsequenzen: „Wir werden das ganze Jahr über, jeden Tag von Tagesanbruch bis zur Dunkelheit, durch den Lärm der Tiere belästigt“, klagt die Eigentümerin. „Oft kreischen diese in der Nacht, besonders bei Vollmond oder sternenklaren Nächten.“
Die Lärmentwicklung sei kaum zu ertragen. „Die Vögel erreichen eine unglaubliche Lautstärke und das fast durchgehend“, berichtet die Eigentümerin. Im Sommer würden sie 16 Stunden am Stück zwitschern, und das jeden Tag. Die Terrasse, die sich ungefähr 12 Meter entfernt befindet, könne ihre Familie nicht benutzen. Zudem sei es unmöglich, bei geöffnetem Fenster zu schlafen. „Das Kreischen der Vögel ist zu schrill. Homeoffice bei geöffnetem Fenster ist unmöglich.“
Erste rechtliche Schritte eingeleitet
Die Leserin hat bereits erste rechtliche Schritte unternommen. „Veterinäramt und Ordnungsamt sind nicht zuständig“, erklärte sie. Auch ein Treffen beim Schiedsamt blieb erfolglos. Ein Anwalt wurde ebenfalls bereits kontaktiert. Er hat der Leserin zu einer Klage geraten. Für sie sei es unverständlich, dass ein Nachbar eine Zucht betreiben dürfe, die andere belästigt.
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So schätzt ein Anwalt die Lage ein
myHOMEBOOK hat sich diesem Fall angenommen und Thomas Pliester, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht angefragt. „Die Rechtslage für Ihre Leserin ist eigentlich sehr günstig“, schätzt Pliester die Lage ein. „Die Kleintierhaltung in Wohngebieten ist ein Dauerbrenner und auch solche extremen Fälle – wie der hier geschilderte – sind durchaus nicht selten anzutreffen“, weiß der Anwalt aus Erfahrung.
Laut seiner Expertise habe die Leserin sowohl zivilrechtliche Ansprüche gegen den Eigentümer des Grundstücks, als auch öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen das Bauamt aufgrund der „offensichtlich unzulässigen Nebenanlage“. Bei einer Voliere mit 50 bis 60 Wellensittichen sei „jedes Maß überschritten“.
Zivilrechtlich gäbe es einen Beseitigungsanspruch, der sich aus §§ 1004, 903 und 906 BGB ergibt. „Dieser Anspruch ist grundsätzlich auf Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Vogelgeräusche gerichtet, wird aber praktisch immer nur durch das Entfernen der Vögel letztendlich auch zu erreichen sein“, erklärt Pliester. Er geht davon aus, dass es sich um eine starke Beeinträchtigung handelt, „zumal auch starke Geräuschentwicklungen zur Nachtzeit berichtet werden.“ Der Anwalt weist in diesem Zusammenhang auch auf ein Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 10.05.2004 (22 C 0227/04) hin, in welchem die Rechtslage eindeutig dargelegt sei. Auch hier ging es um Geräuschbelästigung durch Vogelhaltung.
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Vogelvoliere dieser Größe genehmigungspflichtig
Öffentlich rechtlich ist es laut Pliester so, dass derartige Vogelvolieren bauliche Anlagen darstellen, die allenfalls nach § 14 BauNVO als „untergeordnete Nebenanlage“ zulässig wären. Allerdings nur dann, wenn sie auch dem „Nutzungszweck Wohnen“ diet und der Eigenart des Baugebiets nicht widerspreche. „Eine Voliere mit der Größe und der Anzahl von Tieren, wie sie hier in Rede steht, ist mit Blick auf eine wohngebietsverträgliche Kleintierhaltung deutlich überdimensioniert“, sagt Pliester.
„Die Frage ist zunächst einmal, ob die Voliere überhaupt baurechtlich genehmigt ist“, gibt er zu bedenken. Aber selbst wenn dem so sei, wird sie wohl nicht für diese Anzahl von Tieren genehmigt sein. Er rät deshalb, zunächst zu überprüfen, ob eine Baugenehmigung vorliegt und welche Voraussetzungen diese gibt. Danach kann die Leserin den Anspruch auf Einschreiten der Baubehörde geltend machen.