15. Mai 2020, 4:18 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Zahn der Zeit nagt unweigerlich an so vielem – auch Ölgemälde und Acrylbilder bleiben nicht verschont. Die Farben verblassen, die Oberfläche bekommt Risse, das ist auf Dauer nicht schön anzusehen. Kann man ein altes Bild an der Wand aber einfach selbst reinigen?
Trödelshows sind echte Publikumsrenner im Fernsehen. Dort werden auch immer wieder alte Ölgemälde zur Auktion angeboten. Meist heißt es dann in der Expertise vorab, dass das Bild zwar gut sei, die Zeit allerdings ihre Spuren hinterlassen habe. Denn oftmals sind eingereichte Gemälde vergilbt, verblasst oder beschädigt. Um den Wert zu steigern, müsse man das Ölgemälde reinigen oder restaurieren. Doch wie geht das?
Kann man ein altes Ölgemälde selbst reinigen?
Im Internet kursieren etliche DIY-Tipps, wie man selbst ein altes Ölgemälde reinigen kann, um ihm zu neuem Glanz zu verhelfen. Teilweise sind diese Tipps einfach nur bizarr und verschlimmbessern die Sache. Die Oberfläche mit einer rohen Zwiebel oder mit einer Scheibe Toastbrot abreiben – kann das gut gehen oder endet das in der Katastrophe?
„Bloß keine Zwiebeln“, warnt Patricia Brozio. Die Pressesprecherin des Verbands der Restauratoren erklärt auf Nachfrage von myHOMEBOOK: „Bei einem unbedarften Einsatz von vermeintlich gut gemeinten Hausrezepten kann man schnell ungewollte Schäden am Ölgemälde verursachen. Die sind dann manchmal irreparabel oder können nur von einem professionell ausgebildeten Restaurator mit viel Mühe wieder behoben oder gemildert werden.“
Brotkrümel beispielsweise, die auf der Oberfläche eines Gemäldes verbleiben – und sind sie nur mikroskopisch klein – seien ein willkommenes Fressen für Mikroorganismen und Insekten, die vor dem Bildmaterial nicht halt machen.
Lieber mit dem alten Bild zum Fachmann?
Vorsichtiges Abstauben des Ölgemäldes mit einem weichen Staubtuch dürfte kaum ein Problem darstellen. Aber damit kommt nicht unbedingt der alte Glanz des Kunstwerks zurück. Um die Farben wieder zum Leuchten zu bringen, ist Fachwissen gefragt. Denn bei einer Reinigung eines Gemäldes muss in erster Linie darauf geachtet werden, mit welchen Malmaterialien der Künstler gearbeitet hat.
Wichtig für die Reinigung oder Restaurierung ist zudem der Erhaltungszustand des Bildes und die Art der Verschmutzung. Brozio, die selbst Diplom-Restauratorin ist, erklärt: „Ölfarben, Eitempera, Pastellkreiden, Aquarell- oder Acrylfarben reagieren ganz unterschiedlich auf Lösemittel und mechanische Beanspruchung. Staub und Fliegenkot lassen sich anders lösen als etwa Ruß oder Nikotin.“
Firnis auf Ölgemälde kann brüchig werden
Auf einem Bild können Schutzüberzüge liegen, wie zum Beispiel ein Firnis aus Öl und Harz. Bei einem alten Gemälde kann der Firnis irgendwann vergilben oder trüb werden, sodass das Gemälde optisch in Mitleidenschaft gezogen wird und behandelt werden muss. Doch Vorsicht: Wer selbst mit einem Reinigungsmittel an ein altes Gemälde rangeht, muss bedenken, dass die Schutzschicht meist anders reagiert als die darunter liegenden Farbschichten.
„Die Oberfläche könnte altersbedingt von einem feinen Rissnetz durchzogen sein, durch das feuchte Reinigungsmittel in tiefer liegende Schichten dringen und Schadensprozesse anstoßen kann“, sagt Brozio.
Aber nicht nur das: Die Malschicht könnte sich auch gelockert haben und bei Reibung abfallen. Auch gibt es Malschichten, die abkreiden, das heißt die Farbpigmente haben sich in einem solchen Fall gelöst, weil sich über die Zeit das Bindemittel abgebaut hat.
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Nicht immer ist die ganze Oberfläche betroffen
Um ein Bild behutsam zu reinigen und dem Originalzustand näherzukommen, sollte geschaut werden, wo der Fehler liegt. Der Restaurator untersucht, ob lediglich Schmutz aufliegt. Oder ob die „Lesbarkeit“ des Bildes auch durch Übermalungen oder vergilbte Überzüge getrübt ist. Dann prüft der Experte, ob Malschichten „bröckeln“ und die Leinwand Risse oder Beulen hat.
Erst danach kann ein Restaurator den Arbeitsaufwand abschätzen, erklärt Brozio: „Dieser ist aber nicht immer so groß, wie es zunächst erscheint. Meist liegen Schäden nur bereichsweise vor, was zugleich voraussetzt, kleinteilig zu arbeiten und den Prozess ständig zu beobachten.“
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Was kostet das Restaurieren von Bildern?
In der Regel ist das Reinigen eines Gemäldes bezahlbar. Letztlich spielen bei der Preisfindung eine Menge Faktoren eine Rolle: Bildgröße, Wert des Kunstwerkes und Art der Verschmutzung. Aber auch der Umfang weiterer Schäden.
Für das einfache Reinigen bieten einige Restaurateure im Internet wahre Dumping-Preise an: Rund 50 Euro für ein Bild mit der Größe von 40 mal 60 Zentimetern. Ob solch ein Angebot für Kleinformate seriös ist, ist allerdings fraglich. Die Berufsbezeichnung „Restaurator“ oder „Restauratorin“ ist in Deutschland nicht geschützt. Mit anderen Worten: Jeder, der will, kann sich Restaurator nennen. Wer sein Kunstwerk liebt, sollte daher immer vorab checken, welche Ausbildung und Referenzen ein Restaurator mitbringt.
Letztlich muss der Fachmann das Bild jedoch im Original sehen, bevor er sagen kann, was die Reinigung kostet. Tipp von Patricia Brozio: „Eine erste grobe Einschätzung des Zustands und Aufwandes kann ein Restaurateur auch anhand von Fotos vornehmen.“
Übrigens: Der durchschnittliche Stundensatz für einen Restaurator liegt laut einer Befragung von 2017 bei 46 Euro. Nicht viel, für solch eine wichtige und wundervolle Arbeit.