19. Dezember 2019, 13:19 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Sind probiotische Reinigungsmittel die sanfte Wunderwaffe im Kampf gegen Schmutz, Staub und Bakterien im Haus? Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) habe sich die Putzmittel mit Mikroorganismen genauer angesehen. myHOMEBOOK fasst zusammen, zu welchem Ergebnis die Experten gekommen sind.
Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, Harnstoff – das ist der Mix, aus dem Schmutz besteht. Und der ist für Bakterien ein gefundenes Fressen. Wegputzen kann man den Schmutz mit der harten Chemiekeule oder herkömmlichen Reinigern. Immer mehr Menschen greifen jedoch lieber auf umweltschonende Putzmittel zurück. Relativ neu auf dem Markt sind sogenannte probiotische Reinigungsmittel, die versprechen, neben hartnäckigem Schmutz auch gleich die „bösen“ Bakterien zu entfernen. Das soll laut Herstellern ganz natürlich geschehen, und zwar mit der Kraft der „guten“ probiotischen Bakterien.
Hinweis: Das Wort „probiotisch“ kennen die meisten wohl nur in Zusammenhang mit dem Darm. Probiotika sind quasi gute Bakterien, die eine natürliche Darmflora bilden. Sie tragen zusätzlich zu einem funktionalen Immunsystem bei. Genau diese Bakterien kann man angeblich auch für probiotische Reinigungsmittel für den Haushalt nutzen.
Funktionieren probiotische Reinigungsmittel?
Johannes Gescher vom Institut für Angewandte Biowissenschaften des KIT überzeugt der Gedanke nicht, Bakterien auf einer Oberfläche zu versprühen und diese dadurch zu säubern. Zwar können Bakterien Kohlenstoff fressen. Das passiert so beispielsweise in jedem Klärwerk, um Abwasser zu reinigen. Der Haken: Bakterien scheiden neben CO2 auch Biomasse aus. Und was hinten rauskommt, ist wiederum lecker für neue Bakterien. „Damit eignen sich Bakterien eher weniger, Oberflächen so von organischem Kohlenstoff zu befreien, dass man hinterher tatsächlich von Sauberkeit sprechen könnte“, meint Gescher gegenüber myHOMEBOOK.
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Was wirkt in probiotischen Reinigungsmitteln?
Mikrobiologe Gescher und sein Team haben mehrere probiotische Reinigungsmittel im Labor unter die Lupe genommen. Manche davon enthielten tatsächlich bis zu zwei Milliarden Zellen – pro Milliliter. Das klingt für den Laien nach der geballten Putzkraft an probiotischen Bakterien. Aber: Die Reiniger enthielten auch typische Wirkstoffe, die in jedem stinknormalen Putzmittel vorkommen, wie zum Beispiel Essigsäure oder Alkohol. „Damit liegt der Verdacht nahe, dass die Reinigungsleistung die Zusatzstoffe erbringen und nicht die Mikroorganismen“, sagt Gescher.
Können Blaualgen wirklich putzen?
Nein. Völlig ungeeignet hält Gescher die Bakterien, die in den probiotischen Reinigungsmitteln zum Einsatz kommen. Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, ernähren sich von Sonnenlicht und nicht von anderen Mikroorganismen oder Schmutz. Und Milchsäurebakterien nehmen zwar organische Kohlenstoffe auf und produzieren Milchsäure – wie beim Herstellen von Joghurt. Allerdings machen die Bakterien das nur, wenn sie keinen Zugang zu Sauerstoff haben. „Auch hier muss man also fragen, wie eine Reinigungsleistung erfolgen soll, wenn man diese Organismen auf einer Oberfläche ausbringt“, merkt der Experte an.
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Die Bakterien hätten kaum Zeit zum Putzen
Auf jeder Oberfläche liegt eine hauchdünne Schleimschicht, der sogenannten „Biofilm“. Darin wimmelt es von Mikroorganismen. Geschers Meinung dazu, dass, durch probiotische Reinigungsmittel „gute“ Bakterien unerwünschte vertreiben: „Mikroorganismen in einem Reiniger sind kaum in der Lage, den natürlichen Film auf einer Oberfläche zu verdrängen.“
Zudem mögen es Bakterien feucht, nur in so einer Umgebung sind sie aktiv. Wenn man wischt, ist der Boden aber vielleicht zehn Minuten feucht. Das sei viel zu wenig Zeit für Mikroorganismen, um etwas zu sich zu nehmen. KIT-Wissenschaftler Gescher rät: „Wer umweltschonend putzen möchte, sollte zu schnell abbaubaren Reinigungsmitteln greifen.“