28. Juni 2022, 12:59 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein Spülschwamm ist in Küche und Haushalt unerlässlich. Forscher warnen jedoch, dass der Schwamm ein wahres Keimhotel sei. Selbst Spülmittel oder heißes Wasser können den teils gesundheitsgefährdenden Erregern nichts anhaben. Forscher erklären, warum das so ist und welche Alternativen es gibt.
Ekelalarm! Deutsche Forscher haben gebrauchte Spülschwämme genauer unter die Lupe genommen. Die Schaumstoffquader sind alles andere als hygienisch, sie sind wahre Keimschleudern. Unter dem Mikroskop zählten die Wissenschaftler mehr Mikroorganismen in einem Spülschwamm, als es Menschen bislang auf der Erde bisher gab!
Spülschwamm mit Innenleben eines Darms vergleichbar
Die Zahl erschreckt und fasziniert zugleich. Bis zu 54 Milliarden Bakterien tummeln sich pro Kubikzentimetern Spülschwamm. Dichter wird kaum ein anderer Gebrauchsgegenstand im Haushalt von Bakterien besiedelt.
Warum das so ist, erklärt Markus Egert. Der Molekularbiologe an der Hochschule Furtwangen (Baden-Württemberg) forscht schon länger zur Keimmenge in Spülschwämmen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigt sich, dass neben Bakterien in einem Spülschwamm Archaeen, Algen, einzellige Tiere, sogenannte Protozoen, Pilze und auch Viren leben.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt der Wissenschaftler: „In einer älteren Studie, die wir hatten, haben wir bis zu 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter Schwamm gefunden – mit einer molekularbiologischen Methode. Das sind schon gigantische Mengen. Als Faustregel kann man sagen, in zwei Kubikzentimetern Schwamm leben mehr Mikroben, als es jemals Menschen auf der Erde gegeben hat. Im Prinzip kann man den Schwamm vergleichen mit dem Innenleben von Menschen, also von Verdauungstrakten von Wirbeltieren wie dem Mensch oder einer Kuh vielleicht. Da kommen Sie auch auf Keimzahlen, die so im Bereich von zehn hoch zwölf, zehn hoch 13 liegen.“
Das liege daran, dass man fast nirgendwo auf der Welt so optimale Lebensbedingungen für Mikroben finde, wie in einem Schwamm. „Im Schwamm ist es im Prinzip feucht, das ist das Allerwichtigste, es hat eine große Oberfläche, es gibt für die Mikroben in der Regel sehr viel zu fressen und es wird auch nicht so häufig gereinigt“, sagt Egert.
Feuchtbiotop Schwamm
Viele Bakterien im Spülschwamm ernähren sich von Lebensmittelresten, die sich in den Poren verfangen. Sie sind wiederum ein gefundenes Fressen für andere Mikroben. Pilze ernähren sich zudem von abgestorbenen Bakterien und Lebensmittelresten. „So ein bisschen ist das ein richtig kleines Ökosystem“, erklärt Egert.
Der Forscher sagt: „Da sich darunter auch Krankheitserreger, wie Salmonellen oder Campylobacter-Bakterien befinden können, sind solche Spülschwämme in der Küche eigentlich keine hygienisch sinnvollen Reinigungsutensilien. Trotzdem erfreuen sie sich nach wie vor großer Beliebtheit.“
Sind die Bakterien im Spülschwamm gefährlich?
In einem Spülschwamm siedeln sich meist harmlose Wasser- oder Hausbakterien an. „Die sind für den Menschen, insbesondere für den gesunden Menschen, eigentlich nicht krankheitserregend. Krankheitserreger, also wirklich pathogene Mikroorganismen wie zum Beispiel Salmonellen oder Campylobacter können auch vorkommen, aber in der Regel nicht in so hohen Konzentrationen wie die Umweltbakterien“, erklärt Egert.
Warum Spülmittel viele Keime im Schwamm nicht verscheut
Aber wie kommt man selbst den vermeintlich harmlosen Keimen bei? Geschirrspülmittel scheint den Kleinstlebewesen nicht viel auszumachen. Die Mikroben bilden im Spülschwamm einen Biofilm, vermuten Forscher. Die Schleimschicht schützt die Bakterien vor Gefahren wie Fressfeinden, aber auch vor Tensiden in Spülmitteln. „So können die Bakterien im Schwamm ganz gut überleben, selbst wenn ich da jeden Tag mit einem Spülmittel rangehe“, sagt Markus Egert.
Hilft kochendes Wasser gegen die Keime im Schwamm?
Kochen, Mikrowelle, Austrocknen – es gibt viele Methoden, einen Spülschwamm zu reinigen. Wobei von der Mikrowellen-Methode jedoch abzuraten ist. Allerdings sei es schwer, einen Schwamm im Haushalt steril zu bekommen, sagt Egert. Kochen in heißem Wasser reduziere die Keimzahl zwar erstmal deutlich. Viele Krankheitserreger und Bakterien sterben dadurch ab, jedoch nicht alle.
„Gerade durch diesen Biofilm bleiben sehr wahrscheinlich ein paar immer am Leben – und die haben dann natürlich im wahrsten Sinne des Wortes freie Bahn, sich zu vermehren und schießen dann von der Keimzahl her wieder hoch“, erklärt der Mikrobiologe.
Auch interessant: Spülmaschinentab löst sich nicht auf? Woran es liegt und was man dagegen tun kann
Forscher warnen Gefährlich! Spülschwamm nicht in der Mikrowelle reinigen
Hygiene in der Küche Häufige Fehler beim Reinigen von Schneidebrettern
Hygiene Dinge in der Wohnung, die uns krank machen, wenn wir sie nicht reinigen
Schwamm oder Bürste – was ist hygienischer?
Zum Geschirrspülen scheint eine Bürste die bessere Alternative zum Schwamm zu sein. Laut einer internationalen Studie befinden sich zwar auch auf den Borsten einer Spülbürste nach Gebrauch unzählige Mikroben. Im Vergleich zu einem Spülschwamm trocknet eine Bürste jedoch schneller ab. Krankheitserreger haben so weniger Überlebenschancen.
Und auch Markus Egert erklärt im DLF-Interview: „Auf Bürsten finden sich ähnliche Mengen von Keimen wie auf Schwämmen, es sind witzigerweise auch dieselben Arten und Gattungen, die man so findet. Aber die Bürste hat den großen Vorteil, dass sie einfach zwischen der Benutzung viel leichter und intensiver abtrocknet. Und dieses Abtrocknen, das reduziert die Keimzahl sehr deutlich um drei oder vier Zehnerpotenzen, ohne dass ich irgendetwas machen muss.“ Sein Fazit: Die Bürste ist eigentlich das bessere Mittel.