15. April 2023, 13:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Zeit des Biedermeiers bedeutete Unruhen im Land und eine Flucht vom öffentlichen in den privaten Raum. Das eigene Zuhause sollte zum schönen Rückzugsort werden. Bestrebungen, die sich auch auf Architektur und Möbeldesign von damals auswirkten.
Bis heute ist die Zeit des Biedermeiers bekannt und das, obwohl sie schon einige Jahrhunderte zurückliegt und von gar nicht allzu langer Dauer war. Dennoch hatte die Epoche entscheidenden Einfluss auf Kunst, Literatur und Musik, aber vor allem auch auf die Architektur und den Möbelbau. Was also zeichnet diese Ära aus und was macht die Biedermeier-Zeit noch immer so besonders?
Was zeichnet die Biedermeier-Epoche aus?
Die Zeit des Biedermeier ist in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts einzuordnen. Kennzeichnend ist vor allem das Jahr 1815, welches gleichzeitig das Ende jahrzehntelanger Kriege und Unruhen in Europa darstellte. Mit dem Wiener Kongress wurde die Neuordnung Europas durch die konservativen Siegermächte ausgehandelt. Was folgte, war die Zeit der Restauration und damit die Rückbesinnung auf althergebrachte Werte.
Ziel war es, die Zeit vor der Französischen Revolution wiederherzustellen. Ganz zum Leidwesen des Volkes und zur Freude der Kirche, die allmählich wieder an Bedeutung gewann. Das politische Interesse innerhalb der Bevölkerung war zu jener Zeit entsprechend gering. Stattdessen zog man es vor, sich in sein Privatleben zurückzuziehen und das eigene Zuhause zur Idylle werden zu lassen – während vor der Tür die Probleme zunehmend wuchsen. Im Jahr 1848 kam es dann mit einer erneuten Revolution innerhalb Deutschlands zum Ende der Biedermeier-Zeit. Die Bevölkerung wollte sich nun endgültig wieder mehr politisch an den Geschehnissen des Landes beteiligen und diese aktiv mitbestimmen.
Wie kam der Stil zu seinem Namen?
Spricht man heutzutage vom Biedermeier, meint man weniger die historische Epoche, sondern vielmehr die Künste jener Zeit. Im damaligen Bürgertum entwickelte sich gewissermaßen eine ganz eigene Kultur, aus der bis heute bekannte musikalische und literarische Werke sowie Gebäude und Möbelentwürfe hervorgingen. Doch was alle Künste miteinander verband, war eine stark konservative Prägung, weshalb man zurecht auch von biederen Verhältnissen sprechen konnte. Das Wort bieder ist allerdings kein Begriff dieser Zeit, sondern kam erst später auf.
Unter „Herrn Biedermeier“ verstand man den fiktiven Charakter eines schwäbischen Dorflehrers namens Gottlieb Biedermaier (die Schreibweise änderte sich im Laufe der Zeit zu „ei“). Jene literarische Figur des Schriftstellers Ludwig Eichrodt repräsentierte die Eigenheiten der damals vorherrschenden Zeit: Ein Mann, der in einfachen Verhältnissen lebte und dennoch glücklich mit seinem Leben schien. Lange Zeit wurden diese Eigenschaften als Biederkeit, Kleingeist und politisches Desinteresse negativ konnotiert. Nach 1900 wandte man sich dem Ganzen etwas wertneutraler zu und deutete es stattdessen als Rückzug ins Privatleben und die damit verbundene Häuslichkeit des Kleinbürgertums.
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Merkmale der Biedermeier-Architektur
Infolge der Entpolitisierung der Bevölkerung zog man sich entsprechend immer mehr in die eigenen vier Wände zurück. Man wollte es sich zu Hause so schön und angenehm wie nur möglich machen. Dadurch erfuhr auch die vorherrschende Architektur einen Wandel. So war der Baustil dieser Epoche an die Zeit der Antike angelehnt und verstand sich als eine Form des Klassizismus. Weil Bescheidenheit und Demut wichtige Merkmale der Biedermeier-Ära waren, muten auch die Bauwerke jener Zeit eher schlicht statt verschnörkelt an.
Damit gilt der Architekturstil als elegant und frei von übertriebenem Prunk. Außerdem hatte die Rückbesinnung auf das Privatleben zur Folge, dass größere Stuben gebaut wurden. Genügend Platz also, um die Zeit im Kreise der Familie zu verbringen. Gewissermaßen wurde dieser Raum dadurch zum Vorläufer des heutigen Wohnzimmers. Während der Biedermeier-Zeit entstanden zahlreiche Bauwerke, die teilweise bis heute noch den urbanen Raum prägen.
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Schnörkellose Möbel im eleganten Stil
Um während einer konservativ geprägten Zeit wenigstens für ein idyllisches Privatleben zu sorgen, erlebte auch die Inneneinrichtung stilistische Veränderungen. Auffallend war hierbei eine bemerkenswert hohe Qualität der Möbel, weshalb die Biedermeier-Zeit auch als eine sehr geschmackvolle Epoche gilt. Die hochwertig verarbeiteten Möbelstücke stehen – genau wie auch die Architektur – für viel schlichte Eleganz.
Zum Ausdruck brachten dies großzügige, glatte Furnierflächen mit deutlich sichtbarer Maserung. Entsprechend wurde mit edlen Hölzern wie Nussbaum, Mahagoni und Kirsche gearbeitet. Als Akzent dienten vergoldete Beschläge, allerdings im überschaubaren Maß. Typische Biedermeier-Möbel waren etwa Kommoden, Sekretäre und kleinere Tischchen. Die Form war dabei stets geradlinig und schnörkellos gehalten. Um dem gemütlichen Charakter und der Harmoniebedürftigkeit jener Zeit gerecht zu werden, standen auch bequeme Polstermöbel aus hochwertigen Stoffen im Fokus.