11. August 2024, 18:33 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Butterfly Chair zählt den berühmtesten Entwürfen der Moderne. Nicht nur sein Design war vor allem für die Zeit seiner Entstehung unkonventionell. Auch seine Geschichte ist eine besondere, geprägt von Erfolg und Ernüchterung. myHOMEBOOK-Autorin und Interior Designerin Odett Schumann erklärt die Hintergründe des Möbelklassikers.
Auch wenn der Butterfly Chair (zu deutsch: Schmetterlingssessel/-stuhl) weltweit bekannt ist und binnen kürzester Zeit eine beeindruckende Nachfrage verzeichnete, so hat der legendäre Stuhl nicht unbedingt die klassische Erfolgsgeschichte geschrieben. Im Gegenteil, was schnell folgte, war eine herbe Ernüchterung. Und doch gilt der Butterfly Chair heute als Klassiker, der noch immer gern beim Einrichten von In- und Exterior Designs eingesetzt wird.
Unvergleichlicher Komfort
Keiner Sitzgelegenheit sieht man ihren Komfort wohl so gut an wie dem berühmten Butterfly Chair. Sein Design hebt sich deutlich von dem anderer Sessel auf dem Markt ab und erinnert dabei auch ein wenig an einen gewöhnlichen Campingstuhl. Ähnlich zu einem solchen Modell ist auch beim Klassiker die Sitzposition wesentlich tiefer – im Vergleich zu herkömmlichen Sitzgelegenheiten.
Die Machart aus einem leichten Gestell aus gebogenen Vollmetall-Rundprofilstangen mit vier fest verschweißten Kreuzungspunkten scheint schlicht wie simpel. Von einer Polsterung, wie es sonst üblich für Sitzmöbel dieser Art ist, fehlt jedoch jede Spur. Das ungewöhnliche Modell verfügt lediglich über eine Bespannung, die mal aus einem Tuch, mal aus Leder besteht und über Laschen an den Biegungen des Rahmens hängemattenartig lose eingehängt wird. Auf diese Weise erinnert die formschöne Konstruktion des Butterfly Chairs auch an einen Schmetterling. Ebenso liegt der Vergleich mit Flughunden nahe, weshalb gelegentlich auch die Rede vom „Fledermaussessel“ ist.
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Die Geschichte des Butterfly Chairs
Im Jahr 1937 weilte der Argentinier Jorge Ferrari-Hardoy gemeinsam mit seinen zwei Studienkollegen Juan Kurchan und Antonio Bonet einige Wochen in Paris. Alle drei waren zu jener Zeit für das Architekturbüro Le Corbusiers tätig. Zurück in Buenos Aires gründeten sie schließlich das Architekturbüro Grupo Austral, das sich zudem an verschiedenen Kongressen beteiligte und zugleich eine öffentliche Diskussion über zeitgenössische Architektur anregen wollte.
Neben etlichen Wohnbauten, Schulen und Krankenhäusern, die die Gruppe entwarf, brachte sie parallel auch einige Möbelentwürfe hervor. Einer davon war der Butterfly Chair aus dem Jahr 1938. Ihre Idee war es, einen alten Klassiker der militärischen Ausrüstung der britischen Armee neu zu interpretieren: den patentierten Faltstuhl Tripolina des englischen Erfinders Joseph Fenby aus dem Jahre 1877. Dessen Konstruktion aus einem Bezug, Holzgestell und Metallgelenken machte den Klappstuhl leicht, aber auch ausgesprochen stabil.
Tripolina war also gewissermaßen die Vorlage für den berühmten Butterfly Chair. Und weil alle drei Architekten am Entwurf beteiligt waren, florierte auch der Name „BKF Chair“, der sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen zusammensetzt. Später wurde Jorge Ferrari-Hardoy als eigentlicher Urheber des berühmten Sessels von Bonet und Kurchan anerkannt, weshalb zudem auch die Bezeichnung „Hardoy Butterfly Chair“ bekannt ist.
Erstmals wurde der Möbelklassiker der Öffentlichkeit im Jahr 1940 auf der Einrichtungsmesse Salon de Artistas Decoradores in Buenos Aires vorgestellt. Von Anfang an war das Modell ein Erfolg, erfreute sich großer Beliebtheit und wurde deshalb bereits nach einem Jahr seiner Markteinführung in das Museum of Modern Art in New York aufgenommen.
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Auf Erfolg folgte Ernüchterung
Auch der deutsche Möbelfabrikant Hans Knoll wurde auf den Butterfly Chair aufmerksam. Gemeinsam mit seiner Frau Florence erwarb er 1947 die Lizenz zur Herstellung des Stuhls. Fortan kannte die Nachfrage keine Grenzen mehr. Allein in Los Angeles verkaufte er sich bis zu 3000 Mal binnen einer einzigen Woche.
Mit dem Hype kamen jedoch auch immer mehr Fälschungen auf den Markt. Was nach einer Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch klang, musste kurze Zeit später Ernüchterung erfahren. Denn Knoll ging juristisch gegen die Nachahmer vor und wollte sich so die alleinigen Produktionsrechte sichern. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Hatte es die Grupo Austral einst doch versäumt, ihren Entwurf rechtlich zu schützen, woraufhin das Gericht befand, dass der Butterfly Chair ein gemeinfreier Entwurf sei. Daher dürfen seitdem Nachbauten des berühmten Sessels legal von verschiedensten Herstellern angeboten werden.
Schließlich stellte Knoll nach dieser Niederlage die Produktion des Butterfly Chairs nach nur vier Jahren wieder ein. Der Entwurf hat sich jedoch bis heute gehalten und so wird der berühmte Möbelklassiker noch immer von verschiedenen Herstellern gefertigt. Auch Knoll ist mittlerweile wieder einer dieser Anbieter.