26. April 2021, 17:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine besondere Methode, zerbrochenes Geschirr zu reparieren, stamm aus Japan. Bei Kintsugi werden die Bruchstücke mit Gold zusammengeklebt. Was entsteht, ist Kunst.
Scherben bringen Glück. Und sie machen glücklich! Und zwar, wenn zerbrochenes Geschirr mit Gold wieder zusammengeklebt wird. Diese elegante Methode aus Japan hat einen Namen: Kintsugi. Bei der traditionellen, japanischen Technik aus dem 15. Jahrhundert werden die einzelnen Stücke aus Porzellan oder Keramik mit einem speziellen Lack zusammengeklebt. In diesen ist schimmerndes Pulvergold eingearbeitet. Der Effekt ist überraschend und dekorativ. Wie ein feines Spinnennetz überziehen die wieder zusammengesetzte Keramik goldene Nähte.
Hinter Kintsugi verbirgt sich eine Philosophie
„Kintsugi“ bedeutet so viel: „Mit Gold reparieren“. Dass sich dabei die Nahtstellen durch die goldenen Streifen hervorheben, ist gewollt. Denn durch die Restaurierung mit dem goldenen Lack werden beschädigte und wieder reparierte Schalen und Teller nicht nur aufgewertet. Sie werden geradezu zu neuen Kunstwerken.
Kintsugi hebt die Schönheit hervor, auch die, die nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Verbunden damit ist das japanische Kunstverständnis, auch im Einfachen oder in gebrauchten und unperfekten Gegenständen das Schöne zu sehen. Die Ästhetik wird „Wabi Sabi“ genannt. Aus alt mach neu – die eleganteste Form des Upcyclings.
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Teure und preisgünstige Reparatur-Sets
Es gibt zu Kintsugi unzählige DIY-Videos. Im Handel findet man ebenso viele Reparatur-Kits. Die ganz edlen Kits kommen direkt aus Japan, sind aber recht teuer. Kein Wunder: Sie enthalten echtes Goldpulver und den authentischen Urushi-Lack. Der Lack stammt vom Harz des japanischen Lackbaums. Was ihn so besonders macht? Der Lack ist elastisch und besonders wasserbeständig.
Es gibt jedoch wesentlich günstigere Kintsugi-Kits, die in der Regel nicht den weiten Importweg aus Japan antreten müssen. Diese Kits enthalten dann auch nicht die exklusiven Zutaten, sondern Keramik-Kleber und Goldglitter-Pigmente. Wer sein Geschirr nach der Reparatur wieder benutzen will, sollte sichergehen, dass Kleber und Goldglitter der günstigen Kits nicht gesundheitsbedenklich, dafür jedoch hitzebeständig sind. Wer hingegen ein Geschirr aus Dekorationszwecken zu neuem Leben erwecken will, kann auf die günstigen Sets zugreifen.
Die preisgünstigere Variante hat einen weiteren Vorteil: Die Reparatur spart Zeit. Denn der teure Urushi-Lack braucht sehr lange, um richtig auszuhärten. Mit einem herkömmlichen Keramik oder Zwei-Komponenten-Kleber sieht man Resultate meist schon nach wenigen Minuten oder Stunden.
Was braucht man für Kintsugi ohne Reparatur-Kit?
Drei wesentliche Dinge braucht man für das DIY-Kintsugi:
1. Zerbrochenes Keramik oder Porzellan
Bevor man mit Kintsugi startet, sortiert man die einzelnen Teile des zerbrochenen Geschirrs aus Keramik oder Porzellan. Die Teile sollten sauber, trocken und frei von Staub sein.
2. Geeigneten Klebstoff
Als günstige Alternative zum Chinalack kann man Epoxid-Kleber verwenden. Den Zwei-Komponenten-Kleber bekommt man im Baumarkt, Bastelshop oder beim Künstlerbedarf. Typischerweise wird dieser Kleber in zwei Tuben oder Spritzen angeboten, eine gefüllt mit dem Klebstoff, die andere mit dem Härter. Werden beide Stoffe im gleichen Verhältnis zusammengemischt, gibt es eine chemische Reaktion. Als Folge entsteht eine extrem bindenden Paste. Welche Kleber für Keramik es noch gibt, erklärt myHOMEBOOK in diesem Artikel.
Epoxid-Kleber sind in der Regel wasserfest, nicht jedoch unbedingt spülmaschinenfest. Der Hersteller-Hinweis auf der Verpackung bietet hierüber meist Auskunft. Soll das zusammengeklebte Geschirr mit Essen in Berührung kommen, muss der Spezialkleber lebensmittelecht sein.
3. Mineral-Pulver
Wer kein Pulver mit echtem Gold oder Blattgold-Plättchen verwenden mag, greift auf weitaus günstigeres Mineral-Pulver mit Glimmer-Effekt zurück. Das ist auch unter dem Namen „Mica-Pulver“ bekannt. Mica ist ein natürliches Mineral und wird auch für Kosmetik-Produkte verwendet.
Die Experten der Verbraucherzentrale Bremen erklären, dass bestimmte Mica-Pulver in den USA zwar als lebensmittelecht eingestuft werden, in Europa jedoch nicht. Der Glitzer aus dem Bastelladen sei nicht essbar. Bedeutet: Bei dem hier nachfolgend vorgestellter Kintsugi-Methode sollte man von dem reparierten Geschirr nicht mehr essen oder trinken. Als schönes Dekor eignet sich das zu Kunst verwandelte Geschirr jedoch allemal.
Zusätzlich braucht man ein Schälchen zum Anmischen des Klebers. Sehr gut eignetsich dafür ein gesäuberter Joghurt- oder Quark-Becher. Weil der Kleber schnell aushärtet, wird immer nur mit kleinen Portionen gearbeitet. Zum Auftragen benötigt man noch ein oder mehrere Holzstäbchen. Ein einfaches Sandwich-Stäbchen aus Holz ist ideal. Schließlich braucht man noch eine alte Zeitung oder Wachs- bzw. Küchenpapier zum Unterlegen.
Wie macht man Kintsugi selbst?
Die sauberen Teile legt man aneinander und prüft sorgsam, ob alles wieder zusammenpasst. Die Teile legt man anschließend vorsichtig beiseite.
In das Schälchen füllt man nun ein wenig Zwei-Komponenten-Kleber (Epoxid). Mit einem Holzstäbchen fügt man etwas Mica-Puder hinzu und vermischt das Ganze sorgsam.
Mit dem Stäbchen verteilt man anschließend etwas Paste auf der Bruchkante eines der Geschirr-Teile. Eine Kanten reicht, den Kleber nicht auf beide Kanten auftragen! Tipp: Bei langen Bruchstellen verteilt man den Kleber so schnell es möglich ist. Ansonsten härtet dieser vorzeitig aus und klebt nicht mehr.
Zum Schluss werden die beiden Geschirrteile an den Bruchkanten behutsam und mit leichtem Druck aneinander gepresst. So entsteht die schöne, goldschimmernde Zeichnung. Sind die Enden komplett beschichtet, hält man die beiden Teile aneinander, bis der Epoxid-Kleber auszuhärten beginnt. In der Regel dauert dies einige Minuten. Genaue Zeit-Angaben findet man auf dem Hersteller-Hinweis des jeweiligen Klebers.
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Kintsugi mit mehreren zerbrochenen Geschirrstücken
So schön sie glimmern: Während des Aushärtens sollte man die Epoxid-Nähte nicht berühren. Man hinterlässt daran sonst schnell hässliche Fingerabdrücke.
Anfänger starten am besten nur mit Keramik, das in zwei Teile zersprungen ist. Wer geübt ist, kann sich auch mit mehreren Scherben versuchen. Dazu nimmt man sich nach und nach ein oder zwei passende Teile vor und klebt sie an ein weiteres. Und wartet dann, bis der Epoxid-Kleber wirkt, bevor man das nächste Teil anbringt.