7. Dezember 2019, 15:34 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ein hübsches Buchcover auf dem Couchtisch und schon haben Sie Ihr Wohnzimmer stilistisch aufgepäppelt. Wenn man denn Instagram glauben darf. Es sieht vielleicht dekorativ aus, aber eigentlich gibt nichts Schlimmeres, findet zumindest unsere myHOMEBOOK-Autorin.
Wer auf Instagram, Pinterest und Co. nach den neusten Interiortrends Ausschau hält, findet zwar eine Fülle an Inspirationen. Im Grunde aber sieht vieles oft einfach nur ziemlich ähnlich aus. Unter dem Hashtag „#coffeetabledecor“ etwa versammelt sich, wie sollte es anders sein, all das womit man den Couchtisch (engl. eben „coffeetable“) dekorieren kann, auch Bücher.
Dekorieren mit Büchern – eine Sammlung
Neben Schalen, Kerzen, Blumen oder kunstvollen Tabletts trifft man dabei immer wieder auf: Bücher. Meistens farblich passende, sorgfältig drapierte Bücherstapel, bei dem gekonnt natürlich das Werk mit der imposantesten, wahlweise auch stylischsten Coverillustration obenauf thront. Das ist sowas wie der neuste Interior-Hype. Wohlgemerkt: Es handelt sich dabei nicht um Bücher, die einfach schon da sind oder zu denen man sonst einen Bezug hat. Sie werden extra, nur zum Präsentieren gekauft. Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres als das.
Aber wieso mit Büchern zu dekorieren?
Vielleicht, weil es einfach nur gut aussieht. Wahrscheinlich aber auch, um ein möglichst breites Kulturverständnis vorzugaukeln und seinen gesellschaftlichen Status dementsprechend höher zu setzen. Getreu dem ‚Wer einen Peter-Lindbergh-Fotoband da auf dem Marmor-Glastisch liegen hat, der kann nur super kunstafin sein, oder?‘
Der Trend grassiert schon soweit, dass sich etwa Österreichs auflagenstärkste Boulevardzeitung, die Krone, dazu hinreißen lässt, zu titeln: „Darum sollten Sie jetzt mit Büchern dekorieren“. Ich plädiere sehr stark dafür, dass es eher heißen sollte: „Darum sollten Sie bitte nicht ausgerechnet jetzt mit Büchern dekorieren“.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – ich selber lasse ja mal hier und da einen Schmöker auf dem Kaffeetisch liegen, und zwar so lange, dass er spätestens nach drei Tagen auch eher wie ein Deko-Objekt aussieht, als zufällig abgelegt. Aber. ich. mache. das. nicht. mit. Absicht. Punkt.
Und genau darin liegt der kleine, aber feine Unterschied.
Wir wissen: Wie wir uns kleiden, wir wir reden und ja, auch wie wir uns einrichten, kann eine Menge über uns verraten. Wie wir leben, was wir mögen und welche Einstellungen wir haben. Ein ästhetischer Bildband kann im Zusammenspiel mit seinem Titel, der Covergestaltung und seinem Autor sogar über alle drei Dinge auf einmal etwas aussagen. Kein Wunder, dass man da in Versuchung kommt. Wirklich, ich kann das verstehen.
DIe Idee ist nicht wirklich neu. Wer hat nicht schon mal beim ersten Besuch der/des Angebeteten das ein oder ander literarische Werk auf Kopf- oder Sitzhöhe gestellt, so dass es direkt ins Auge fällt und die richtige Botschaft vermittelt? Eben. Kritisch wird es aber, wenn Folgendes der Fall ist:
Der Besitzer der mächtigen Bildbände oder klassischen Romane, hat vielleicht nie einen Blick in das Buch geworfen. Er oder sie hat es einfach nur gekauft, weil es geil aussieht. Und sich eben gut auf dem Couchtisch macht. Und irgendwie klug rüberkommt. Das ist doch schrecklich!
Bücher haben schließlich einen Inhalt und wollen Horizonte erweitern, nicht Beistelltische dekorieren. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Romane, Sachbücher, Magazine oder Biographien ich in meinem Leben bis jetzt gelesen hab. Es sind wohl Hunderte. Und jedes hat mich mit seinem Inhalt in eine ganz eigene, berauschende Welt reingezogen. Nicht mit seinem Aussehen.
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Bücher sind zum Lesen da. Sie sind kein bloßes Dekoelement.
Klar, eine Wand, die voll mit Büchern ist, mit Metern an Regalen macht schon etwas her. Sie erzählt eine ganz eigene Geschichte. Aber sollte ich mir ein Buch echt nur kaufen, weil es gerade in meinen Einrichtungsstil und zu meiner Frühlingsdeko passt? Wohl eher nicht.
Natürlich freut man sich, wenn der Roman, den man da lesen will, auch einen schönen Einband hat. Wahrscheinlich werden einen Freunde oder Familienmitglieder auch eher auf das Werk mit dem hübschen Buchrücken oder Cover ansprechen, als auf das langweilige Reclam-Heft. Fein. Aber ein Kulturgut sollte eben nicht zur Oberflächlichkeit und reinen Instagrampose von Interiorfans verkümmern.
Deswegen schließe ich dieses Meinungsstück mit einem Plädoyer. Ein Plädoyer für mehr Bücher und -regale in unseren Wohnungen und Häusern. Und meintewegen auch auf dem Kaffeetisch. Aber auch nur, wenn sie gelesen werden. Egal ob cooler, arty Bildband oder ein kitschiger Liebesroman. Die können übrigens manchmal auch einen sehr schönen Einband haben.
P.S.: Ganz klar distanzieren möchte ich mich von der Kritik an Dekobjekten, die aus alten, nicht mehr brauchbaren Büchern geschaffen wurden und so, mittels Upcycling, ein neues Leben bekommen haben. Das geht voll okay. Aber dann liegen Bücher auch nicht nur zum Angeben oder als Untersetzer für die exklusive 80 Euro Duftkerze auf dem Couchtisch.