15. August 2021, 14:26 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wenn ein extremer Trend entsteht, folgt diesem üblicherweise bald darauf eine Gegenbewegung. Seit einiger Zeit wird in vielen Bereichen der Minimalismus gelebt, doch droht diesem jetzt eine Ablösung durch den Maximalismus? Unsere Redakteurin Odett Schumann sieht das kritisch.
Während der ersten Pandemiephase Anfang 2020 und der schier unendlich langen Tage zu Hause, führte der Weg fast ganz von allein zu sämtlichen Regalen und Schränken. Ganz nach dem Motto: wann, wenn nicht jetzt? Am Ende sollte so ein neuer Fokus gewonnen werden – im Schrank wie auch im Leben. Der Trend des Minimalismus war und ist also in vollem Gange. Allerdings entwickelt sich nicht selten – als Reaktion auf eine solche Strömung – eine komplett konträre Bewegung. Aktuell spricht man von einer Tendenz hin zum sogenannten Maximalismus. Doch kann man diesen wirklich als neuen Trend deklarieren?
Was genau meint der Maximalismus?
Als Gegenpart zum Minimalismus darf es im Maximalismus gern ein wenig mehr von allem sein. Dieses „mehr“ an Dingen soll zwangsläufig auch zu „mehr“ Wohlbefinden im eigenen Zuhause führen. Übersetzt heißt dies: Große Statement-Möbel treffen auf jede Menge Accessoires an Decke, Wänden und Böden – bis kaum eine Lücke mehr offen bleibt! Ebenso wenig wird an verschiedenen Farben, Mustern und Stilen gegeizt. Aber natürlich soll beim Maximalismus nicht ohne Sinn und Verstand eingerichtet werden. Die Kunst ist es – trotz vieler Dinge im Raum – das eigene Zuhause harmonisch einzurichten. Dies gelingt beispielsweise, indem man auf Wiederholungen in Farben, Formen, Mustern oder Texturen setzt. Dadurch soll das Chaos auf diese Weise gebändigt werden und so ein gemütliches Zuhause entstehen. Das klingt einleuchtend und paradox zugleich! Denn bei vielen Dingen in einem Raum ist das erschlagende Gefühl meist nur eine Sammelfigur weit entfernt.
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Was gegen den Maximalismus spricht
Es ist anzuzweifeln, dass sich der Maximalismus zu einem weitläufigen Trend entpuppen wird. Zu viele Dinge sprechen dagegen: Seit Jahren bestimmen skandinavische („Death Cleaning“) und asiatische („Wabi Sabi“ und „Kanso“) Interior Trends die Einrichtungsbranche. Alle diese Strömungen wollen sagen, dass es im Leben nicht auf Perfektion ankommt und auch weniger mehr sein kann. Auch wenn sich das nach einer Plattitüde anhören mag, so steckt dahinter doch eine Maxime, wie ein Zuhause für ein gesundes Wohlergehen idealerweise eingerichtet sein kann. Noch dazu fördern Bewegungen wie diese das Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit in der Welt. Und auch die Frage nach dem (eigenen) Konsum wird in diesem Zusammenhang unentwegt gestellt. Denn bekanntermaßen genießen wir, vor allem in der westlichen Welt, einen hohen Lebensstandard. Der Maximalismus hingegen würde genau das noch fördern, was entsprechend vollkommen kontraproduktiv erscheint.
Ist Wohlfühlen so überhaupt möglich?
Auch aus rein visueller Sicht sowie aus der Perspektive des Wohlfühlens kann der Trend zum Maximalismus nur bedingt Freude bereiten. Denn wenn man den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen, also all die Dinge, die einem gehören, vor lauter Besitz nicht mehr sehen kann, kann das nicht wirklich zu einem zufriedenen Wohnen beitragen. Wer sucht schon gern lang nach dem Lieblingsteil? An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass sich der Minimalismus häufig den Vorwurf gefallen lassen muss, dass er vor allem sehr museal anmute. Das mag richtig sein, ist aber gewissermaßen auch genau so gewollt. Denn hier verbirgt sich die Chance, Lieblingsteilen die richtige Dosis Aufmerksamkeit zu spenden. Sie kommen so bestens zur Geltung, statt in einem Meer an unzähligen Dingen gnadenlos unterzugehen.
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Minimalismus versus Maximalismus
Natürlich wird es einige Menschen geben, die all das, was sie eben noch aussortiert und auf den Müll geworfen haben, direkt wieder durch neue Dinge ersetzen. Genügend Platz wäre jetzt (wieder) gegeben. Doch werden genau diese Menschen zeitnah wieder vor dem gleichen Dilemma stehen und in absehbarer Zeit mit dem Ausmisten von vorn beginnen müssen. Wer einmal die Philosophie hinter dem Minimalismus verinnerlicht und kräftig aussortiert hat, tat dies aus einer inneren Überzeugung heraus und wird so schnell nicht wieder rückfällig werden. Statt Dinge allmählich anzuhäufen, hat sich die Gewohnheit entwickelt, bewusst zu wohnen, mit Dingen, die man wirklich braucht. Und weil der Prozess des Ausmistens auch kreativ macht, wurde während der Lockdown-Phasen sicherlich auch das ein oder andere Hobby (wieder)entdeckt. Der neu gewonnene Platz kann jetzt also vielseitig genutzt werden – etwas, was man in einem Zuhause, das im Sinne des Maximalismus eingerichtet wurde, sicher vergeblich sucht.