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Interior Designerin erklärt

Wie sich der Nierentisch zum Möbelklassiker entwickelte

Nierentisch im auffälligem Muster als praktische Ablage
Der Nierentisch ist nicht nur für seine organähnliche Form bekannt, sondern auch für auffällige Muster und deutlich schräg stehende Tischbeine Foto: picture-alliance/ZB | Bernd Settnik
Odett Schumann
Autorin und Interior Designerin

10. Juli 2024, 17:14 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

In den Wohnzimmern der frühen Bundesrepublik, wo immer mehr Fernsehgeräte flimmerten, schaffte es auch ein kleines, beinahe unauffälliges Möbelstück, zum unverzichtbaren Bestandteil der Einrichtung zu werden. Der Nierentisch ist nicht nur aufgrund seiner eigenwilligen Form bis heute sehr beliebt bei Interior-Enthusiasten, wie myHOMEBOOK-Autorin und Interior Designerin Odett Schumann weiß.

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Noch vor einiger Zeit war es en vogue, das eigene Zuhause im 50er-Jahre-Look einzurichten – so wie einst das Wohnzimmer der Großeltern aussah. Man nennt dies den Midcentury Style. Mit der Zeit ebbte der vergleichsweise langanhaltende Hype jedoch wieder ab. Nur noch wenige Relikte blieben aus jener Zeit übrig, einer davon ist der sogenannte Nierentisch. Hier ist seine Geschichte.

Ein Tisch wie eine Niere

NIerentisch mit vier Beinen
Neben seiner besonderen Form ist der Nierentisch auch für seine auffallend schrägen Hairpin Legs bekannt. Meist steht das Kultobjekt dabei auf drei Beinen, in seltenen Fällen sind es sogar vier. Foto: picture alliance/VisualEyze | Nikky

Wie der Nierentisch zu seinem Namen kam, ist vermutlich selbsterklärend: Die Ähnlichkeit zur asymmetrischen Form des Organs, welches durchgehend geschwungen ist und gewissermaßen auch an eine Kidneybohne erinnert, war keineswegs von der Hand zu weisen. Mal tendiert das Erscheinungsbild dabei mehr in Richtung Sichel, mal mutet es sogar eher wie ein Dreieck an.

Bewusst wurde auf hervorstehende Ecken und Kanten verzichtet, gleichwohl dies normalerweise typisch für einen Tisch ist. Stattdessen rundete man diese häufig ab, so auch beim Nierentisch. Ebenfalls typisch war es, dem ikonischen Möbelstück einen farbig lackierten Überzug oder aber ein Mosaikmuster aus bunten Steinchen zu verpassen.

Meist stand das Tischchen auf drei, selten auf vier Beinen, die nicht wie üblich gerade, sondern auffallend schräg gestellt wurden. So hoben sich die Möbel der damaligen Zeit deutlich von der vorherigen eher starren Entwürfen ab. Für die Machart nutzte man überwiegend Materialien wie Aluminium, Holz, Glas oder Kunststoff.

Vom starren System zu weichen Formen

Was sofort beim Nierentisch auffällt, ist das Fehlen jeglicher scharfer Ecken und Kanten. Dies geschah keineswegs ohne Grund, sondern geht tatsächlich auf den Nationalsozialismus zurück. Während dieser Zeit bestimmten vor allem strenge und starre Formen die Künste.

Mit den 1950er-Jahren (und bis in die 1970er-Jahre hinein), als man sich langsam von den Kriegsjahren erholte und Stück für Stück wieder zu etwas Wohlstand kam, wollte man sich neu einrichten. Und zwar gänzlich anders als zuvor, wo die sprichwörtliche gute Stube vollgestellt war mit dunklen, schweren Möbeln.

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Jetzt sollte das Wohnzimmer heller, freundlicher und leichter erscheinen. Daher entschied man sich beim Möbeldesign bevorzugt für eher weichere Formen. Durchaus durfte es auch bunter zugehen, weshalb Nierentische häufig auch ein Mosaikmuster oder ein farbiger Lacküberzug zierte.

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Wenn die Familie am Couchtisch zusammenkommt

Mit dem Aufkommen des Fernsehers Anfang der 1950er-Jahre kam die Familie zunehmend mehr im Wohnzimmer zusammen. Versammelt wurde sich auf der Couchgarnitur rund um den Couchtisch. Und um Getränke, Knabbereien oder die Fernbedienung abzulegen, machte sich in diesem Ensemble auch ein kleiner Tisch ganz gut. Und zwar einer, der auf gleicher Höhe wie das Sofa war. So wurde der Nierentisch allmählich salonfähig.

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Auch der Cocktailsessel gesellte sich gelegentlich zur Ausstattung mit hinzu. Manchmal bekam auch dieser seinen eigenen Nierentisch, damit die Person auf diesem Sitzplatz ebenfalls eine kleine Ablage zur Verfügung hatte. Mit dieser damals fortschrittlichen Art der Einrichtung begann mit der Nachkriegszeit gewissermaßen eine neue Ära des Wohnens – man spricht sogar vom Nierentischzeitalter.

Röhrenfernseher gelten mittlerweile als überholt, TV-Schränke gibt es schon gar nicht mehr und komplette Couchgarnituren, so wie sie damals chic waren, sind längst nicht mehr gefragt. Doch der Nierentisch hat sich über die Jahrzehnte durchgesetzt und erfreut sich noch immer großer Beliebtheit – er gilt mittlerweile als Kultobjekt.

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Noch immer herrscht eine rege Nachfrage nach dem Nierentisch

Noch immer wird der Nierentisch bevorzug als praktische Ablage neben einer gemütlichen Sitzgelegenheit wie der Couch oder dem Sessel platziert. Manchmal dient das kultige Möbelstück aber auch als eine Art Blumenbank oder perfekte Stelle für geliebte Erinnerungsstücke, Reisemitbringsel und Dekoobjekte.

Wer einen solchen Tisch als Orginal haben will, wird am ehesten im Antiquitätengeschäft oder auf Floh- und Vintagemärkten fündig. Manche Menschen geben sich auch mit einer Nachbildung im Retro-Look aus dem Möbelhaus zufrieden. Und wenn der Preis keine Rolle spielt, kann man auch in eine moderne Variante investieren. Immer mehr Designlabels legen den Nierentisch wieder neu auf und bringen entsprechend zeitgemäße Versionen auf den Markt.

Themen Möbel

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