21. Juli 2024, 13:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Alles begann einst mit dem Entwurf eines simplen Arbeitsplatzes, allerdings nur für den Eigenbedarf. Heute steht Schreibtisch „Eiermann“ in verschieden großen Gestellen, unterschiedlichen Plattenformaten und diversen Farbkombinationen im modernen Homeoffice als auch in großen Bürokomplexen. Die Geschichte von einer reduzierten Möbelkonstruktion, die im Alltag kaum ästhetischer und funktionaler sein könnte.
Häufig haben wir in dieser Serie bereits diverse Sitzmöbel als Klassiker vorgestellt, es gibt aber auch so manchen Tisch, der eine beeindruckende Möbelgeschichte schrieb. Der berühmte „Eiermann“-Schreibtisch von Lampert, den einst Egon Eiermann entwarf, ist solch ein Möbelstück. Er zeichnet sich durch ein scheinbar simples, aber zugleich auch äußerst funktionales Design aus, das sich noch immer großer Beliebtheit im privaten Raum wie auch in öffentlichen Büros erfreut.
Die Geschichte eines Schreibtisches
Eigentlich hatte Designer Egon Eiermann sein berühmtestes Möbelstück für sich selbst entworfen. Dass dies ursprünglich gar nicht in Serie gehen sollte, zeigt sich allein daran, dass er das Gestell einst fest verschweißt hatte (heute noch auf Anfrage so erhältlich). Doch es kam anders und der Originalentwurf wurde zum „Eiermann Tischgestell 1“, der im Jahr 1953 auf den Markt kam. Die schrägen Verstrebungen, die nun nicht mehr fest am Rahmen fixiert waren, galten als eines der prägnantesten Attribute des Tisches.
Mitte der 1960er-Jahre folgte dann eine Version, die dank senkrecht gesetzter Streben wesentlich besser transportabel war, die allerdings nicht von Eiermann selbst, sondern vom Werkstattleiter der Technischen Hochschule Karlsruhe, an welcher der Designer lehrte, stammte. Diese abgewandelte Variante des Schreibtischs ging schließlich als „Eiermann Gestell 2“ in die Geschichte ein. Dann wurde es jahrzehntelang ruhig um die Eiermann-Tische – bis der junge Möbelfabrikant Richard Lampert aus Stuttgart im Jahr 1995 die exklusiven Lizenzen erwarb und das ursprüngliche Tischgestell wieder populär machte.
Zu den bisherigen Varianten gesellten sich nun noch weitere: der quadratische „Eiermann 1 Konferenztisch“, ein mitwachsender Kinderschreibtisch sowie der „Eiermann 3 Tischbock“, der über eine nochmals flexiblere Konstruktion verfügt, welche in Anlehnung an die Tischgestelle 1 und 2 entworfen wurde.
Wer war Egon Eiermann?
Eiermann wurde am 29. September 1904 im heutigen Potsdam-Babelsberg geboren. An der Technischen Hochschule Berlin absolvierte er ein Architekturstudium und begann in ebendieser Tätigkeit seine vielversprechende Karriere. Neben seinem Schaffen als Architekt, dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1970 nachging, war er seit den 1950er-Jahren auch als Möbeldesigner tätig. In beiden Auftragsbereichen konzentrierte er sich hauptsächlich auf Berlin. Zwar fällt sein Wirken in die Zeit des Bauhauses hinein und auch Entwürfe wie eben der berühmte Schreibtisch zeichnen sich durch eine entsprechend typische Einfachheit sowie strenge Geometrie aus und doch zählt er offiziell nicht als Teil dieser Bewegung. Dennoch machte er mit einzelnen Mitgliedern wie Marcel Breuer, Walter Gropius oder auch Ludwig Mies von der Rohe auf Studienreisen Bekanntschaft.
Im Laufe seines Lebens kreierte er außerdem einige bekannte Stühle, entwarf den Deutschen Pavillion auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 sowie die Neue Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin als Meilenstein der deutschen Nachkriegsarchitektur. Somit erlangte er im Nachkriegsdeutschland zunehmend mehr Berühmtheit als Architekt und Möbeldesigner, der zudem auch als Hochschullehrer tätig war. Er gilt als einer der ersten, der nach dem Kriegsende Serienmöbel auf den Markt brachte. Der Name „Eiermann“ war dabei stets mit dem Begriff des Funktionalismus verbunden. Als möbelentwerfender Architekt ist es kaum verwunderlich, dass der Schreibtischklassiker heute vor allem in eben solchen Büros zum Einsatz kommt und gern auch als „Architektentisch“ bezeichnet wird. Eiermann starb am 19. Juli 1970 in Baden-Baden.
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Richard Lampert und der Möbelklassiker
Ganz eindeutig verhalf Möbelhersteller Lampert dem Eiermann Schreibtisch zu einem fulminanten Comeback. Er brachte das Modell nicht nur wieder auf den Markt, er machte es auch zur Ikone. Und zwar indem er den Möbelklassiker etwa in verschiedenen Farbe, Formaten und Maßen anbot. Egon Eiermanns Interesse galt nämlich einst vornehmlich der Konstruktion des Tischgestells. Was tatsächlich als Tischplatte zum Einsatz kam, überlies er viel lieber der Person, die den Schreibtisch später nutzte. Die Platte sollte lediglich auf dem Gestell aufgelegt werden können.
Beide Tischgestelle, Eiermann 1 und 2, sind sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, allerdings gilt Gestell 1 (an dem Lampert die Herstellerrechte hat) technisch als sehr viel ausgereifter als Gestell 2 und ist mittlerweile sogar auch komplett zerlegbar. Dafür gilt letzteres mit seinen senkrechten Verstrebungen wiederum als wesentlich praktischer und komfortabler. Ob mittig oder versetzt platziert, es ergibt sich hierbei maximale Beinfreiheit. Zudem ist das Modell beidseitig nutzbar. Lampert bietet für beide Gestellvarianten die passenden Tischplatten.
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Aus den verschiedenen Formaten ergeben sich unzählige individuelle Kombinationsmöglichkeiten, wodurch Lampert entsprechend eine Reihe an Schreibtisch- und Esstischen in seinem Sortiment hat. Neben den bekannten rechteckigen Plattenmodellen werden mittlerweile sogar auch runde Tischplatten angeboten – so etwa beim Eiermann 3 Tischbock. Insgesamt sind verschiedenfarbige Melamin- und Linoleumbeschichtungen sowie massive Platten aus Ahorn und Eiche erhältlich.