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Möbel-Klassiker

Wie die Stühle von Thonet Teil unserer Lebenswelt wurden

Ob im Kaffeehaus oder im Wohnraum, der Klassiker von Thonet macht stets eine gute Figur
Ob im Kaffeehaus oder im Wohnraum, der Klassiker von Thonet macht stets eine gute Figur Foto: Getty Images/alvarez
Odett Schumann
Autorin und Interior Designerin

24. Februar 2024, 12:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ein Sitzmöbel, wie es unkomplizierter nicht sein könnte: Der berühmte Wiener Kaffeehausstuhl von Thonet, Stuhl Nr. 14, war einst das erste in Serie gefertigte Möbelstück überhaupt. Sein klares, reduziertes Design machten das Bugholzmöbel binnen kürzester Zeit zur Designikone, die auch heute noch Teil der Barista-Kultur ist.

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Es ist wohl des Menschen liebste Freizeitbeschäftigung: im Café sitzen, plaudern und dabei genüsslich ein Heißgetränk zu schlürfen. Ist die Szenerie von einem ansprechenden Ambiente gerahmt, lässt es sich gleich viel entspannter verweilen. Dass genau dieses Momentum auch heute noch weltweit so stattfindet, ist einem deutschen Möbelfabrikanten aus dem 19. Jahrhundert zu verdanken. Michael Thonet entwickelte im Laufe seiner Schaffenszeit zahlreiche Möbelstücke, doch mit Stuhl Nr. 14, dem sogenannten Wiener Kaffeehausstuhl (mittlerweile unter der Bezeichnung 214 geführt), entwarf er einen wahren Klassiker, der nicht nur die Designgeschichte bis heute prägt, sondern auch die gesamte Kaffeekultur etablierte.

Wie einst die Geschichte von Thonet begann

Will man die Geschichte des berühmten Wiener Kaffeehausstuhls erzählen, muss man bei dem Mann beginnen, der einst die Idee für das ikonische Sitzmöbel hatte. Michael Thonet war im Grunde ein einfacher Kunst- und Bautischler. Im Jahr 1819 eröffnete er seine erste Werkstatt in Boppard am Rhein. Er versuchte sich mithilfe von neuartigen Techniken in der Holzverarbeitung an eleganten, filigranen Stühlen und machte sich so allmählich einen Namen – auch überregional.

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Schließlich wurde der österreichische Staatskanzler Fürst Clemens von Metternich auf Thonet aufmerksam und bekehrte ihn nach Wien überzusiedeln. Thonet erhielt die Chance, an der Innenausstattung des Palais Liechtenstein mitzuwirken, seine Fertigkeiten weiterzuentwickeln und ein Netzwerk aufzubauen. Und so gründete er 1849 ein Unternehmen in Wien, welches er vier Jahre später in Gebrüder Thonet umbenannte. Immerhin waren von Anfang an vier, später dann fünf seiner Söhne Teil der Firma, es war also ein Familienunternehmen im klassischen Sinne. Mittlerweile existiert Thonet bereits in der sechsten Generation.

Stuhl Nr. 14 – eine Sensation

Schon bald erhielt das noch junge Unternehmen einen bedeutsamen Auftrag: Es ging um die Möblierung des Cafés Daum am Wiener Kohlmarkt. An diesem Ort verkehrten vor allem Aristokraten und das Militär. Im Jahr 1850 entwarf Thonet hierfür den Kaffeehausstuhl Nr. 4 – damit war der Grundstein gelegt. Denn 1859 stellte Thonet den Stuhl Nr. 14 vor, auch als Wiener Kaffeehausstuhl bekannt. Mit jenem Modell wurde erstmals ein Sitzmöbel vorgestellt, welches dank neuester Technologie, nämlich dem Biegen von massivem Buchenholz, nahezu industriell hergestellt werden konnte. Das Ganze glich einem simplen Baukastensystem, denn der Stuhl war in seine wenigen Einzelteile zerlegbar. Er konnte platzsparend verpackt und nach Bedarf kombiniert werden.

Thonet-Stuhl Nr. 214
Ein Original, das zur Ikone wurde: Das Design schlicht, der Komfort enorm und die Klasse einzigartig. Stuhl Nr. 214 von Thonet stellte zur damaligen Zeit auf vielen Ebenen eine Sensation dar. Foto: Getty Images

Stuhl Nr. 14 war damit eine Sensation: Statt wuchtiger Konstruktion, überzeugte er mit einem geradezu zierlichen Design aus gebogenem Holz, dem sogenannten Bugholz. Es brauchte gerade einmal vier Beine, eine Sitzfläche aus Geflecht sowie eine Rückenlehne, die lediglich zwei gebogene Holzstäbe formten, und den Wiener Kaffeehausstuhl schnell an Beliebtheit gewinnen ließen.

Ein Stuhl für alle Lebenswelten

Thonet-Stühle vor einem Café
Kann ein Sitzmöbel mehr Charme und Eleganz versprühen? Die Stühle von Thonet prägten im Laufe der Zeit nicht nur die Möbelgeschichte eindrucksvoll, auch aus der Kaffeekultur ist der Klassiker nicht mehr wegzudenken. Foto: Getty Images

Der Sprung in die Wiener Kaffeehäuser war geglückt. Im Jahr 1890 prägten die außergewöhnlichen Bugholzstühle das Bild der Gastronomie. Es dauerte also nicht lang, dass auch die Menschen, die in jenen Cafés und Restaurants regelmäßig verkehrten und stundenlang auf dem Sitzmöbel saßen, schnell von ihm angetan waren, schwärmten und in ihr Schaffen involvierten. So griff der französische Maler Henri Matisse den Thonet-Stuhl in seinem Werk „Intérieur au violon“ auf. Literaten und Intellektuelle studierten neueste Zeitungsausgaben auf eben jenem Stuhl. Das Orchester von Joseph Strauß nahm ebenso auf ihm Platz, genau wie auch Charlie Chaplin ihn in seinen Filmen inszenierte. Zahlreiche Postkarten zur Zeit des frühen 20. Jahrhunderts dokumentierten Szenen aus europäischen Ballsälen, Casinos oder großen Hotels – stets mit Thonet-Stühlen als Teil des Ensembles.

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Vom Möbelstück zum Kulturgut

Der Wiener Kaffeehausstuhl hat geschafft, was bisher nur wenigen Möbelstücken gelungen ist: Er ist zum Kulturgut geworden. Da, wo sich Menschen begegnen und austauschen, ist auch der Klassiker von Thonet nicht weit. Im Laufe der Zeit ist er fester Teil der verschiedensten Situationen und Szenarien geworden. Ob zu Hause, im Café, im Restaurant, im Büro, in Tanzbars, Konzerthäusern, Coworking Spaces, Hotellobbys oder anderen Wartebereichen – das berühmte Sitzmöbel versteht es Komfort und Stil ins Ambiente zu bringen. Stuhl Nr. 214 ist weit mehr als nur ein bloßer Einrichtungsgegenstand, es ist ein zeitlos schönes Bugholzmöbel mit Sammlercharakter, das allmählich zur Ikone wurde.

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Auch dem Thema Nachhaltigkeit wurde sich mit der Zeit mehr und mehr gewidmet. So stammt das Holz für den Möbelklassiker aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Sein simples Design und zeitlose Ästhetik bei gleichzeitig hoher Qualität versprechen eine lange Lebensdauer. Kein Wunder also, dass der Kaffeehausstuhl, der seit mehr als 160 Jahren eindrucksvoll Möbelgeschichte schreibt, im Jahr 2021 zum Sieger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Design gekürt wurde.

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