18. Dezember 2023, 9:35 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Zehn Jahre lang hat Tine Wittler in der TV-Show „Einsatz in 4 Wänden“ Wohnungen und Häuser eingerichtet. 2013 wurde die Show dann abgesetzt. Was Tine Wittler in den vergangenen Jahren gemacht hat, erzählt sie im myHOMEBOOK-Interview.
Tine Wittler kennen die meisten wohl noch als immer fröhliche Moderatorin und Einrichtungsexpertin aus den 2000er Jahren. Ein Jahrzehnt lang gestaltete sie Sendung für Sendung Wohnungen und Häuser um. Genau zehn Jahre später zieht es sie nun wieder vor die Kamera. Sie feiert ihre Premiere als Jurorin in der dritten Staffel „Das Haus des Jahres: Deutschland“ beim Spartenkanal HGTV und unterstützt Set-Designer Guido Heinz Frinken. Im myHOMEBOOK-Interview spricht Tine Wittler über ihren persönlichen Einrichtungsstil, warum sie sechs Esstische im Wohnzimmer stehen hat und, ob sie sich ein Comeback von „Einsatz in 4 Wänden“ vorstellen könnte.
»Die Leute denken immer man wäre tot
myHOMEBOOK: Nach der Sendung „Einsatz in 4 Wänden“ ist es zumindest im TV etwas ruhiger um Sie geworden. Was haben Sie in den vergangenen Jahren gemacht?
Tine Wittler: „Ich habe mehrere Bücher geschrieben, einen Dokumentarfilm produziert, bin mit zwei Chansonprogrammen auf Tournee gewesen und habe viel Theater gespielt.“
Also hatten Sie gar keine Pause?
„Naja, die Leute denken immer gleich, nur weil man nicht mehr im Fernsehen zu sehen ist, wäre man tot. Aber das stimmt ja nicht. Man hat ja ein normales Leben.“
Sie sind das erste Mal in der Sendung „Haus des Jahres: Deutschland“ mit dabei. Wie war das für Sie? Haben Sie sich besonders auf den Job als Jurorin vorbereitet?
„Vorbereitet habe ich mich insofern, als dass ich mit offenen Augen und mit offenem Herzen losmarschiert bin und geguckt habe, was sich uns dort präsentiert.“
Und war das so ein bisschen wie „nach Hause kommen“, als Sie wieder vor der Kamera standen?
„Nein, das würde ich jetzt nicht sagen. Natürlich hat man ein Langzeitgedächtnis, wo sich bestimmte Abläufe manifestiert haben. Aber als ‚nach Hause kommen‘ würde ich das jetzt nicht bezeichnen. Ich komme tatsächlich dann doch lieber in mein eigenes Zuhause. Es ist schließlich immer noch ein Job. Aber es war ein sehr, sehr schöner Job, den ich gerne gemacht habe.“
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Ein Fachwerkhaus von 1838 – irgendwo im Nirgendwo
Wie sind Sie bei der Bewertung der Häuser vorgegangen? Jedem gefällt ja, insbesondere beim Thema Einrichtung, was anderes.
„Ja, das war gar nicht so einfach, weil in meiner Brust zwei Herzen schlagen. Natürlich gibt es auf der einen Seite die rein professionelle Wohnexpertin, die bestimmte Kriterien an den Tag legt, welche dann auch gerne mal mit ganz nüchternen Dingen zu tun haben. Zum Beispiel Struktur oder das verbaute Material, wie sauber wurde gearbeitet. Auf der anderen Seite gibt es aber auch den Menschen in mir, Gott sei Dank (lacht). Ich glaube, ich habe eher als Mensch entschieden, weil wir Häuser von ebenfalls ganz normalen Menschen besucht haben, die aber eben in irgendeiner Form sehr besonders wohnen oder sich in irgendeiner Form besondere Mühe gegeben haben. Deshalb habe ich eigentlich mehr auf das stimmige Gesamtbild geschaut und jetzt nicht unbedingt den Finger in die Wunde gelegt, wenn es rein professionell was zu beanstanden gegeben hätte.“
Sie haben es eben erwähnt – Sie kommen am liebsten in Ihr eigenes Heim nach Hause. Wie wohnen Sie denn?
„Ich lebe in einem alten Fachwerkhaus aus dem Jahr 1838. In einem kleinen Dörfchen mit 48 Einwohnern in der Mitte von Nirgendwo. Mit viel Ruhe, viel Platz, mit einem riesengroßen Garten, einem Aufsitzrasenmäher und drei Feuerstellen. Ich atme hier jeden Tag Geschichte und Natur und bin sehr, sehr glücklich und dankbar, dass ich so leben darf.“
Stichwort großer Garten: Haben Sie einen grünen Daumen?
„Mittlerweile ja! Das hätte ich nie von mir gedacht. Wenn mir das vor sechs Jahren jemand erzählt hätte, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber ich bin mittlerweile begeisterte Gärtnerin, habe in diesem Jahr mit der Gemüseaufzucht begonnen und bin hochzufrieden. Ich habe Lauch geerntet, Tomaten und gelbe Zucchini in Massen. Paprika in grün, rot und gelb. Ich habe Pilze geerntet, Erdbeeren, zwei Sorten Salate und Blumenkohl. Das Einzige, was mir nicht gelungen ist, ist die Wassermelone. Aber ich glaube, das könnte auch mit dem Sommerwetter zusammengehangen haben, behaupte ich jetzt mal! Aber ich war erstaunt, weil ich ganz ohne Vorkenntnisse darangegangen bin, einfach gemacht habe und es hat tatsächlich funktioniert. Das liegt aber natürlich auch an der guten wendländischen Erde und der guten wendländischen Luft (lacht).“ (Anm. d. Red.: Das Wendland ist eine Region in Niedersachsen)
Tine Wittler: »Ich propagiere keine Trends
Was darf denn bei Ihnen auf keinen Fall bei der Einrichtung fehlen?
„Ach Gott, das ist so eine dieser Fragen. Also, ich sag mal so: Bett, Tisch, Stuhl.“
Na klar, aber wie kann man sich denn Ihren Einrichtungsstil vorstellen?
„Mein Stil ist eigentlich, keinen Stil zu haben. Hier steht etwas aus jeder Dekade, seitdem es das Haus gibt. Von Antiquitäten über die 70er Jahre bis hin zu Überbleibseln aus meiner Studentenzeit. Es gibt überall was zu entdecken. Viel Kunst, viel Kreatives. Musikinstrumente stehen hier rum. Im Grunde könnten wir hier sofort eine Jam-Session aus dem Boden stampfen. Ich bin riesiger Musikfan und habe eine große Schallplattensammlung, dazu viele Bücher. Also Dinge, mit denen man auch etwas anfangen kann. Ich bin kein Stehhübsch-Fan. Mit der Ausnahme von Kunstwerken. Aber die tun ja auch was für uns und für unser Köpfchen. Hier steht wenig rum, was nicht eine Funktion hat.“
Stimmt es wirklich, dass Sie sechs Esstische im Wohnzimmer haben?
„Naja, bis Corona hatte ich ja hier in dem alten Haus die alte Dorfkneipe wiederbelebt. Das hat dann Corona leider nicht überlebt, aber ich habe seitdem die Einrichtung in der großen Diele gar nicht so sehr verändert. Das heißt, im Grunde sind das die alten Tische der Kneipe. Und mittlerweile nutze ich jeden dieser Tische für meine unterschiedlichen Arbeitsbereiche. Der große Familientisch wird freigehalten für Gäste und zum Essen. Dann gibt es den Text-Lern-Tisch für Schauspiel und Bühnenprogramme. Den Bücherschreibtisch, den Coaching-Tisch, an dem ich mit meinen Künstlerkollegen sitze, wenn ich coache. Dann gibt es noch einen Videoplatz und einen Computer-Arbeitsplatz.“
Sehen Sie denn einen bestimmten Interior Trend für 2024?
„Darf ich ganz ehrlich sein? Ich propagiere keine Trends. Mein Trend ist: Leute, hört nicht auf Trends, sondern guckt darauf, was für eure Bedürfnisse, für euren Alltag, für euer Leben, für euer Wohlfühlen wichtig ist. Und das ist von Trends völlig unabhängig. Ich glaube, wir machen viel zu oft den Fehler, irgendwelchen Trends hinterherzurennen und nicht genug darüber nachzudenken. Man sollte sich die Fragen stellen: Was brauche ich? Wie fühle ich mich wohl? Wie sind meine Abläufe? Und erst dann sollte man schauen, was für einen infrage kommt – unabhängig von Trends.“
»Es geht in erster Linie um Bedürfnisse und nicht um Optik
Stellen Sie sich ein leeres Wohnzimmer vor. Wo würden Sie starten? Bei den Farben an der Wand oder beim größten Möbelstück?
„Als Erstes findest du raus: Wer lebt denn hier? Wie viele Menschen leben hier? Wie oft halten die sich gemeinsam hier auf? Was ist diesen Menschen wichtig? Wie viele Sitzplätze brauchen wir? Kommt öfter Besuch? Das sind die entscheidenden Fragen. Und dann kann man mit dem Gestalten beginnen. Es geht in erster Linie um Bedürfnisse und nicht um Optik. Darauf kann man gucken, wenn man die Bedürfnisse kennt. Damit grenzt man auch ein wenig seine Möglichkeiten ein. Ganz oft sind wir ja allein schon deshalb verwirrt, weil es so viele Optionen gibt. Wenn wir aber die Optionen runterbrechen, dann fällt es viel einfacher, eine Entscheidung zu fällen. Ganz viele Dinge fallen dann einfach weg, weil sie unpraktisch sind oder nicht passen.“
Das stimmt. Oft stellt man fest, dass man zwar etwas optisch sehr schön findet, es im Alltag aber einfach unpraktisch oder etwa der Sessel dann doch leider unbequem ist.
„Da gibt es so viele Beispiele. Wie der Schrank, an dem man sich immer wieder an der gleichen Ecke den Ellbogen stößt. Oder die Bettfüße, die nach außen stehen, sodass man sich fast die Zehen daran bricht. Offene Regale, von denen man dachte, dass sie schön aussehen, aber hinterher chaotisch wirken. Also: Nicht nach Impuls und nach Optik kaufen. Besser darauf achten: Was will ich erreichen? Was erleichtert mir das Leben? Auch, um Ordnung zu halten?“
Beim Thema Weihnachtsdeko gibt es gefühlt nur zwei Seiten: Die einen lieben es und können nicht genug haben – die anderen können es gar nicht leiden. Wie ist das bei Ihnen? Schmücken Sie?
„Ich habe tatsächlich ganz viel Weihnachtsdeko – davon ist aber nichts gekauft. Das sind alles Dinge, die sich im Laufe des Lebens angesammelt haben. Durch Mitbringsel, durch Dinge, die die Eltern irgendwann mal loswerden wollten. Und diese Dinge baue ich jedes Jahr auf, aber niemals alles, denn dafür wäre es viel zu viel. Ich kann jedes Jahr variieren, aber einfach nur, indem ich immer etwas anderes aus den großen Kisten heraussuche.“
Ist alles eher kunterbunt und mit viel Glitzer oder eher klassisch?
„Tatsächlich eher so in die klassische Richtung. Klassische Christbaumkugeln, Kerzen. Und das Schöne hier auf dem Land ist, dass ich meine eigenen Nadelbäume im Garten habe. Das kann ich selbst sammeln.“
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Tine Wittler: »Ich kann mir nicht mehr vorstellen jeden Tag auf der Baustelle rumzuhängen
„Einsatz in 4 Wänden“ liegt jetzt genau zehn Jahre zurück, die letzte Sendung lief 2013. Könnten Sie sich vorstellen, die Sendung noch mal aufleben zu lassen?
„Es hat tatsächlich innerhalb der letzten Monate bestimmt fünf oder sechs Anfragen gegeben, ob ich das nochmal machen würde. Leider stehe ich für eine reine Kopie des alten Formates nicht zur Verfügung. Ich würde mich nicht gegen etwas sperren, mit dem ich inhaltlich so einverstanden bin, dass es auch für mich etwas Neues bedeutet oder eine Weiterentwicklung bringt. Aber die Anfragen waren leider alle komplett auf ‚Copy and Paste‘ ausgelegt. Dafür stehe ich tatsächlich nicht zur Verfügung.“
Alte TV-Shows werden ja gerade häufig wiederbelebt. Was müsste denn anders sein, damit man sie dafür nochmal gewinnen kann?
„Das kann ich Ihnen so gar nicht sagen. Ich glaube, das ist dann eine Gefühlsgeschichte. Aber ich bin ja jetzt auch 20 Jahre älter als ich mit der Sendung angefangen habe und kann mir eben auch einfach nicht mehr vorstellen, tagein, tagaus auf Baustellen rumzuhängen. Mit Lärm, mit Dreck, kein richtiges Klo. Aus dem Alter bin ich einfach raus. Es würde sehr helfen, wenn es nicht unbedingt die Anwesenheit auf Baustellen erfordern würde.“
Heißt, dass ganze Konzept müsste neu für Sie sein?
„Würde ich mir wünschen, ja. Aber da ist gerade leider, muss man sagen, sehr, sehr wenig Mut, Neues zu machen. Alle befinden sich gerade in der Rückschau, alte Formate werden wieder hervorgekramt, was aus nostalgischen Gründen sicherlich ganz niedlich ist. Aber für jemanden wie mich ist es eben nicht angebracht, dorthin zurückzukehren.“
Dann ist es auch gut, wenn man das für sich weiß und auch mal Nein sagt.
„Na ja, ich bin die 100-Prozent-Frau, also jetzt nicht von meiner Leistung her (lacht). Da kann ich auch nicht immer 100 Prozent geben. Aber ich mache nur Dinge, hinter denen ich zu 100 Prozent stehe. Dann aber auch mit ganzem Herzen und voller Power. Aber bei nur 80 Prozent Einverständnis mit einem Konzept bin ich lieber raus.“
Vielleicht hat ja doch nochmal jemand eine gute Idee, ein anderes Konzept – ich würde mich freuen.
„Ja, alle sagen, sie würden sich so sehr freuen. Aber ich weiß gar nicht, ob ich mich so freuen würde. Ich habe mich gut eingerichtet in meinem jetzigen Leben. Es muss nicht. Es dürfte, aber es muss wirklich nicht. Das ist alles gut so, wie es ist. Und darüber bin ich glücklich.“
„Haus des Jahres: Deutschland“ ab 11. Dezember 2023, immer montags um 20:15 Uhr auf HOME & GARDEN TV