18. November 2022, 15:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wenn Extravaganz im künstlerischen Rahmen auf Anarchie trifft, dann beschreibt dies einen ganz bestimmten kontroversen Stil der 80er Jahre. Das Memphis Design hat sich nicht nur massiv gegen Bestehendes aufgelehnt, sondern sich gleichzeitig in der Geschichte so tief verewigt, dass man sich beim Einrichten auch heute noch gern daran orientiert.
In Mode und Musik sind die 80er Jahre seit geraumer Zeit nicht mehr wegzudenken. Als zu markant, zu schrill, zu bizarr gilt diese Trendbewegung, die dennoch aber immer wieder neue Begeisterungsstürme entfacht. Auch im Interior Design herrscht eben jene Faszination vor. Das sogenannte Memphis Design ist ein Kind der 80er Jahre und hat sich durch seine expressive Ausdrucksweise bis heute ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Was den wild-bunten Stil auszeichnet und warum er auch aktuell gut in moderne Einrichtungskonzepte passt, lesen Sie hier.
Wie kam es zum Memphis Design?
Alles begann im Dezember 1980 als sich eine Gruppe aus jungen Möbel-, Textil- und Keramikdesignern um Ettore Sottsass, dem damaligen Chefdesigner von Olivetti, versammelte. Gemeinsam war man sich einig, dass es dem vorherrschenden Design an Emotionen mangelte. Nüchternheit und Sachlichkeit bestimmten sämtliche Looks, was der sogenannten Gruppe Memphis deutlich missfiel. Und so kam es zur Geburtsstunde des Memphis Designs und damit gleichzeitig auch zur Offensive gegenüber der konventionellen, industriell geprägten Designästhetik. Fortan sollten sämtliche Möbelkreationen extravagant und farbenfroh sein. Und das waren sie auch: Auf der folgenden Mailänder Möbelmesse präsentierte das Kollektiv seine erste Kollektion. Es kam zu einer enormen Aufmerksamkeit, die allerdings polarisierte. Das Publikum schätzte oder verachtete die ungewöhnlichen Entwürfe. Zwar hielt sich der ökonomische Erfolg in Grenzen und alles in allem auch nicht lang an, dafür schrieb der Stil (Design-)Geschichte und gilt bis heute als unvergessen. Im Jahr 1989 kam es zur endgültigen Auflösung der Gruppe.
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Was macht das Memphis Design so besonders?
Im Grunde war die Gründung des Memphis Designs ein klares Statement gegen die Bauhaus-Bewegung. Bloße Funktion und der gänzliche Verzicht auf verspielte Details war dem italienischen Kollektiv zu wenig. Ihr Stil forderte Lebendigkeit und zwar in Form von poppigen Farben, einer verrückten Liniensprache, grotesken, fast schon humoristischen Formen, die an Absurdität kaum zu überbieten waren. Von Minimalismus und Schlichtheit wollte die Memphis Gruppe nichts wissen. Es trafen also Geometrie und grafische Muster aufeinander. Möbel und Accessoires kommen als Kegel, Pyramide oder in Dreiecksform daher. Doch dabei beließen es die damaligen Designer nicht. Weil die Funktion oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielte, ergänzte man das Ganze noch um dekorative, eher unnötige Attribute. So entstanden Meisterwerke, die nicht selten skulptural anmuteten. Außerdem entschied man sich neben Holz und Marmor für Platiklaminat, das die praktische Eigenschaft mitbrachte, dass sich jene Produkte nicht nur für den Innen-, sondern auch für den Außenraum eigneten.
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In neueren Interpretationen wird das Memphis Design gekonnt aufgegriffen. Immer wieder lehnen sich bestimmte Möbelkollektionen in ihrer Farben- und Formenauswahl an die damalige Doktrin an. Keine Wunder also, dass das Memphis Design bis heute unvergessen und trotz aller Groteske als äußerst interessant beim Einrichten gilt. Gerade im Stil des Eklektizismus ist das Memphis Design bestens aufgehoben. Hier und da ein skulpturales Möbelstück von unbändiger Form oder eine Tapete mit einprägsamem Zick-Zack oder Streifen-Muster, die auf die knalligen Farben von Accessoires treffen. Als ausgesprochen passend erweist sich auch Terrazzo bei Arbeitsplatten und Untersetzern. Zitronengelb, Koralle oder Royalblau bei Beistelltischen, Leuchten oder auch Vasen passen als leuchtende Neonfarbe perfekt ins Ensemble des Memphis Designs. Damit der Look allerdings insgesamt nicht zu wild erscheint, darf jene Exzentrik gern mit neutralen modernen oder skandinavischen Designs kombiniert werden.