24. Januar 2024, 16:22 Uhr | Lesezeit: 13 Minuten
Wer aus Berlin kommt und hier aufgewachsen ist, der weiß: In der Hauptstadt eine Wohnung zu finden, ist so gut wie unmöglich. Dabei ziehen immer mehr Menschen nach Berlin – und der Platz ist gering. Diese Wohnungsnot machen sich auch Betrüger zunutze, indem sie vorgaukeln, eine Wohnung zu vermieten. In Wahrheit sind sie nur auf schnelles Geld aus. Unsere Autorin Julia Freiberger wäre fast auf eine solche Betrugsmasche hereingefallen.
Bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin seit langer Zeit Mangelware. Das Resultat: absurde hohe Mieten für mindestens ebenso absurd wenig Wohnfläche. Teilweise findet man kein Angebot für eine 1-Zimmer-Wohnung, das weniger als 750 Euro an Miete kostet und sich im Zentrum der Stadt befindet. Und trotzdem sind die Wohnungen nach ein paar Minuten bereits vergeben. Und dann muss man bei der Wohnungssuche auch noch aufpassen, nicht Opfer eines Betrugs zu werden – wie in diesem Fall.
Die Wohnungssuche beginnt
Eine eigene Wohnung zu haben klingt schon verlockend. Ich könnte jetzt einige plausible Gründe aufzählen, weshalb ich ausziehen wollte, doch ich beschränke mich auf drei. Das soll man jetzt auch nicht falsch verstehen: Bei seinen Eltern zu leben ist angenehm und schön, allerdings wollte ich mir auch etwas Eigenes aufbauen und unabhängiger sein. Da wären wir schon beim ersten Punkt:
- Selbstständigkeit: Wenn man alleine wohnt, ist man auch auf sich alleine gestellt. Ums Einkaufen, Finanzen, Kochen, Aufräumen und weiteres muss man sich plötzlich selbst kümmern. Meiner Meinung nach ist dieser Prozess sehr wichtig für die Entwicklung von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
- Eigenverantwortung: Geht eigentlich mit Selbstständigkeit einher, weil man mehr Verantwortung und Konsequenzen für das eigene Leben übernimmt.
- Persönliche Entwicklung: Alleine zu leben, Erfahrungen zu sammeln und aus Fehlern zu lernen, gehört meiner Meinung nach als fester Bestandteil zur individuellen persönlichen Entwicklung eines Menschen dazu.
Nachdem ich kurz erläutert habe, weshalb ich mich überhaupt auf die Wohnungssuche begeben habe, kommen wir jetzt zum eigentlichen Betrug, den ich erlebt habe.
Hinweis: Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde ich die entsprechenden Personen nicht namentlich erwähnen, sondern eine Verfremdung wie „Herr XY“ benutzen.
Ebay-Kleinanzeigen als Plattform für die Wohnungssuche
Neben den Angeboten auf einschlägigen Immobilienportalen werden auch bei Kleinanzeigen (ehemals „Ebay Kleinanzeigen“) jeden Tag Angebote geschaltet, um nach Nachmietern zu suchen. Nachdem man seine maximale Miete (warm) festgelegt hat, ist Warten angesagt. Denn ein passendes Angebot könnte jederzeit online gestellt werden. Und dann ist Schnelligkeit gefragt.
Billige Wohnung in zentraler Lage
Nach wochenlanger Suche und etlichen Absagen habe ich eine Mitteilung bekommen, dass ein Wohnungsangebot online gestellt wurde, das zu meinen Suchkriterien passte. 520 Euro warm und dann auch noch in Berlin-Steglitz! Schon als ich meine kurze Bewerbung in mein Handy getippt habe, hatte ich bereits mit dem Gedanken abgeschlossen, überhaupt einen Besichtigungstermin zu erhalten.
Bei der Lage und so einem günstigen Preis müssten schon über hunderte Bewerbungen eingegangen sein, dachte ich mir. Doch dann plötzlich: eine Zusage! Auch noch für denselben Tag, an dem das Angebot veröffentlicht wurde.
Ich konnte mein Glück kaum fassen
Ich war Feuer und Flamme. Die Person, die bei Kleinanzeigen nur mit seinen Initialen angemeldet war (erstes Warnzeichen) dankte mir über den Chat für die Bewerbung und wollte mich kennenlernen. Überglücklich habe ich direkt zugesagt und nach der Adresse sowie dem Nachnamen gefragt, damit ich wusste, wo ich klingeln sollte.
Es wurde direkt eine Kaution erwähnt
Es ist vermutlich das zweite Warnzeichen. Der Anbieter oder Vermieter der Wohnung (er hatte sich als Vermieter vorgestellt) teilte mir sofort schriftlich mit, dass er eine Provision für die Wohnung haben wollte und fragte, ob das ein Problem für mich sei. Da ich es auch von Freunden und Bekannten kannte, dass man eine Kaution zahlen musste, sagte ich, dass ich weiterhin Interesse an der Wohnung hätte.
Als mein Vater mich jedoch nach dem Namen des Vermieters fragte, stockte ich. Ich hatte zwar einen Nachnamen, wusste aber nicht, ob es sich hierbei um einen Mann oder eine Frau handelte. Auch auf dem Online-Profil waren keine weiteren Daten hinterlegt. Ich bekam ein mulmiges Gefühl im Magen und bat meinen Vater, mich zum Termin zu begleiten.
Die Klingel war abgeklebt
Als ich zur Besichtigung gekommen bin, ist mir aufgefallen, dass der Name der Klingel abgeklebt war. Stattdessen wurde ein kleines Zettelchen darüber geklebt, auf dem handschriftlich der Nachname des Vermieters stand. Im ersten Moment hatte ich mir nichts Schlimmes dabei gedacht, aber das sollte sich bald ändern.
Mir öffnete ein junger Mann die Tür. Vermutlich war er kaum älter als ich selbst. Er stellte sich als „Herr XY“ vor und wirkte freundlich. Ich trat zuerst herein, mein Vater folgte dicht hinter mir. Als der Vermieter ihn sah, rutschte ihm das Lächeln aus dem Gesicht und ich konnte sehen, dass er etwas nervös wurde. Ich dachte mir nichts dabei, bis ich ins Wohnzimmer trat und plötzlich einen anderen Mann auf einem Stuhl sitzen sah.
Zwei Männer und ich alleine
Eines der größten Warnzeichen, die mich bis heute beunruhigen, ist der Fakt, dass das Treffen eigentlich nur mit mir alleine vereinbart war. Natürlich bin ich nicht in der Position, irgendwelche Vermutungen oder Fakten aufzustellen, was passiert wäre, wenn ich alleine gekommen wäre. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht komisch fand.
Es hätte wenigstens erwähnt werden müssen, dass eine weitere Person in der Wohnung anwesend sein wird – und zwar aus Sicherheitsgründen. Herr XY bemerkte meinen Blick und stellte den Mann schnell als seinen Freund vor, mit dem er gemeinsam dort wohne.
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Dann kam der Schock-Moment
Während mein Vater einige Fragen zur Wohnung stellte, unter anderem wie sich der Preis der Warmmiete zusammensetzen würde, inspizierte ich die kleine Wohnung auf eigene Faust. Ich brauchte genau fünf Sekunden, um zu verstehen, dass etwas nicht stimmte. Plötzlich spürte ich, wie Panik in mir aufstieg. Die Bilder, die bei Kleinanzeigen hochgeladen wurden, waren Bilder einer ganz anderen Wohnung. Mir wurde schlecht.
Gleichzeitig schossen mir tausend Fragen durch den Kopf. Wer waren diese Leute? Was wollten sie von mir? Wie konnten wir unauffällig verschwinden? Denn eins stand für mich zu 100 Prozent fest: Wir mussten da raus – und zwar schleunigst.
Ich versuchte, sie mit einem Gespräch abzulenken …
… und indirekt Informationen über sie zu sammeln, für den Fall, dass ich es der Polizei melden konnte. Denn wir hatten ein Problem: Als ich in die Wohnung gekommen war, hatte ich den Fehler gemacht, Herrn XY meine Bewerbungsmappe in die Hand zu drücken. Im Nachhinein habe ich herausgefunden, dass man solche Unterlagen niemals an jemanden abgeben sollte, außer wenn es sich um eine Person aus der Verwaltung oder um den Besitzer der Wohnung selbst handelt.
Ich fand heraus, dass beide Männer auf meine Schule – das Hermann-Eherls-Gymnasium gegangen sind. Ihre Vornamen verrieten mir beide nicht. Ich für meinen Teil entschied mich dafür, die Begeisterte zu spielen, bloß um mir nicht anmerken zu lassen, dass ich eigentlich Angst hatte. Denn irgendwie hatte ich Angst – und ich wollte einfach nur weg. Erst als ich mit meinem Vater wieder im Auto saß, konnte ich aufatmen.
Am selben Abend dann der doppelte Schock
Das Absurde: ich bekam am selben Abend noch die Zusage für die Wohnung. Mir war klar, dass es sich offensichtlich um einen Betrug handelte, doch dieses Mal beschloss ich mitzuspielen, um zu sehen, wie weit die beiden Betrüger bei der Wohnungssuche gehen würden.
Ich schickte ihm meine Telefonnummer mit der Bitte, mir den zu unterschreibenden Vertrag per WhatsApp oder per Mail zu schicken. Auf beide Anfragen wurde nicht eingegangen. Stattdessen schickte er mir eine Vorlage über den Chat von Kleinanzeigen – immer noch geschützt von Anonymität.
Mein komisches Gefühl verstärkte sich
Keine Verwaltung könnte innerhalb mehrerer Stunden das Einverständnis gegeben haben, in die Wohnung einziehen zu können. Dafür muss zuerst eine anständige Kontrolle der Dokumente und Daten erfolgen, ehe sich die Verwaltung dann bei der zuständigen Person meldet, die für die Wohnung infrage kommt. Dass dieser Schritt bei den beiden Herrschaften einfach übersprungen worden ist, lieferte mir den Beweis für mich selbst, dass sie wahrscheinlich Betrüger waren.
Ausschlaggebend hierfür war die Schnelligkeit, in der alles erfolgen sollte. Den Vertrag am selben oder am nächsten Tag zu unterschreiben? Merkwürdig. Und unrealistisch war es auch noch. Wobei ich mir sehr gut vorstellen kann, dass Menschen, die wirklich eine Wohnung brauchen, diesen Schritt ebenfalls eingehen würden.
Was waren mögliche Gründe für den Betrug bei der Wohnungssuche?
Wahrscheinlich hatten die beiden das Ziel, das Geld für die Kaution zu bekommen und dann schleunigst abzutauchen. Immerhin handelte es sich hier um 1000 Euro. Eine stolze Summe für eine 30 Quadratmeter große Wohnung, die nicht einmal die ausgestellte Wohnung darstellte.
Zudem empfand ich es als merkwürdig, dass sie den Vertrag am selben Tag um 20 Uhr abends unterschreiben lassen wollten. Fast schon so, als hätten sie Zeitnot – oder Angst, dass ihre Masche auffliegen könnte. Auf die Frage, ob ich die Kaution gleich mitbringen sollte, hieß es nur, dass die Schlüssel bereitliegen würden und ich sie direkt nach Vertragsunterzeichnung bekommen würde.
Wie die Geschichte endete
Mein Versuch, die beiden zu schnappen, endete leider im Nichts. Bevor ich die Möglichkeit hatte (mit ein paar Leuten) dort aufzutauchen und sie zur Rede zu stellen, sagten sie mir ab und reagierten von da an auf keine einzige Nachricht mehr. Aufgrund dessen, dass sie mir nie ihre Telefonnummer oder Mail-Adresse mitgeteilt hatten, gab es für mich auch keine andere Möglichkeit, als sie über Kleinanzeigen zu kontaktieren. Allerdings ohne Erfolg. Meine Unterlagen habe ich somit auch nie zurückbekommen.
Worauf man bei der Wohnungssuche unbedingt achten sollte
Aus eigener Erfahrung kann ich nun berichten, dass man bei der Wohnungssuche vorsichtig sein muss. Damit meine ich jetzt nicht, dass man Portale wie Kleinanzeigen komplett als Plattform für die Wohnungssuche vergessen sollte. Denn obwohl ich diese Erfahrung mit einem „Fast-Betrug“ gemacht hatte, gibt es auch etliche seriöse Anbieter, die nichts Böses im Sinn hatten.
Einige Warnsignale, die ich mir notiert habe:
- Die Bilder im Inserat müssen zu den Bildern der Wohnung passen
- Fehlende Angaben zur Person sind verdächtig
- Zu günstige Preise für eine sehr gute Lage sind ebenfalls unrealistisch
- Kommunikation mit dem Vermieter/Anbieter muss jederzeit vorhanden sein
Was ich auch jedem ans Herz legen kann: Man sollte niemals alleine zu einer Besichtigung gehen. Es reicht aus, wenn man einen Freund oder eine Freundin mitnimmt. Einfach, damit man sich sicherer fühlt und sich nicht unnötig in potenzielle Gefahr begibt.
Ansonsten ist mir aufgefallen, dass man auf jeden Fall vorsichtig mit der Weitergabe persönlicher Daten sein sollte. Auch wenn man eine Wohnung haben möchte, so handelt es sich immer noch um fremde Menschen, die man nicht mit eigenen Daten überhäufen sollte. Und ein letzter Punkt: Man sollte immer auf das eigene Bauchgefühl hören, denn es täuscht einen fast nie.
Ich hoffe, dass …
… das Teilen meiner eigenen Erfahrung viele Menschen davor bewahren wird, mit zu viel Vertrauen oder Leichtigkeit in die Wohnungssuche einzusteigen. Denn Wohnungen zu suchen ist alles andere als leicht. Es erfordert viel Zeit, Geduld und vielleicht auch etwas Glück.
Viele, unter anderem auch ich, werden von der Aussicht auf eine bezahlbare Wohnung geblendet – vorausgesetzt, man zahlt dafür. Ich finde es schade, dass die Not der Wohnungssituation von manchen Menschen schamlos ausgenutzt wird, um Profit zu schlagen. Und noch mehr schade finde ich es, dass es bestimmt viele Menschen gibt, die ebenfalls auf Betrug bei der Wohnungssuche hereinfallen.
Das rät die Polizei
Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes hat auf Anfrage von myHOMEBOOK Tipps, wie man etwa solch unseriöse Immobilienazeigen erkennen könnte:
- Vermeintlich günstiges Angebot: Die beworbene Immobilie ist zu einem unrealistisch niedrigen Preis erhältlich und scheint zu schön, um wahr zu sein.
- Unwirkliche Fotos: Die Bilder der Immobilie wirken zu perfekt, fast wie aus einem Hochglanzmagazin, oder passen nicht zum Standard der Umgebung.
- Abwesender Eigentümer: Der angebliche Vermieter behauptet, im Ausland zu sein und daher nicht persönlich anwesend sein zu können.
- Ausländische Bankverbindung: Die angegebene Bankverbindung stammt aus dem Ausland und die IBAN beginnt nicht mit „DE“ für Deutschland.
- Falsche Telefonnummer: Die angegebene Telefonnummer ist falsch und bei einem Anruf stellt sich heraus, dass man mit einer fremden Person verbunden ist.
- Unsichere Schlüsselübergabe: Es wird vorgeschlagen, den Schlüssel gegen eine Barzahlung oder per Nachnahme zu versenden.
All diese Dinge können darauf hinweisen, dass es sich bei der Anzeige um einen Betrug handeln könnte. Damit es gar nicht erst soweit kommt, hat die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes Tipps, wie man sich vor so einem Betrug schützen kann:
- Falls Sie online auf die Wohnung gestoßen sind: Immer öfter verbergen sich auch hinter professionell aufgemachten Online-Shops Kriminelle. Angebote sollten deshalb genau geprüft werden. Der „Fakeshop-finder“ kann helfen, Anbieter zu prüfen.
- Bestehen Sie auf einer persönlichen Begegnung: Verlangen Sie, den Vermieter oder Eigentümer persönlich zu treffen und die Immobilie vor einer Zahlung zu besichtigen.
- Seien Sie misstrauisch: Wenn das Angebot zu schön ist, um wahr zu sein, und der Vermieter behauptet, nicht persönlich anwesend sein zu können, seien Sie vorsichtig.
- Führen Sie eigene Recherchen durch: Überprüfen Sie die Kommunikationsdetails der Hausverwaltung oder Immobilienagentur selbstständig.
- Geben Sie keine Vorauszahlungen oder persönlichen Daten preis: Wenn Ihnen ein Angebot verdächtig vorkommt, überweisen Sie kein Geld im Voraus und geben Sie keine sensiblen Informationen preis.
- Konsultieren Sie andere Mieter: Sprechen Sie mit anderen Bewohnern des Gebäudes und erkundigen Sie sich nach der Verfügbarkeit der beworbenen Immobilie.
- Schützen Sie Ihre persönlichen Daten: Seien Sie im Internet allgemein vorsichtig und geben Sie Ihre persönlichen Informationen nicht leichtfertig weiter.
- Melden Sie den Betrug: Erstatten Sie bei einem Immobilienbetrug Anzeige bei der Polizei und informieren Sie den Betreiber der Immobilienplattform über verdächtige Anzeigen.
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Das sagt Kleinanzeigen
Kleinanzeigen ist die Masche bekannt, wie das Unternehmen auf myHOMEBOOK-Anfrage erklärt. Leider sei es schwer, unseriöse Angebote von seriösen Angeboten zu unterschieden – der Preis allein sei kein geeignetes Kriterium, heißt es. Kleinanzeigen rät, dass Interessenten niemals vorab Zahlungen leisten oder persönliche Informationen an Unbekannte geben sollten. Jede Abweichung, jede Unstimmigkeit im Kontakt, bei der Besichtigung oder einem Vertragsschluss sollte das MIsstrauen der Interessenten wecken.