20. März 2023, 12:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das EU-Parlament hat sich mit einer deutlichen Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Gebäude eine höhere Energieeffizienz bekommen sollen. Die Frist wurde dabei bis 2033 gesetzt. Allerdings ist noch nichts endgültig entschieden. Welche Auswirkungen hätte diese Sanierungspflicht auf Mieter in Deutschland?
Nicht nur auf Eigentümer, sondern auch auf Mieter könnte mit der angedachten Sanierungspflicht, für die sich das EU-Parlament ausgesprochen hat, schwere Zeiten zukommen. Da bis zum Jahr 2033 sämtliche Gebäude in der EU eine höhere Effizienzklasse erreichen sollen, käme eine Welle an Sanierungen auf den deutschen Immobilienmarkt zu. Werden diese Maßnahmen nicht ausreichend gefördert, könnten Eigentümer die Kosten auf die Mieter abwälzen, warnt Barbara Steenbergen, Leiterin des Internationalen Mieterbundes (International Union of Tenants/IUT) in Brüssel. Bereits 2022 hatte myHOMEBOOK mit der EU-Mietrechts-Expertin über das Programm „Fit for 55“ gesprochen, das dem aktuellen Sanierungsvorhaben zugrunde liegt.
Übersicht
- Was hat das EU-Parlament mit der neuen Energierichtlinie für Wohngebäude beschlossen?
- Welche Effizienzklassen sollen erreicht werden?
- Was bedeutet die Sanierungspflicht für Mieterinnen und Mieter?
- Wie geht es mit der geforderten Sanierungspflicht weiter?
- Wie bewertet der Internationale Mieterbund das Vorhaben?
Was hat das EU-Parlament mit der neuen Energierichtlinie für Wohngebäude beschlossen?
„Am 14.03.23 hat das EU-Parlament die Grundsätze für eine Gebäuderichtlinie mit sozialer Absicherung beschlossen“, erklärt Steenbergen auf myHOMEBOOK-Anfrage. „Sie soll dafür sorgen, dass der Gebäudebereich in der EU zum einen bis 2030 wesentlich weniger Treibhausgasemissionen erzeugt und Energie verbraucht und zum anderen bis 2050 klimaneutral wird.“ Dabei sollen alle Neubauten ab 2028 emissionsfrei sein und mit Solaranlagen ausgestattet werden – sofern dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Bei Wohngebäuden, bei denen größere Renovierungen nötig sind, bleibe dafür laut Steenbergen bis 2032 Zeit.
Welche Effizienzklassen sollen erreicht werden?
Nicht nur Elektrogeräte, sondern auch Wohngebäude sind in Energieeffizienzklassen unterteilt. Die Skala reicht von A bis G – „wobei die Energieeffizienzklasse G den 15 Prozent der Gebäude mit den schlechtesten Werten im Gebäudebestand eines Mitgliedstaats entsprechen soll“, erklärt Steenbergen. Laut den neuen Anforderungen müssen Wohngebäude bis 2030 mindestens Klasse E, bis 2033 Klasse D erreichen.
„Das EU-Parlament will es jedoch den Mitgliedstaaten ermöglichen, die neuen Zielvorgaben für einen bestimmten Teil der Gebäude anzupassen. Je nachdem, ob die Renovierungen wirtschaftlich und technisch durchführbar und qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind“, fügt Steenbergen an. „Die Regierungen der EU-Staaten legen die Maßnahmen, die nötig sind, um diese Ziele zu erreichen, in ihren nationalen Renovierungsplänen fest.“
Was bedeutet die Sanierungspflicht für Mieterinnen und Mieter?
Nicht nur auf Eigentümer von Wohngebäuden, sondern auch auf die Mieterschaft hätte die geforderte Sanierungspflicht Konsequenzen. Allerdings enthält die neue Gebäuderichtlinie laut Steenbergen „zum ersten Mal soziale Sicherheitsstandards für Mieterinnen und Mieter“. Darunter fallen „warmmietenneutrale Sanierungsprogramme“ und die „Begrenzung von Mietererhöhungen“.
Außerdem seien Hilfen gegen Energiearmut vorgesehen. Gibt eine Person mehr als zehn Prozent des Nettoeinkommens für Energie aus, gilt sie laut dem Institut der deutschen Wirtschaft als „energiearm“. Steenbergen betont: „Es soll finanzielle Anreize geben, vor allem Gebäude mit besonders schlechter Energiebilanz grundlegend zu renovieren. Schutzbedürftige Haushalte sollten gezielte Zuschüsse und Beihilfen erhalten.“
Die EU-Mietrechts-Expertin fordert allerdings auch, dass der nationale Sanierungsplan Förderprogramme enthalten muss. Der Zugang zu Zuschüssen und Finanzierungen muss erleichtert werden. Zudem müsse die Regierung laut EU-Beschluss „kostenlose Informationsstellen und kostenneutrale Renovierungsprogramme einrichten.“
Wie geht es mit der geforderten Sanierungspflicht weiter?
Die Sanierungspflicht ist noch keine final beschlossene Sache. „Das EU-Parlament handelt nun mit der EU-Kommission und dem Rat die endgültige Form der Vorschriften aus“, erklärt Steenbergen. Letztlich haben die Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten die entscheidende Stimme.
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Wie bewertet der Internationale Mieterbund das Vorhaben?
„Die IUT wird bei den Regierungen dafür streiten, dass die Klimaziele nicht mit den jetzigen Modernisierungsumlagen zu erreichen sind, welche den Großteil dieser Kosten den Mieterinnen und Mietern aufbürdet“, sagt Steenbergen. Bei der nationalen Umsetzung sei neben der Abschaffung beziehungsweise deutlichen Senkung der Modernisierungsumlage auch eine ausreichende soziale Förderung nötig, um die Mieter nicht zu belasten.
„Wir werden außerdem klarstellen, dass die Klimaziele in diesem Tempo nicht mit Gebäudemodernisierung allein zu erreichen sind“, erklärt Steenbergen. Sie fordert zudem einen staatlich forcierten Auf- und Ausbau von Fern – und Nahwärmenetzen.