28. Mai 2019, 16:10 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Das Dach ist undicht, das Bad könnte neue Fliesen vertragen – wer nicht selbst Hand anlegen kann oder will, muss zum Teil lange auf einen Profi warten. In Einzelfällen sogar bis zu 14 Wochen! Der Grund: Es fehlt der Nachwuchs.
Kaum eine Berufsgruppe ist so vielseitig wie das Handwerk: Tischler, Maurer, Klempner und auch Maler gehören unter anderem zu der Riege. Dass die zunehmend schrumpft, hat eine ganz bestimmte Ursache: Immer mehr Schulabgänger wollen lieber studieren, statt eine Ausbildung zu absolvieren.
Das wiederum bedeutet lange Wartezeiten für die meisten Kunden: Eine aktuelle Umfrage der Bayerischen Handwerkskammern hat ergeben, dass Kunden im Schnitt 4,7 Wochen auf einen Profi warten müssen – außer es handelt sich um einen Notfall.
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Noch drastischer ist die Situation im Baugewerbe. Dort müssen Auftraggeber unter Umständen sogar bis zu 14 Wochen warten, ehe ein Handwerker den Job übernehmen kann. Die Branche sieht die Schuld daran vor allem in dem Trend zur Akademisierung vieler Jugendliche, vor allem in den größeren Städten. Sie wollen lieber studieren.
„Viele Jugendliche – und wohl noch mehr Eltern – glauben immer noch, dass ein Studium bessere berufliche Perspektiven eröffnet“, erklärt Jens Christopher Ulrich, Pressesprecher des bayrischen Handwerkstags, myHOMEBOOK.
Das bestätigen zumindest die Zahlen der einzelnen Handwerkskammern in Deutschland. Alleine in Bayern blieben 2018 etwa 7.400 Lehrstellen unbesetzt. Das Problem: Immer mehr Handwerker gehen in die Rente, aber immer weniger entscheiden sich für den Beruf.
Schon jetzt sei die Nachfrage an Handwerksleistungen im Freistaat kaum zu bewältigen. Ähnlich dramatisch sieht es laut Zahlen des Zentralverband des deutschen Handwerks auch im Rest der Republik aus.
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Viele Aufträge, aber zu wenig Personal
Dabei könnte es dem deutschen Handwerk kaum besser gehen, die Umsätze steigen und Aufträge stapeln sich. Gut 25, 2 Milliarden Euro Umsatz konnte die Branche im ersten Quartal des Jahres verbuchen.
Die Bücher sind voll und auch mit den Verdienstchancen in einem handwerklichen Beruf sieht es nicht so schlecht aus. Im Durchschnitt verdient ein Maurer in Vollzeit etwa 3.100 bis 3.500 Euro Brutto und damit mehr als manch ein Akademiker. Noch dazu, so Ulrich, gehöre die Arbeitslosenquoten von Fachschulabsolventen, Meistern und Technikern in Deutschland zu den niedrigsten im OECD-Raum. Was hält den Nachwuchs also ab?
Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer des Bayrischen Handwerkstages, meint, es liege vor allen an den Vorurteilen gegenüber den einzelnen Berufsbildern, die viele Schülerinnen und Schüler noch immer hätten.
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Gegenüber dem Bayrischen Rundfunk sagte er: „Viele Klischees sind sicherlich zutreffend, zum Beispiel die frühen Aufstehzeiten beim Bäcker, die nun mal Fakt sind. Anderes, die schwere körperliche Arbeit etwa, ist heute teilweise gar nicht mehr so. Durch die Digitalisierung, durch moderne Maschinen ist vieles, was früher körperlich anstrengend war, deutlich leichter.“
Die Situation werde sich erst ändern, wenn handwerkliche und akademische Berufe von Politik und Gesellschaft gleich gewertet werden würden, sagt Ulrich. „Außerdem rate ich generell zu etwas mehr Gelassenheit: Schließlich sind Verbraucher auch bereit, mehrere Monate auf ein neues Auto zu warten. Und im Notfall ist der Handwerker rasch zur Stelle.“