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Greenkeeper über Fußballrasen: »Darum haben Gänseblümchen hier keine Chance

Greenkeeper Maik Grimm
Greenkeeper Maik Grimm kümmert sich bei der TSG Hoffenheim um den Rasen Foto: TSG Hoffenheim / Simon Hofmann

21. Juni 2023, 10:47 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Maik Grimm ist Chef-Greenkeeper beim Fußball-Bundesligaverein TSG Hoffenheim. Mit myHOMEBOOK spricht er über die Wissenschaft der Rasenpflege für Profisport und was Hobbygärtner davon lernen können.

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Während Gartenbesitzer für die Rasenpflege in der Regel ihre Freizeit opfern, gehört sie für professionelle Greenkeeper zum Berufsalltag. Doch wie sieht eigentlich die Arbeit eines Sportplatzrasenpflegers genau aus? Welche Tätigkeiten zählen neben dem Rasenmähen dazu? myHOMEBOOK hat mit Maik Grimm, dem Greenkeeper der TSG Hoffenheim gesprochen. Und auch Gartenbesitzer können von seinen Tipps profitieren.

Greenkeeper: »Mein Team umfasst 14 Mitarbeiter

myHOMEBOOK: Herr Grimm, was muss man können, um Mann des Rasens bei einem Bundesligafußballverein zu werden?
Grimm: „Ich habe meine berufliche Laufbahn als Forstwirt begonnen, es folgte eine Ausbildung zum Agrarwirt für Golf- und Fußballplatzpflege. Danach besuchte ich etliche Rasenpflegeseminare in England und den USA, weil nirgendwo auf der Welt das Niveau für die Rasenkultur höher ist als in diesen Ländern. In den USA habe ich 2011 zudem ein zweiwöchiges Praktikum beim Golfturnier „The Players Championship“ in Jacksonville (Florida) absolviert. Ich war seit 1997 Greenkeeper in leitender Funktion auf dem Golfplatz in St. Leon-Rot, und seit 2015 bin ich Chef-Greenkeeper bei der TSG Hoffenheim.“

Von wie vielen Leuten sind Sie der Chef?
Grimm: „Mein Team umfasst 14 fest angestellte Mitarbeiter plus vier 520-Euro-Kräfte. Das klingt viel – aber wir haben hier bei der TSG Hoffenheim insgesamt 15 Natur- und vier Kunstrasenplätze zu betreuen. Zudem ist die dezentrale Infrastruktur bei der TSG herausfordernd. Das Stadion der Profis befindet sich in Sinsheim, die Trainingsplätze wiederum sind in Zuzenhausen, Hoffenheim und St. Leon-Rot verteilt und unsere U23-Mannschaft sowie einige Jugendmannschaften und das Frauen-Team spielen immer im Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim. Daher ist unsere tägliche Arbeit in logistischer Hinsicht anspruchsvoll.“

TSG Hoffenheim
Unter anderem ist Maik Grimm für den Rasen in der PreZero-Arena, der Heimspielstätte der TSG Hoffenheim zuständig Foto: TSG Hoffenheim

„Pro Quadratmeter stechen wir 250 bis 300 Löcher in den Boden“

Aktuell dürften Sie weniger zu tun haben, denn die Bundesligasaison 2022/23 ist ja seit dem letzten Maiwochenende abgeschlossen.
Grimm: „Zumindest bei der Arbeit im Stadion sind wir aktuell noch entspannt. Derzeit finden dort lediglich einige Firmenveranstaltungen statt. Im Moment gilt unser Fokus den anderen Plätzen, denn die werden immer direkt nach Saisonschluss renoviert. Wir haben dort jetzt die meiste Arbeit im Jahr.“

Das heißt?
Grimm: „Die Naturplätze werden aerifiziert, also gelüftet. Pro Quadratmeter stechen wir 250 bis 300 Löcher in den Boden, um einen Luftgasaustausch vorzunehmen. Der alte Boden wird etwa 15 Zentimeter tief ausgestochen und abgetragen, und in die Löcher füllen wir Sand, pro Spielfeld zwischen 50 und 80 Tonnen. Dadurch bekommen die Wurzeln mehr Sauerstoff, zudem läuft das Wasser besser ab. Am Ende der Prozedur wird jeder Rasen neu eingesät mit etwa 150 Kilogramm Saatgut.“

Die Rasensorte „Deutsches Weidelgras“ gilt als perfekt für Sportplätze, weil stark belastbar. Gilt das auch für Ihre Hoffenheimer Plätze?
Grimm: „So ist es. Neben ihrer guten Belastbarkeit wächst das Weidelgras ebenso schnell in die Höhe, wie es Wurzeln austreibt.“

Der Fußballrasen im eigenen Garten

Dann ist das doch auch eine gute Sorte für den privaten Garten, oder?
Grimm: „Nein, denn sie ist zu speziell. Jeder Garten hat seine Besonderheiten. Hier ist er beispielsweise stark beschattet, dort fällt viel Licht hinein, auch die Möglichkeiten des Wässerns sind unterschiedlich. Außerdem sollte jeder Hobbygärtner auch beim Rasen Monokulturen vermeiden und am besten immer zwei, drei Sorten miteinander mischen. Hierzu gibt es bereits fertige Samenmischungen zu kaufen. Auf unseren Plätzen arbeiten wir daher auch das „Wiesen-Rispengras“ ein. Diese Sorte wächst mit vielen Seitentrieben, was wiederum für eine gute Stabilität des Rasens sorgt. Wer in seinem Garten Kinder Fußball spielen lassen möchte, liegt mit dieser Sorte richtig.“

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Und wann machen Sie sich an den Stadionrasen?
Grimm: „Ab der zweiten Juli-Woche. Vom alten Rasen werden erst vier Zentimeter maschinell abgefräst, danach gehen wir mit einer Kreiselegge zehn Zentimeter tief in die Rasentragschicht und drehen diese um, damit Luft dort hineinkommt. Im Anschluss schieben wir wieder ein leichtes von der Mitte nach außen verlaufendes Gefälle für einen Fußballplatz auf, verdichten alles etwas, und am Ende werden 8200 Quadratmeter Rollrasen verlegt, der in der Fachsprache Sode heißt. Davon umfasst die eigentliche Spielfläche 7100 Quadratmeter, der Rest entfällt auf die Stücke hinter den Toren und den Seitenauslinien.“

Und ab wann ist auf diesem neuen Rasen Sportbetrieb möglich?
Grimm: „Ach, das geht in der Regel schnell. Man könnte sogar direkt nach dem Verlegen auf dem Rasen kicken. Das liegt daran, dass wir eine sogenannte Dicksode verwenden, so nennt man Rollrasen mit einer Stärke von vier Zentimetern. Deren eigenes Gewicht ist so hoch, dass der Rasen stabil ist fürs Fußballspielen. Optimal wäre es jedoch, wenn der Rasen zwei bis drei Wochen liegen und zusammenwachsen könnte.“

»Wir düngen viel mehr als der Hobbygärtner

Düngen Sie Ihren Rasen?
Grimm: „Ja, hier muss ich aber betonen, dass unsere Sportrasen sich zu Hausrasen deutlich unterscheiden. Denn wir haben eine Rasen-Trageschicht, bestehend aus etwa 60 bis 70 Prozent Sand und 20 bis 30 Prozent Humus. Daher müssen wir viel mehr düngen als der Hobbygärtner. Wir düngen zwar oft, dafür in geringen Mengen. Dadurch bleibt der Rasen vitaler. Zu viel Dünger macht die Blätter dick, sie nimmt zu viel Wasser auf, und die Pflanze wird instabil.“

Und mit welchen Mitteln wird gedüngt?
Grimm: „Wir verwenden ausschließlich hochwertige Produkte, welche für den professionellen Rasenbetrieb gedacht sind. Generell arbeiten wir viel mit biologischen Flüssigdüngern, Algenprodukten, Mikroorganismen und Bodenverbesserern.“

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Was ist der Vorteil von Flüssigdünger?
Grimm: „Den nimmt die Pflanze übers Blatt direkt auf. Ein Granulat wirkt nur über die Wurzel, aus diesem Grund verbleibt viel Wirkstoff ungenutzt im Boden, und ein großer Teil verflüchtigt sich wiederum über die Oberfläche. Daher machen wir in der Hauptwachsphase – etwa von Ende April bis Anfang Oktober – alle 14 Tage Flüssigdüngungen. Die wichtigsten Nährstoffe sind dabei Stickstoff fürs Wachstum, Phosphor für die Wurzeln und Kali zur Stärkung der Zellen in den Blättern und des Wasserhaushalts. Der Hobbygärtner sollte beim Kauf eines Düngers immer achten, dass diese drei Nährstoffe enthalten sind, man spricht hier dann von Volldünger. Wichtig: Im Frühjahr, wenn der Rasen gestresst ist durch mechanische Arbeit wie Vertikutieren, dann braucht er mehr Stickstoff, im Sommer dafür mehr Kali.“

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„Ohne Wässern geht es auch bei uns nicht“

Das Problem aller Gärtner ist schon jetzt die Hitze und der zunehmende Wassermangel. Wie gehen Sie damit um? Denn Ihr Rasen muss ja nicht zuletzt aufgrund der Richtlinien der Deutschen Fußball-Liga (DFL) stets in einem Top-Zustand sein.
Grimm: „Ohne Wässern geht es auch bei uns nicht. Dafür haben wir im Stadion eine große Zisterne, in der das Regenwasser von den Dächern der Arena gesammelt wird. Die Wassermenge der vollen Zisterne reicht aus, um den Platz im Stadion etwa fünf Tage zu wässern.“

Aber Sie werden doch Unmengen Wasser benötigen?
Grimm: „Auf den Trainingsflächen mehr als im Stadion, da dieses komplett zugebaut ist. Es weht dort also kein Wind hinein, der den Rasen austrocknet. Generell gilt für Sportplatzrasen: 30 Grad und Windstille sind besser als 22 Grad und viel Wind, denn der wirkt wie ein Föhn. Wir messen auf unseren Profi-Plätzen ständig Luftfeuchtigkeit, Bodentemperatur, Salzgehalt des Bodens und Bodenfeuchte. Diese Daten werden von einem Messinstrument im Boden per Wlan auf mein Smartphone und meinen Computer im Büro übertragen. Aufgrund dieser Messergebnisse stellen wir täglich die Intensität unserer Beregnung ein.“

Rasen-Überwachung per App und Computer

Was ist ein Kriterium, nachdem Sie wässern?
Grimm: „Bei einem Wert zwischen 16 und 20 Prozent Bodenfeuchtigkeit beginnt der Rasen abzusterben. 22 Prozent sind ein guter Wert.“

Im Gartenbau gilt der Rat, morgens zu Wässern, wenn die Pflanzen erwachen. Gilt das auch für Sie?
Grimm: „Ja, wir wässern ebenfalls meist morgens, so zwischen 5 und 7 Uhr, das funktioniert ebenfalls über Steuerung per Smartphone und Computer. Eine Abendwässerung hätte den Nachteil, dass die komplette Nacht das Wasser auf dem Rasen läge – und am Morgen der Tau dazu käme. Dieser Wasserfilm würde Rasenkrankheiten fördern, weil die Pflanzen nicht mehr gut atmen können.“

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„Ab 28 Millimeter würden die Spieler meutern“

Die DFL hat in einem 19-seitigen Katalog vorgeschrieben, wie die Bundesligarasen beschaffen sein müssen. Es geht dabei um Scherfestigkeit, Wasserinfiltrationsrate oder Schnitthöhe, die am Spieltag zwischen 25 und 28 Millimeter betragen darf. Wie werden diese Werte überprüft?
Grimm: „Wir messen alles viermal im Jahr selbst und pflegen diese Werte dann in eine spezielle Datenbank auf der DFL-Website ein.“

Und Ihr Rasen ist wie hoch?
Grimm: „Wir mähen zumeist auf 22 bis 26 Millimeter, ab 28 Millimeter würden die Spieler meutern, weil dann der Ball nicht mehr gut rollen würde.

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Keine Chance für Unkraut

Erlauben Sie auf Ihrem Stadionrasen Gänseblümchen?
Grimm: „Ich schon, aber es hat keine Chance. Unsere Rasen werden ständig gemäht, manchmal sogar zweimal am Tag. Bei so einer Schnittfrequenz und mit einer Schnitthöhe von 24 Millimetern wächst kein Unkraut, erst recht kein Gänseblümchen.“

Moderne Stadien haben hohe Tribünen, die den Lichteinfall stark limitieren. Das ist doch Gift für jeden Rasen?
Grimm: Ja, wir haben deswegen spezielle Beleuchtungsanlagen, „Growing Lights“ genannt. Ohne diese Technik würden wir keinen Rasen mit Bundesligaanspruch hinbekommen, vor allem nicht ab Herbst bis etwa zum Februar. Für diesen energieintensiven Prozess nutzen wir unter anderem den Strom aus unseren eigenen Photovoltaikanlagen.“

Themen Rasen
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