30. August 2023, 17:54 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Die Begriffe „Hochdruckreiniger“ und „Kärcher“ werden häufig synonym verwendet – und das mittlerweile auch außerhalb Deutschlands. Sogar in den Duden hat es das Traditionsunternehmen aus dem schwäbischen Winnenden geschafft. myHOMEBOOK hat mit Christian May, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands und Vorstand Vertrieb, Marketing und Service, über die Kehrwoche, die Farbe Gelb und das Reinigen in der Zukunft gesprochen.
myHOMEBOOK: Im ersten Halbjahr 2023 konnte Kärcher einen Umsatz von 1,75 Milliarden Euro erwirtschaften und damit um rund 5 Prozent zulegen. Der Vorstandsvorsitzende Hartmut Jenner sprach allerdings von einem „volatilen Marktumfeld“ und „herausfordernden Rahmenbedingungen“ im zweiten Halbjahr, die jetzt zu bewältigen sind. Dafür bräuchte es innovative Lösungsansätze. Welche könnten das denn sein?
Christian May: „Die Wirtschaft ist noch nicht so in den Tritt gekommen, wie wir es uns vielleicht alle wünschen würden. Es sind zwar immer wieder mal ein paar Lichtblicke zu sehen, aber im Großen und Ganzen ist die Auftragseingangslage für die Wirtschaft nicht ganz rosig. Das können Sie bei den großen Verbänden verfolgen, aber auch bei unseren Hauptzielgruppen im Bau- und Baunebengewerbe. Da gibt es schon eine deutliche Sorge aufgrund der Auftragsrückgänge.“
Aber Kärcher verkauft doch auch an Endverbraucher …
„Ungefähr die Hälfte unseres Geschäfts umfasst gewerbliche Endkunden mit Profiprodukten, die andere Hälfte private Konsumenten. Natürlich hat sich nach Corona die Situation wieder etwas verändert. Jetzt ist es einerseits so, dass die Leute wieder mehr reisen, Geld für andere Dinge ausgeben. Auf der anderen Seite ist durch die gestiegenen Preise und durch die Inflation aber auch nicht mehr so viel Geld da. Das sind die Herausforderungen, mit denen wir umgehen müssen. Hinzu kommen noch die Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit. Da müssen wir Produkte und Services anbieten, die all diesen Kriterien und den Anforderungen sowohl der Kunden als auch der Gesetze entsprechen.“
Corona als Auslöser für Dampfreiniger-Boom
In einem Podcast sagte Herr Jenner, dass zu Beginn des Jahres 2020 im asiatischen Raum, also ganz zu Beginn der Corona-Pandemie, sehr viele Dampfreiniger verkauft wurden. Haben Sie das auch in den Absatzzahlen bemerkt?
„Natürlich. Die Pandemie war ein großer Auslöser für den Absatz der Dampfreiniger, die ja sehr hygienisch reinigen und mit ihrer hohen Reinigungswirkung neben Schmutz und Ablagerungen auch 99,99 Prozent aller haushaltsüblichen Bakterien und 99,999 Prozent aller Coronaviren auf glatten Oberflächen beseitigen. Gerade im asiatischen Markt war das sehr gefragt, sodass wir da sehr gute Absätze hatten.“
Gibt es in Asien generell ein höheres Bedürfnis nach Hygiene und Sauberkeit?
„Ich glaube, das Thema Dampfreinigung ist in diesen Märkten stärker ausgeprägt. Da wird noch mal mehr Wert daraufgelegt, Keime und Bakterien abzutöten. In Europa ist man vielleicht ein bisschen entspannter.“
„Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir Marktführer sind“
Heute steht „kärchern“ sogar als Verb im Duden. Das schaffen nicht viele Unternehmen …
„Natürlich sind wir da stolz darauf. Das ist aus meiner Sicht eine herausragende Leistung, als Unternehmen in den Wortschatz überzugehen. In Österreich steht bei ‚kärchern‘ übrigens sogar noch in Klammern ‚mit einem Hochdruckreiniger der Marke Kärcher‘ dahinter. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Herausforderung ist, nicht generisch zu werden. Unsere Produkte müssen immer einen Mehrwert gegenüber allen anderen Wettbewerbsprodukten bieten. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir in dem Bereich Marktführer sind. Wir müssen jeden Tag überlegen, was wir besser machen können.“
Apropos Fluch und Segen: In Frankreich wurde „kärchern“ von Nicolas Sarkozy wiederholt im Zusammenhang mit Migration missbraucht.
„Das ist genau so ein Thema, wenn ein Unternehmen in den Sprachgebrauch übergeht. Damals ging es darum, die ‚Vororte zu säubern‘. Da wurde das Wort ‚karchériser‘ benutzt. Wir haben uns dagegen gewehrt, übrigens auch mit sehr viel Rückendeckung aus der Bevölkerung. Wir haben dann Statements in allen großen Tageszeitungen abgegeben und uns auch klar davon distanziert, dass wir beim Thema Reinigung und Säubern nicht in einen politischen Zusammenhang gesetzt werden wollen. Das ist nicht unser Thema.“
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Darum sind die Hochdruckreiniger von Kärcher gelb
Kärcher hat sich bei seinen Produkten für die Farbe Gelb entschieden. Eine Farbe, die nicht zwangsläufig an Reinlichkeit und Sauberkeit erinnert.
„Ursprünglich waren die Produkte blau. 1950 hatte Alfred Kärcher den ersten europäischen Heißwasser-Hochdruckreiniger erfunden. Er führte eine Reparatur durch und hat dann festgestellt, dass man den Dampfreiniger mit einer zugeschalteten Pumpe noch verbessern kann. Die Hausfarbe damals war Hammerschlag-Blau und nicht Gelb, und auch die Produkte waren blau. Es gibt auch heute noch vereinzelte blaue Hochdruckreiniger, aber die sind dann sehr alt.“
Und dann kam das Gelb …
„Das Unternehmen war früher sehr divers und hat weitere Dinge hergestellt, die keine Hochdruckreiniger sind. Irgendwann stand die Frage im Raum, in welche Richtung sich das Unternehmen weiterentwickeln sollte. Nach dem Durchforsten des Portfolios wollte man sich auf eine Produktkategorie konzentrieren. 1974 entschied man sich dann für die Hochdruckreiniger. Um den Strategiewechsel nach außen klar auszudrücken, hat man auf etwas Neues gesetzt und die Hausfarbe von Hammerschlag-Blau auf das heutige Zink-Gelb gewechselt. Das haben wir übrigens noch ein zweites Mal getan, allerdings weniger auffällig.“
Weil Gelb doch nicht die ideale Farbe ist?
„Sie beschäftigen sich ja vor allem mit den Endkunden, da sind die Hochdruckreiniger immer noch gelb. Für den gewerblichen Bereich sind sie in der Zwischenzeit anthrazit. Wir wollten eine klare Unterscheidung treffen und haben dann eine Abgrenzung vorgenommen, indem wir alle gewerblichen Produkte anthrazit mit gelben Elementen gestalten.“
Gelb wurde also aus dem gewerblichen Bereich eher verdrängt.
„So ist es. Im Industrieumfeld ist Gelb auch immer eine Signalfarbe, in bestimmten Bereichen möchte man das nicht. Reinigungsgeräte, die im Hotel tagsüber die Flure saugen, sollten nicht auffallen. Das soll möglichst unauffällig geschehen, da möchte ich keine quietschgelben Sauger haben, die ins Auge stechen.“
Wie sehr unterscheidet sich bei Anthrazit und Gelb das Innenleben der Geräte?
„Da geht es vor allem um die Lebensdauer. Gewerbliche Geräte sind für den täglichen Einsatz gemacht, Geräte für private Kunden werden nur sporadisch eingesetzt. Ein Hochdruckreiniger in einer Autowaschanlage läuft jeden Tag acht Stunden, und das viele Jahre lang, während der Hochdruckreiniger im privaten Bereich nur ein paar Mal pro Jahr läuft. Es geht also um die Nutzungsdauer. Das gilt eigentlich für alle Gerätekategorien. Und es gibt natürlich auch Unterschiede in der Leistung, da geht es im Profibereich natürlich deutlich weiter nach oben.“
Reinigung steht immer auch in Verbindung mit Schmutz. Bleibt Kärcher immer nur die Firma, die den Dreck wegspritzt?
„Von Schmutz zu befreien ist natürlich nicht so sexy wie ein neues Telefon, aber dennoch eine unglaublich befriedigende Arbeit. Die meisten Leute haben danach ein Grinsen im Gesicht und freuen sich darüber, was sie geschafft haben. Und es muss eben einfach auch gemacht werden.“
Ein häufiger Fehler beim Einsatz von Hochdruckreinigern
Haben Sie vielleicht noch einen persönlichen Reinigungstipp, etwa im Umgang mit einem Hochdruckreiniger?
„Ich sehe immer wieder, dass das Reinigungsmittel falsch angewandt wird. Viele Leute reinigen nämlich von oben nach unten, wenn das Reinigungsmittel aufgetragen wurde. Oben zu beginnen ist per se gut, aber das Wasser läuft dann nach unten und spült das Reinigungsmittel einfach weg. Besser wäre es, von unten nach oben zu reinigen. Ein anderer Tipp betrifft die Reinigung von Holzterrassen. Viele verwenden hier einen Hochdruckreiniger. Bei den Terrassen geht der Trend allerdings stark zu heimischen, druckimprägnierten Hölzern, die nicht so stabil sind wie Tropenhölzer. Deshalb empfehle ich hier einen Terrassenreiniger mit Walzenbürsten, der deutlich schonender ist. Die Hölzer sind in der Regel auch nicht so stark geriffelt, die lassen sich super mit Walzenbürste und Wasser reinigen.“
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Alles „Made in Germany“ – oder etwa nicht?
Der Kärcher Firmensitz ist im schwäbischen Winnenden, die Produkte stehen für „Made in Germany“. Aber wie viel von einem Kärcher-Hochdruckreiniger kommt tatsächlich aus Deutschland?
„Grundsätzlich versuchen wir, in den Regionen zu produzieren, in denen die Produkte abgesetzt werden. Wir haben ein weltumspannendes Produktionsnetzwerk mit Werken auf allen Kontinenten, in denen wir die Produkte herstellen und entsprechend auch vertreiben. Wir haben Werke in den USA, Brasilien, China, Rumänien, Deutschland oder Italien, also eigentlich auf der ganzen Welt verteilt. Unsere Herausforderung dabei ist, dass wir in jedem Werk die gleiche Qualität produzieren wollen. Das größte deutsche Werk ist im Oberen Bühlertal in der Nähe von Schwäbisch Hall. Dort fertigen wir Dampfreiniger verschiedenster Klassengrößen – und die sind dann ‚Made in Germany‘.“
Also wird alles wirklich hier produziert?
„Auch unsere Zulieferer sitzen zu allergrößten Teilen hier in der Region beziehungsweise im Umfeld. Vielleicht kommt mal ein einzelnes Teil aus China oder aus Übersee – aber es würde keinen Sinn ergeben, alle Komponenten aus Übersee zu holen und dann in Deutschland zusammenzuschrauben.“
Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen der schwäbischen Kehrwoche mit Kärcher?
„Einen direkten Zusammenhang gibt es nicht. Allerdings ist das Thema Reinigen für die Menschen hier schon ein ausgeprägtes Thema. Im Schwäbischen ist es immanent, weil diese Woche über viele Jahre kultiviert wurde und natürlich in den Köpfen der Menschen ist. Vielleicht gibt es einen indirekten Zusammenhang bei der Entwicklung von Produkten, wenn da im Hinterkopf diese Stimme mitschwingt.“
»Ein Hochdruckreiniger verbraucht weniger Wasser als ein Wasserschlauch
Hochdruckreiniger benötigen zwar keine weiteren Putzmittel, aber Wasser – ein kostbares Gut in der heutigen Zeit.
„Das ist tatsächlich ein wichtiges Thema für uns. Was die Wenigsten wissen: Durch einen Hochdruckreiniger fließt im Verhältnis ungefähr 20 Prozent der Wassermenge, die durch einen Wasserschlauch fließt. Es ist also sinnvoller, einen Hochdruckreiniger einzusetzen, als zu versuchen, mit einem Wasserschlauch und einer normalen Spritzpistole zu putzen. Sie sind deutlich effektiver und schneller, weil wir mit entsprechender Düsentechnik auch eine gewisse Reinigungswirkung sicherstellen können. Ich sehe immer noch ab und zu Leute, die den Wasserschlauch vorn zusammendrücken, damit ein festerer Strahl entsteht. Das ist natürlich nicht mit der Wirkung eines Hochdruckreinigers vergleichbar.“
Ganz ohne Wasser geht es aber nicht …
„Fast alle von unseren Modellen können mit Regenwasser arbeiten, sie müssen also nicht mit Frischwasser betrieben werden. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Dinge, die wir in unseren Werken tun können. Da geht es vor allem auch um die Testeinrichtungen. In all unseren Werken fahren wir bereits die Testeinrichtungen mit Recyclingwasser. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das uns viel beschäftigt. Dem versuchen wir Rechnung zu tragen.“
Wie reinigen wir in der Zukunft?
Nachhaltig ist es auch, wenn man nur nach Bedarf reinigt – und nicht nach Plan. Teilweise wird dieses „dynamische Reinigen“ bereits genutzt. Ist das Konzept auch für den Privatgebrauch denkbar?
„Jein. Ich glaube, es wird wahrscheinlich in vielen Bereichen schon so gemacht, auch im Privatbereich. Man reinigt, weil man sieht, dass es schmutzig ist.“
Viele Keime sieht man aber nicht …
„Das stimmt. Im gewerblichen Bereich ist das bereits ein großes Thema. Da wird tatsächlich nur dann reinigt, wenn die entsprechenden Verschmutzungen auftreten. Dafür haben wir nicht nur die Geräte, sondern auch entsprechende Software und Sensoren.“
Haben Sie ein Beispiel?
„Das einfachste Beispiel sind sicherlich Toiletten an Flughäfen. Früher gab es diese Stundenpläne, bei denen einfach jede Stunde gereinigt wird. Die meisten Menschen fliegen allerdings morgens und abends, nicht tagsüber – die Nutzung der Sanitärräume erfolgt daher auch vor allem morgens und abends. In einer Stunde wird sich tagsüber keine große Menge an Keime aufbauen, über den Tag muss ich also nicht jede Stunde reinigen. Aber vielleicht sollte ich abends und morgens halb- oder sogar viertelstündlich reinigen, weil eben mehr Menschen da sind. Und genau das macht man mittlerweile auch, indem man die Frequenzen über Sensoren misst und schaut, wie viele Leute drin waren und wann ich reinigen muss. Auf Messen haben wir heute auch Sensorik in den Papierspendern. Wenn die leer sind, bekommen die Reinigungskräfte eine Meldung und füllen bei Bedarf entsprechend auf.“
Wie sieht es mit dem Einsatz von Robotern aus?
„Dann wird aus dynamischem Reinigen doch wieder ein kontinuierliches Reinigen. Ein Roboter verursacht schließlich keine Personalkosten. Das zeigt sich aber auch im privaten Bereich. Früher hat man ein- oder zweimal pro Woche gesaugt, heute kann man den Saugroboter jede Nacht oder tagsüber laufen lassen, wenn man nicht zu Hause ist. Auch da haben wir eine kontinuierliche Reinigung und erzielen gute Effekte. Man könnte auch im privaten Bereich Keimproben durchführen, aber das ist sehr aufwendig. Man kann sich allerdings Reminder stellen und einstellen, wie lang der Zeitraum zwischen den Reinigungen sein soll. Dazu gibt es auch schon Apps und Software, das steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Im gewerblichen Bereich sind wir da schon deutlich weiter.“
Welche weiteren Innovationspotenziale sehen Sie im Smarthome-Bereich?
„Hier gibt es einige Potenziale, bei den Saugrobotern zum Beispiel. Aber auch bei Dingen, die man nachbestellen muss, etwa bei Filtern. Hier kann man Verknüpfungen herstellen. Und auch im Bereich der Reinigungstipps. Wo finde ich die Lösung für mein Problem? Mit welcher Methodik sollte ich reinigen? Die Einbindung von Produkten in das Smarthome wird kommen. Moderne Roboter lassen sich beispielsweise auch zur Raumüberwachung einsetzen.“
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»Auf diese Produkte könnte ich nicht verzichten
Sie haben doch sicher einige Kärcher-Produkte zu Hause – auf welches könnten Sie nicht mehr verzichten?
„Puh, das ist eine ganz schwierige Frage. Ich möchte die Antwort gerne zweiteilen. Meinen Alltag erleichtert am meisten mein Saugroboter, der läuft jeden Tag. Das ist schon eine große Hilfe, könnte man aber auch mit dem normalen Staubsauger machen. Und dann würde ich außerdem nicht auf meinen Hochdruckreiniger verzichten, weil es dazu keine Alternative gibt. Egal, ob ich meine Terrasse säubern muss oder die Jurasteine, die ich als Gartenbefestigung habe – das geht nur schwer von Hand. Zudem würde ich nicht das gleiche Ergebnis erzielen, egal, wie sehr ich mich anstrenge.“