3. Mai 2022, 16:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein- oder zweimal getragen, dann wandern OP-Masken oder Corona-Masken in den Müll. Und werden so zum ernsten Umwelt-Problem. US-Forscher haben eine Lösung, und die heißt: Beton. Andere Experten zeigen sich jedoch kritisch.
Seit der Corona-Pandemie hat sich ein gigantisches Abfallproblem angehäuft. Zig Milliarden blauer OP-Masken wandern nach Gebrauch in den Müll. Und das sind weltweit sehr, sehr viele. Alleine in Deutschland wurden 1,4 Milliarden Schutzmasken für Mund und Nase importiert – und zwar nur im Januar 2021. Unsachgemäß entsorgt, stellen die benutzten Masken zudem eine ernste Gefahr für die Umwelt dar. Das wollten Forscher aus den USA nun ändern. Sie haben eine Methode entwickelt, mit der Beton mithilfe von OP-Masken noch stabiler wird. Gleichzeit soll die Umwelt geschont werden.
Wie OP-Masken Beton noch härter machen
Xianming Shi ist Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen an der Washington State University (USA). Für das von ihm und seinem Forscherteam entwickelte Verfahren werden die Masken zuerst von Metallteilen und Schlaufen befreit. Anschließend wird der übrig gebliebene Stoff in einer speziellen Lösung getränkt. Das Material löst sich dann in winzige Mikrofasern auf. Anschließend mischen die Forschenden die Fasern unter Zementbeton.
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Beton wird dank OP-Masken fast 50 Prozent stabiler
Sobald der Beton aushärtet, ist er extrem bruchsicher. Shi schreibt in einer Machbarkeitsstudie, die in der Fachzeitschrift „Materials Letters“ veröffentlicht wurde, dass die Zementmischung nach einem Monat stolze 47 Prozent härter ist als normaler Zement. Der Grund: Die in den Zement gemischten Mikrofasern leiten sogenannte „Bruchenergie“ ab. Es bilden sich weniger Risse, der Beton wird haltbarer.
Warum OP-Masken schlecht für die Umwelt sind
Die blauen OP-Masken sind wahre Wegwerfprodukte. Was viele nicht wissen: Das Material besteht in der Regel nicht aus Naturfasern wie zum Beispiel Baumwolle, sondern aus Polypropylen oder Polyester. Diese Kunststoffe sind biologisch nicht abbaubar und müssen recycelt oder umweltgerecht entsorgt werden. Beides ist mit großem Aufwand verbunden. Die US-Forscher hoffen, dass ihr neues Verfahren beiträgt, das Abfallproblem zu senken. Darüber hinaus könnten weitere Umweltprobleme angegangen werden.
Der neue Beton soll Kosten und Ausstoß an CO2 einsparen
Generell wird Beton schon seit längerem durch Zumischung von Mikrofasern verstärkt. Allerdings ist das Verfahren teuer und es kommen nur Hochleistungsmaterialien zur Anwendung. Die US-Forscher sagen nun, dass ihre entwickelte Methode den Prozess vereinfacht und preisgünstiger macht. So ist Zement teuer, als Bindemittel allerdings unerlässlich. Durch das neue Verfahren könnte jedoch neben der Menge an Zement auch der Ausstoß an CO2 verringert werden. Hintergrund: Auf das Konto der energiehungrigen Zementindustrie gehen weltweit rund acht Prozent des Klimakillers.
Deutsche Forscher sind skeptisch
Wie der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtet, zeigen sich Experten vom Institut für Baustoffe an der Technischen Universität zu Dresden (Sachsen) skeptisch gegenüber dem neuen Verfahren ihrer US-Kollegen. Es sei zwar möglich, dass sich durch feinverteilte Recyclingfasern aus Polypropylen oder Polyester frühzeitig weniger Risse im Beton bildeten. Das seien dann aber Hochleistungsmaterialien. Die Fasern von OP-Masken, die dem Beton zugemischt werden, seien hingegen niedermodulig und dehnwillig. Ob dadurch die mechanische Festigkeit erhöht und der neuartige Beton mehr Belastung aushält? Fraglich.
Ohnehin würden Mikrofasern im Beton die benötigte Zementmenge nicht reduzieren, sondern eher erhöhen, heißt es im Beitrag von MDR Wissen. Denn die zusätzliche Faseroberfläche müsse ebenfalls mit Zementleim benetzt werden. Die Mikrofasern der OP-Masken könnten zumindest helfen, die Rissbildung im Beton zu minimieren.
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Weitere Studien geplant
Nichtsdestotrotz planen die US-Forschenden um Professor Shi weitere Studien. Sie wollen wissen, inwieweit Beton mit Fasern von OP-Masken haltbarer und frostbeständiger ist. Die Wissenschaftler interessiert zudem, ob weitere Kunststoffe, zum Beispiel aus gebrauchten Textilien, für ihr Verfahren Anwendung finden könnten.