5. Dezember 2023, 11:10 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Es gibt nur wenige Marken aus Deutschland, die eine derart große Bekanntheit haben wie Bosch. Das Traditionsunternehmen gilt immer noch als Inbegriff für Qualität „made in Germany“, sowohl bei Profis als auch Hobby-Heimwerkern. myHOMEBOOK hat mit Thomas Baader, Chef von Bosch Home & Garden, unter anderem über Nachhaltigkeit, damit einhergehende Herausforderungen sowie den Produktionsort China gesprochen.
myHOMEBOOK: Während der Coronapandemie erfreute sich DIY, Heimwerken und Gartenarbeit großer Beliebtheit. Dies zeigte sich auch in den Umsatzzahlen bei Bosch Power Tools: 2021 und 2022 waren Rekordjahre. Setzt sich dieser Trends 2023 fort?
Thomas Baader: „Die Pandemiejahre waren sehr umsatzstark. Das war sicher auch stimuliert durch die Tatsache, dass Urlaub kaum möglich war. Das Haushaltsbudget wurde nicht für Reisen ausgegeben, sondern für Dinge, die man zu Hause machen konnte. Und davon haben wir mit unserem Angebot an Tools für Heimwerker ganz klar profitiert. Das ist heute nicht mehr so. Dieses Jahr ist gekennzeichnet von starker Verunsicherung seitens der Verbraucher: Inflation, steigende Energiepreise, wirtschaftliche Unsicherheit, aber auch Rezessionsängste. Insofern ist das Kaufverhalten deutlich zurückhaltender im Vergleich zu den Vorjahren. 2023 sind wir wieder auf einem härteren Boden unterwegs und müssen uns auch tatsächlich entsprechend aufstellen.“
Was heißt das konkret für Ihren Bereich?
„Wir reagieren zum Beispiel, indem wir kurzfristig wirksame Kostensparmaßnahmen einsetzen. Wir sind sparsamer, was etwa Reisetätigkeit anbelangt. Außerdem sind wir gerade dabei, uns organisatorisch neu aufzustellen, um damit langfristig noch effizienter zu werden. Dabei lassen wir keine Stufe der Wertschöpfungskette aus.“
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Der Unterschied zwischen blauen und grünen Bosch-Geräten
Bosch Power Tools unterscheidet zwischen den blauen Profi- und grünen Heimwerker-Produkten. Gibt es außer der Farbe noch Unterschiede?
„Sogar eine ganze Reihe. Ein Heimwerker-Tool wird mehrmals pro Jahr genutzt, während ein Profi-Produkt mehrmals pro Tag zum Einsatz kommt. Damit haben Sie unterschiedliche Anforderungen an die Langlebigkeit des Produktes. Ein weiterer Unterschied: Professionelle Verwender verstehen die Tools in der Regel in der Tiefe und müssen nicht angeleitet werden. Dagegen muss ein Heimwerker-Tool intuitiv sein und schnell verstanden werden – auch von Menschen, die es nicht täglich verwenden. Dies reflektiert sich dann tatsächlich auch in der Entwicklung. Wer ein grünes Bosch-Tool kauft, kauft nicht nur eine andere Farbe, sondern auch ein anderes Innenleben.“
… und seit 2020 auch die Möglichkeit, die in vielen Bosch-Produkten steckenden Akkus auch in Geräten anderer Hersteller wie etwa Gardena zu nutzen. Wie kam es zu der Initiative, die sich „Power For All Alliance“ nennt?
„Kunden wollen nicht für jedes unterschiedliche Gerät gezwungen sein, eine weitere Batterie mit Ladegerät kaufen zu müssen. Mit unserer Akku-Allianz bieten wir ein großes Sortiment unserer eigenen Produkte bei großer Nutzbarkeit des vorhandenen Akkus. Allerdings – und das ist der große Unterschied zu anderen Herstellern – bieten wir auch die Auswahl zwischen mehreren Herstellern und Marken, und zwar auch teilweise in ähnlichen Produktkategorien. Gardena hat Garten-Tools und Bosch auch. Da stehen wir durchaus im Wettbewerb, bieten aber dem Verwender die Möglichkeit, bei der Marke bleiben zu können, die ihm am meisten liegt und bei der er gute Erfahrungen gesammelt hat.“
„Staatliche Regulierung sollte eigentlich immer nur der letzte Ausweg sein“
Im Fall von Gardena ist die Allianz gar nicht so selbstlos, wie sie wirkt. Bosch hat sich schließlich an der Husqvarna AB beteiligt, die zur gleichen Firmengruppe zählt, zu der auch Gardena gehört. Dennoch: Haben Sie keine Bedenken, dass die Kunden möglicherweise abwandern?
„Das kann schon sein, dass hier und da tatsächlich die Entscheidung gegen ein Bosch-Gerät und für ein Gardena-Gerät getroffen wird. Das nehmen wir in Kauf. Wir sind selbstbewusst und gelassen genug, um zu sagen, dass wir überzeugende Produkte mit einem guten USP und einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Was diesen Wettbewerb anbelangt, sind wir gelassen, ebenso wie es auch unsere Partner sind. Wir glauben, dass der Nutzen am Ende des Tages für alle Hersteller, die an dieser Plattform beteiligt sind, größer ist.“
Heißt das, Bosch Power Tools wünscht sich bei den Akkus eine EU-Regulierung wie bei den Ladekabeln am Handy, also: Kompatibilität der Akkus für alle Geräte einer Kategorie?
„Ich würde sagen, dass wir grundsätzlich immer die privatwirtschaftliche Lösung bevorzugen. Eine staatliche Regulierung sollte eigentlich immer nur der letzte Ausweg sein, wenn die Wirtschaft nicht in der Lage ist, eine Lösung herbeizuführen. Wir glauben aber, dass wir mit unserer Akku-Allianz auch den Beweis liefern können, dass es möglich ist, herstellerübergreifend zu kooperieren – zum Nutzen der Verwender und letztlich auch zum Nutzen der Umwelt. Eine staatliche Regulierung wäre hierbei nicht unmittelbar erforderlich.“
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»Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Verkaufsargument – auch bei Profis
Bosch scheint das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig zu nehmen: Seit 2020 sind bereits alle Standorte klimaneutral, und kürzlich sind Sie eine Kooperation mit dem WWF eingegangen …
„Die Bosch-Gruppe ist mit ihren weltweit mehr als 400 Standorten seit 2020 insgesamt CO₂-neutral, bezogen auf Scope 1 und 2. Damit sind nach der Definition des Greenhouse Gas Protocol Kategorien für Treibhausgas-Emissionengemeint: Scope 1 umfasst die direkte Freisetzung klimaschädlicher Gase im eigenen Unternehmen, Scope 2 die indirekte Freisetzung klimaschädlicher Gase durch Energielieferanten. Verbleibende Emissionen in Höhe von 0,7 Millionen Tonnen CO₂ wurden im Jahr 2022 durch Carbon Credits kompensiert.“
Wie wichtig ist all das in Bezug auf Ihre Kunden?
„Jemand, der gerne im Garten arbeitet, der ist automatisch mehr an Themen wie Natur, Nachhaltigkeit und Umweltschutz interessiert. Insofern ist das ein großes Verkaufsargument. Übrigens ist das auch bei den Profis so. Da ist das Thema Nachhaltigkeit neben den schon genannten Themen wie Produktivität, Langlebigkeit oder Qualität sehr hoch angesiedelt.“
Für Akkus werden aber weiterhin auch Seltene Erden verwendet, etwa Materialien wie Lithium, die teils unter problematischen Bedingungen abgebaut werden. Wie gehen Sie damit um?
„Wir sind uns des Themas bewusst. Insofern analysieren und zertifizieren wir unsere Lieferanten, ob sie auch die entsprechenden Standards erfüllen, die teilweise auch von internationalen Organisationen vorgegeben sind. Wir gehen bei der Lieferantenauswahl sehr restriktiv vor, weil wir keine Elemente in unserer Wertschöpfungskette haben möchten, die diesen Standards nicht entsprechen. Das bedeutet auch eine in Summe geringere Auswahl von infrage kommenden Lieferanten. Und das wirkt sich teilweise auch auf den Preis aus. Diesen Effekt nehmen wir aber in Kauf, weil wir uns der Problematik bewusst sind.“
»Wir können nicht jedes Detail bis zum Ursprung nachverfolgen
Ist diese Wertschöpfungskette noch nachvollziehbar bis zum Ort der Beschaffung?
„Zu unseren Unternehmenswerten gehört es, wirtschaftlich und verantwortungsvoll zum Wohl von Gesellschaft sowie Umwelt zu handeln. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wir können nicht jedes Detail bis zum Ursprung nachverfolgen. Was wir können, ist sicherzustellen, dass alle Hersteller an die hohen Vorgaben von Bosch zu Inhaltsstoffen gebunden sind und nach Bosch-Standards zertifiziert werden.“
Firmengründer Robert Bosch hat 1920 gesagt: „Sei Mensch und ehre Menschenwürde“. Ist das Zitat vereinbar mit der massiven Expansion nach China, wo Menschenrechte systematisch missachtet werden?
„Für einen global agierenden Geschäftsbereich wie Bosch Power Tools ist es essenziell, auch diesen Markt zu bedienen, auch nach dem Prinzip ‚local for local‘ oder ‚Region für Region‘. Natürlich beobachten wir aktuelle Entwicklungen im Land genau und analysieren kontinuierlich mögliche Herausforderungen.“
Was bedeutet das?
„Dass wir dort auch Produktionsstätten aufrechterhalten und die Kolleginnen und Kollegen dort zu unserem Erfolg beitragen. Und das Zitat von Robert Bosch gilt ja unabhängig vom politischen System, in dem Sie sich bewegen.“
Das müssen Sie uns erklären …
„Bei Bosch schätzen wir Menschen unabhängig von ihrer religiösen Orientierung, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters oder ihrer Hautfarbe – und das auch in Ländern, deren demokratischer Standard nicht hundertprozentig mit unserem übereinstimmt. Wir können als Firma auch in China die Bosch-Werte leben und insofern auch ein Vorbild für die dortige Gesellschaft sein.“
Wie Bosch Power Tools mit Fake-Produkten umgeht
In China sind in Deutschland gefertigte Produkte sehr gefragt, gleichzeitig werden in dem Land massenweise Nachahmungen deutscher Artikel produziert. Wie gewährleistet Bosch Power Tools, nicht als Kopiervorlage missbraucht zu werden?
„Wenn man heute ein Produkt entwickelt und das Produkt frei vermarktet, ist man nie davor gefeit, dass irgendjemand das Produkt nachbaut. Insofern gibt es da keine absolute Sicherheit. Aber wir können den Markt sehr genau beobachten. Welche Produkte weisen beispielsweise Patentverletzungen auf, sind vom Design her eine eindeutige Kopie oder möglicherweise sogar Fake? Solche Fälle verfolgen unsere Juristen, bringen sie – wenn möglich – entsprechend zur Anzeige und versuchen auf legalem Weg, die ordnungsgemäße Vermarktung sicherzustellen. Damit machen wir solchen Kopierfirmen das Leben schwerer. Dennoch, es wäre zu weit gesprungen, zu sagen, dass wir in der Lage sind, das alles abzustellen – ebenso wenig, wie es andere renommierte Markenhersteller können.“
»Die positiven Seiten der künstlichen Intelligenz nutzen
Das Thema KI ist 2023 allgegenwärtig gewesen. Bei Bosch Power Tools auch?
„Künstliche Intelligenz wird alle Lebensbereiche revolutionieren. Das ist eine industrielle Revolution, die uns da ins Haus steht. Und wir sind als Bosch Power Tools daran interessiert, die positiven Seiten der künstlichen Intelligenz nutzbar zu machen. Das betrifft tatsächlich auch alle Bereiche – von der Entwicklung bis hin zur Produktion, aber auch die Vermarktung. Bosch Power Tools wird sich KI nutzbar machen – und zwar in Übereinstimmung mit den Firmenwerten, das heißt: immer zum Wohle des Menschen.“
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Alles „Made in Germany“ – oder doch nicht?
Bosch wurde in Stuttgart gegründet und ist mittlerweile ein internationaler Player, dessen Erfolg in Teilen immer noch auf den Faktor „Made in Germany“ beruht? Wie viel wird denn tatsächlich noch hier produziert?
„Bosch Power Tools ist ein international tätiges Unternehmen mit einem globalen Entwicklungs-, Fertigungs- und Vertriebsverbund. Wir arbeiten in diesem Verbund weltweit nach einheitlich hohen Qualitätsstandards. Das wissen auch unsere Kunden, wie unsere Marktforschung belegt. In Deutschland haben wir in Summe vier Werke, die auch einen entsprechenden Output produzieren.“
Welches Produkt aus dem Bosch-Sortiment würden Sie einem jungen Paar, das in die erste gemeinsame Wohnung zieht, schenken?
„Ich würde ihnen einen ‚Ixo‘ schenken. Das ist unser kleiner Akkuschrauber, den wir vor 20 Jahren eingeführt und der sich in der nunmehr siebten Generation in Summe mehr als 20 Millionen Mal verkauft hat. Mit ihm kann man schrauben, befestigen und Möbel zusammenbauen. Und wenn die beiden dann ihre Wohnung eingerichtet haben und die Flasche Wein auf den fertig montierten Tisch kommen kann, dann würde ich sagen, nehmt euren Ixo, entkorkt die Flasche mit dem Korkenzieher-Aufsatz und genießt euer neues Heim.“