12. Juni 2023, 11:05 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Unkraut zwischen Steinplatten sieht alles andere als gepflegt aus. Doch eine Studie aus Spanien zeigt jetzt, dass die unliebsamen Pflanzen sogar von großem Nutzen sein könnten.
Mit der Zeit wächst zwischen Steinplatten immer mehr Unkraut. Für die meisten Menschen ist das alles andere als schön. Zum einen, weil es ungepflegt aussieht – zum anderen, weil es viel Arbeit macht, das Unkraut zu entfernen. Doch was wäre, wenn man sich diese Arbeit sparen könnte, weil das Grün zwischen den Platten sogar sinnvoll ist? Der spanische Stadtplaner und Architekt Ángel Panero hat rein zufällig entdeckt, dass Unkraut zwischen Pflasterritzen unter anderem gegen Hitze helfen kann.
Großer Platz war menschenleer – und grün
Panero ist für die Instandhaltung und Sanierung des historischen Zentrums in der Stadt Santiago de Compostela zuständig. Und genau dort machte er seine überraschende Beobachtung, berichtet das Wissenschaftsmagazin „Spektrum.de“. Während des Lockdowns überquerte er den großen Platz vor der Wallfahrtskathedrale von Santiago de Compostela. Aufgrund der Pandemie war es menschenleer und grün.
Zwischen den Fugen der Granitplatten hatten sich unzählige kleine grüne Pflänzchen angesiedelt – nicht so gern gesehenes Unkraut. Doch Panero fand Gefallen an der Vorstellung von grünen Pflänzchen in Fugen und überlegte, welchen Vorteil sie haben könnten.
44 Sorten von Unkraut entdeckt
Im nächsten Schritt machte die Universität von Santiago de Compostela eine Bestandsaufnahme der Pflänzchen, die sich zwischen den Steinplatten gebildet hatten. Fachleute sollten herausfinden, welche Pflanzen dort wuchsen, welche schädlich für den Boden sind und welche sogar Vorteile bringen könnten. Insgesamt wurden dabei 44 Sorten identifiziert.
Bei der Untersuchung wurde aber noch eine andere interessante Entdeckung gemacht. Wenn im Sommer die Sonne auf die Granitplatten scheint, dann können sich die schon mal auf bis zu 55 Grad Celsius aufheizen – und das bei einer Tagestemperatur bei um die 30 Grad Celsius.
Als die Fachleute mit einer Wärmebildkamera die von Unkraut umwachsenen Steinplatten filmten, machten sie eine spannende Entdeckung: Der Boden war deutlich kühler – teils sogar um bis zu 28 Grad. Das Unkraut hat also dabei geholfen, die Hitze zu reduzieren. Für Besucher ist das allerdings nicht von großer Bedeutung – laut „Spektrum.de“ ist der Temperaturunterschied etwa 1,8 Meter vom Boden entfernt, also etwa auf Kopfhöhe, deutlich geringer. Dort sind es nur zwei bis drei Grad weniger.
Pflanzen betreiben Fotosynthese
Der hohe Temperaturabfall kommt laut dem Wissenschaftsmagazin durch die Fotosynthese der Pflanzen zustande. Dafür müssen diese nämlich ihre Poren öffnen, was wiederum dazu führt, dass Wasser aus den Blättern verdunstet. So kühlt die Pflanze die Umgebung ab.
Panero sieht aber noch andere Vorteile: Das Unkraut trägt nicht nur zur Wärmeregulierung bei, es speichert auch CO2 und produziert Sauerstoff. Außerdem wird die Artenvielfalt begünstigt und die Wurzeln der Pflanzen in den Fugen würden die Steine zusammendrücken, wodurch die Stabilität der Platten erhöht würde, so der Architekt.
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Wen der Anblick von Unkraut nicht stört und jetzt Hoffnung hatte, in Zukunft auf das Unkrautjäten verzichten zu können, der wird leider enttäuscht. Denn alles einfach wachsen lassen kann man auch nicht. Die Studie zeigt, dass es gute und weniger gute Pflänzchen gibt.
Dennoch setzt Panero voll auf seine Entdeckung und will die Stadt überzeugen, mehr Unkraut zuzulassen. Seiner Ansicht nach müsste man sich von der Vorstellung befreien, dass eine Mauer schmutzig oder verwahrlost aussehe, wenn dort Moos oder Blümchen wachsen. Mithilfe eines kleinen, abgesperrten Experimentierfelds in der Stadt will er nun die Verantwortlichen von dem Konzept überzeugen.