17. Mai 2022, 17:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Frühling schmeckt nach frischem Grün. Wer neben den bekannten Blattsalaten mal etwas Neues ausprobieren möchte, könnte in die Bäume greifen. Denn viele Laubbäume wie etwa Linden oder Buchen haben essbare Blätter. Sie bereichern Salate, können zu Pestos verarbeitet oder gefüllt werden und manche schmecken auch als Tee.
Wer an essbare Blätter denkt, dem kommen wohl zuerst Salate und Spinate in den Sinn, etwa Mangold oder Kohl, und einige denken vielleicht auch an Weinblätter. An die Blätter unserer Laubbäume aber denken vermutlich die wenigsten. Dabei gibt es eine ganze Reihe essbarer Baumblätter. Junge Lindenblätter genauso wie das zarte Laub von Buchen, Birken, Haselnuss, Spitzahorn und manchen Obstbäumen oder -sträuchern. myHOMEBOOK hat mit der Hamburger Kräuter-Expertin Daniela Wolff über diese wilde Kost gesprochen und stellt im Anschluss an das Interview drei Gehölze mit essbaren Blättern vor.
Essbare Baumblätter – Expertin gibt Tipps
myHOMEBOOK: Warum essen wir so selbstverständlich normale Salate, aber keine Baumblätter?
Daniela Wolff: „Dass man viele Baumblätter essen kann, ist tatsächlich kaum bekannt und überrascht die Leute auf meinen Kräuter-Wanderungen immer sehr. Wir haben uns sehr entfremdet von der uns umgebenden Natur. Bis vor einigen Jahrzehnten war es noch normal, das zu essen, was die Natur anbot oder was man im Garten angepflanzt hat. Aber mit zunehmendem Wohlstand nach dem Ende des 2. Weltkriegs kauften die Menschen lieber im Laden – gerne aus aller Welt. Essen von der Wiese oder von Bäumen geriet zum ‚Arme Leute“-Essen‘ oder sogar zum ‚Not-Essen‘, das an schlechte Zeiten erinnert und verlor so seine Bedeutung.“
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Aber das ändert sich gerade wieder. Die wilde Küche liegt im Trend.
„Ja, absolut. Nicht nur Kräuter-Interessierte, sondern auch die Sterneküche hat die essbaren Baumblätter für sich entdeckt. Meine Oma, die das wilde Essen noch aus alten Zeiten kannte, könnte das sicherlich nicht glauben, wenn ich ihr noch erzählen könnte, dass Menschen für ein paar Blätter sehr viel Geld bezahlen. ‚Verrückt! De Lüü ut de Stadt!‘ würde sie wohl sagen. Ich glaube, wir finden bald einen gesunden Mittelweg zwischen ‚Arme Leute‘-Essen und der Haute Cuisine und werden hoffentlich wieder ’natürlicher mit der Natur‘.“
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Wie schmecken Baumblätter?
„Die meisten Blätter haben einen sehr kräftigen, oft herben, auf jeden Fall aber ungewohnten Geschmack. Aus unseren Kulturpflanzen werden solche Bitterstoffe oft herausgezüchtet, damit sie geschmacksneutraler und damit gefälliger sind. Was aber auch noch wichtig ist: Die Blätter von Bäumen, wie auch die Wildkräuter, überragen in ihrem Mineralstoff- und Vitamingehalt und ihren sekundären Pflanzenstoffen das Kulturgemüse um ein Vielfaches! Wenn man das einmal im Vergleich gesehen hat, fragt man sich, warum man überhaupt noch Salate einkauft.
Aber klar ist natürlich auch, dass wir von den Blättern wegen ihrer starken Geschmäcker nicht so viel essen können wie von einem Kopfsalat. Und satt werden möchten wir ja auch. Außerdem schmecken Baumblätter nicht das ganze Jahr, sondern nur, wenn sie sehr zart sind.“
Welcher Baum ist denn in kulinarischer Hinsicht Ihr Lieblingsbaum?
„Absoluter Top-Tipp ist für mich die Linde. Das ist der allerbeste Baumsalat! Davon kann man, im Gegensatz zu allen anderen Bäumen, richtig viel essen. Die Blätter schmecken ganz sanft und leicht nussig. Sie sind nicht bitter, nicht scharf, nicht ‚gerbstoffig‘, sondern einfach nur angenehm. Direkt vom Baum gegessen oder in Salate gegeben oder als Wraps mit Füllung nach Wunsch.
Mich macht es immer wieder zutiefst glücklich, dass ich einfach so bei einem Spaziergang durch Wälder und Parks so etwas Feines zu Essen finde. Einfach so in Augenhöhe, ohne dass ich es angepflanzt oder gekauft habe. Alles ist da. Das lässt mich ganz anders im Leben stehen – irgendwie vertrauensvoller.“
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Drei Bäume mit essbaren Blättern
1. Linden
Lindenblütentee ist als schweißtreibender Erkältungstee weitgehend bekannt. Dass auch die Blätter essbar sind, wissen hingegen nicht viele. Dabei sind Lindenblätter mit ihrem milden Geschmack perfekt für Einsteiger in den Blattgenuss. Die Pflückzeit beginnt im April und reicht bis in den Juli hinein. Die zarten und noch glänzenden Blätter schmecken am besten. Besonders praktisch für Direktesser: Die Blätter wachsen auch in bequemer Mundhöhe. Wer sie lieber auf den Tisch bringen möchte, kann sie in Salate oder auf Butterbrote geben, wie Spinat kochen oder sie mit Reis oder anderweitig füllen.
2. Buchen
In unseren Wäldern und Parks sind Buchen weit verbreitet. Ihre grünen, anfangs samtig behaarten Blätter erscheinen im April und schmecken überraschend säuerlich, teilweise ähnlich wie Sauerampfer. Sie eignen sich gut für gemischte Salate, schmecken aber auch als Zutat für Pestos, in Smoothies oder auch auf Brot. Direkt vom Baum essen kann man sie natürlich auch.
3. Birken
Birke sind mit ihren jungen, hellgrünen Blättern ein Symbol des Frühlings und werden wegen ihrer entwässernden Wirkung schon seit Jahrhunderten als Arzneipflanze genutzt. Die leicht bitter schmeckenden Blätter können getrocknet oder frisch zu einem Tee aufgegossen und als entschlackender Frühjahrstee getrunken werden. Ebenso kann man die Blätter in Salate geben. Nur Menschen mit Herz- oder Nierenschwäche oder einer Birken-Allergie sollten auf den Blättergenuss lieber verzichten.
Ein paar Tipps zum Sammeln: Pflücken Sie nicht in unmittelbarer Nähe von stark befahrenen Straßen, Industriegebieten, gedüngten oder gespritzten Flächen und achten Sie darauf, immer über „Hundepipihöhe“ zu ernten.