14. April 2021, 17:31 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Das Wissen der Hildegard von Bingen über Heilkräuter ist legendär. Zehn wichtige Pflanzen gedeihen leicht im eigenen Garten, Balkon oder im Topf auf der Fensterbank.
Die deutsche Mystikerin Hildegard von Bingen verfügte über ein erstaunliches Naturheilkunde-Wissen. In dem berühmten Werk „Physica“ (Naturkunde) werden wichtige Fragen zur Ernährung und Verdauung erörtert. Aber auch viele Heilkräuter beschreibt die Äbtissin darin. Die zehn interessantesten Kräuter kann jeder einfach auch im heimischen Garten oder im Topf kultivieren. Die meisten Heilkräuter verwendet man heutzutage als Teeaufguss oder Tinktur.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ringelblume (Calendula officinalis)
- 2. Echte Arnika (Arnica montana)
- 3. Heil-Ziest (Stachys officinalis)
- 4. Baldrian (Valeriana officinalis)
- 5. Bertramwurzel (Anacyclus pyrethrum)
- 6. Andorn (Marrubium vulgare)
- 7. Galgant (Alpinia officinarum)
- 8. Süßholz (Glycyrrhiza glabra)
- 9. Liebstöckel (Levisticum officinale)
- 10. Kümmel (Carum carvi)
- Woher stammt das Wissen über Heilkräuter bei Hildegard von Bingen?
- Hildegard von Bingen lag mit ihren Kenntnissen über Heilkräuter auch daneben
- Experten sehen das Wissen über Heilkräuter der Hildegard von Bingen mitunter kritisch
1. Ringelblume (Calendula officinalis)
Schon in der Klostermedizin des Mittelalters war die Ringelblume eine wichtige Heilpflanze. In späteren Zeiten streckte man mit den gold-gelben Blüten gerne auch mal teuren Safran.
- Hilft gegen: Entzündungen, Verbrennungen und Erfrierungen der Haut, Wunden und Quetschungen
- Pflegetipp: Ringelblume ist robust und kälteunempfindlich, Standort vollsonnig bis halbschattig, Staunässe vermeiden
2. Echte Arnika (Arnica montana)
Echte Arnika gibt es nur noch selten in freier Natur. Wo man sie noch findet? Auf kalkarmen Alpenwiesen. Ansonsten wurde die Pflanze weitestgehend „weggepflückt“. Die Pflanze lässt sich jedoch leicht im Gartenbeet oder im Kübel kultivieren.
- Hilft gegen: Verletzungen wie Quetschungen, Prellungen und Verstauchungen, Rheuma
- Pflegetipp: sonniger Standort, braucht kaum Wasser und keinen Dünger
3. Heil-Ziest (Stachys officinalis)
Die Pflanze ist vielerorts in Vergessenheit geraten. Im Mittelalter galt Heil-Ziest jedoch als Wunderwaffe. Das Kraut hilft gegen allerlei Zipperlein. Nicht umsonst wird Heil-Ziest auch als „Aspirin des Mittelalters“ bezeichnet.
- Hilft gegen: Durchfall, Entzündungen im Mund- und Rachenbereich, Schwächezustand
- Pflegetipp: Sonniger Standort im Garten oder auf dem Balkon, regelmäßig gießen
4. Baldrian (Valeriana officinalis)
Baldrian fördert den Schlaf. Verantwortlich ist ein spezielles Molekül, das Lignanmolekül. Lignane sind Naturstoffe, die auch in Ginseng oder Leinsam vorkommen. Das Lignan des Baldrians dockt an speziellen Nervenzellen im Gehirn an, den sogenannten A1-Rezeptoren. Es folgt eine Kettenreaktion und man wird müde. Kurios: Koffein spricht denselben Rezeptor an. Mit der gegenteiligen Wirkung. Baldrian war eines der Heilkräuter im Mittelalter, von dem man sich Schutz vor der Pest versprach. „Esst Bibernell und Baldrian, so gehet euch die Pest nicht an“, lautet ein altes Sprichwort.
- Hilft gegen: Unruhezustände, Schlafstörungen, nervös bedingte Schmerzen im Magen-Darm-Trakt, nervösem Herzklopfen
- Pflegetipp: Sonniger Standort im Garten, Erde stets feucht halten, keine schweren und lehmhaltige Böden. Geerntet wird vor allem das Wurzelwerk, aus dem Heiltees gewonnen werden
5. Bertramwurzel (Anacyclus pyrethrum)
Eines der liebsten Heilkräuter von Hildegard von Bingen, die jedoch kaum jemand kennt, ist Bertram. Die Pflanzenwurzel schmeckt scharf. Womöglich geriet Bertram deshalb in Vergessenheit. In der Volksheilkunde ist das Gewächs immer noch sehr geschätzt. Schädlinge machen um die Pflanze jedoch einen großen Bogen. Deshalb eignet sich Bertram hervorragend als biologischer Pflanzenschutz.
- Hilft gegen: Ischias, Hexenschuss, Zahnkrankheiten. Achtung: Bei dauerhafter Anwendung kann es zu Hautreizungen und Übelkeit kommen!
- Pflegetipp: Vollsonniger Standort, trockene und magere Böden, kaum gießen
6. Andorn (Marrubium vulgare)
Gewöhnlicher oder weißer Andorn mag eher unscheinbar aussehen. Das Kraut hat jedoch eine heilsame Wirkung. Deshalb wurde Andorn 2018 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. So findet das Kraut vielerlei Verwendung, zum Beispiel als Heiltee, als Tinktur gegen kleine Wunden oder auch in Honig. In der Klostermedizin des Mittelalters wurde Andorn für die Bekömmlichkeit mit Fenchel, Dill und Wein aufgekocht – und getrunken.
- Hilft gegen: Atemwegserkrankungen, hartnäckigen Husten, Verdauungsbeschwerden
- Pflegetipp: Sonniger Standort, wächst gut auf nährstoffarmen und kalkhaltigen Böden, Erde stets leicht feucht halten, Andorn ist winterhart
7. Galgant (Alpinia officinarum)
Galgant stammt aus der Familie der Ingwergewächse. Erstaunlich: Obwohl Galgant zu ihren Lebzeiten in Europa kaum bekannt war, berichtete Hildegard von Bingen über die Vorzüge der Pflanze. Diese stammt ursprünglich aus Asien. Rezept für einen heilsamen Trunk: Galgant mit der gleichen Menge an getrocknetem Ingwer mischen. Das Pulver in Wein oder warmem Wasser auflösen und trinken.
- Hilft gegen: Lungenleiden, Herzschmerzen, Übelkeit,Verdauungsprobleme
- Pflegetipp: Galgant ist etwas zickig. Am besten gedeiht die wärmeliebende Pflanze im Topf auf der Fensterbank, Veranda oder im Gewächshaus.
8. Süßholz (Glycyrrhiza glabra)
Das Süßholz wird auch als „Lakritzpflanze“ bezeichnet. Das liegt an dem lieblichen Aroma der Pflanze. Ursprünglich in Asien beheimatet kommt Süßholz auch in hiesigen Breiten gut zurecht. Ab dem vierten Jahr ist Erntezeit! Süßholz findet Verwendung als Süßungsmittel und Gewürzkraut in der Lebensmittelindustrie.
- Hilft gegen: Bronchitis, Magenbeschwerden, Durchfall
- Pflegetipp: Vollsonniger Standort, lockerer und tiefgründiger Boden
9. Liebstöckel (Levisticum officinale)
Diesen Doldenblütler kennt fast jeder, zumindest vom Geschmack her. Denn um das markante Aroma der Pflanze kommt man kaum herum. Deshalb wird Liebstöckel auch als „Maggikraut“ bezeichnet. Andere Namen sind: Nervenkräutel und Gichtstock. Schon im Altertum wurde Liebstöckel als Heilkraut verwendet.
- Hilft gegen: Menstruationsbeschwerden, Harnwegsinfekten, Hautleiden, Rheuma
- Pflegetipp: Halbschattiger bis sonniger Standort, kalkhaltiger, nährstoffreicher und stets feuchter Boden
10. Kümmel (Carum carvi)
Wenn es zwickt und bläht, empfiehlt Hildegard von Bingen Kümmel. „Carum carvi“, wie die Pflanze mit botanischem Namen heisst, wächst in Mittelmeerländern an jedem Wegesrand. Echter Kümmel als Teeaufguss lindert unangenehme Leiden. Das Kraut wird gerne auch zum Würzen deftiger Speisen verwendet. Einen langweiligen Salat peppt man mit ein paar Kümmelblättern oder -trieben auf.
- Hilft gegen: Verdauungsproblemen, Husten, Menstruationsbeschwerden
- Pflegetipp: Abschattig oder sonniger Standort, nährstoffreicher und eher feuchter Boden, regelmäßig gießen
Woher stammt das Wissen über Heilkräuter bei Hildegard von Bingen?
Die deutsche Mystikerin Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) besaß nicht nur ein umfangreiches Wissen über Heilkräuter, sondern auch ein großes Selbstbewusstsein. Sie legte sich mit einflussreichen Kirchenmännern an und gründete ein Kloster bei Bingen am Rhein. In das wurden allerdings nur Damen von Stand aufgenommen, blaublütig wie die tief religiöse Äbtissin selbst. Hildegard von Bingen erlebte zeitlebens mystische Visionen, die mit fortschreitendem Alter immer intensiver wurden. Selbst der Papst erkannte ihre Sehergabe an.
Vor diesem Hintergrund ist ihre bekannteste Schrift zu deuten: „Physica“ (Naturkunde). In stolzen neun Bänden und 513 Kapiteln finden sich Betrachtungen über Pflanzen, Elemente, Bäume, Steine, Fische, Vögel, Säugetiere, Reptilien und den Ursprung der Metalle. Das Buch „Causae et curae“ (Heilkunde) handelt von vielen Krankheiten und geht unter anderem auch auf Fragen der Ernährung und Verdauung ein. In der Heilmittellehre werden rund 300 Pflanzen beschrieben, 40 Säugetiere, 60 Vögel, 30 Fische und Würmer und auch Fabelwesen.
Hildegard von Bingen lag mit ihren Kenntnissen über Heilkräuter auch daneben
Bei vielen Beschreibungen über Heilkräuter liegt Hildegard von Bingen richtig. Zum Beispiel ist die heilsame Wirkung von Arnika oder Ringelblume wissenschaftlich nachgewiesen. Manche ihrer Schlussfolgerungen sind aus heutiger Sicht jedoch haarsträubend.
So empfiehlt sie, bei Kopfschmerzen eine Schlüsselblume auf die Stirn zu legen. Warum? Hildegard von Bingen meint, die Pflanze fange das Sonnenlicht ein und helle dadurch die Stimmung auf. Und was hilft bei einem epileptischen Anfall? Kruder Tipp der Äbtissin: Eine Hand voll Maiglöckchen essen. Davor sei aus heutiger Sicht gewarnt. Denn Maiglöckchen sind giftig!
Hilft bei Husten und Durchfall Das vergessene Heilkraut Andorn im Garten anpflanzen
Wird oft mit Kamille verwechselt Das Heilkraut Bertram im Garten anpflanzen
Schöne und heilsame Blütenpracht Echte Arnika – das Heilkraut für Garten oder Balkon
Experten sehen das Wissen über Heilkräuter der Hildegard von Bingen mitunter kritisch
Die starke Frau aus Bingen schöpfte ihr Wissen aus den Bereichen der Kosmologie, Mystik und Naturkunde. Heutzutage zeigt die Hildegard-Medizin so manch kuriose Blüte. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk nimmt Johannes Gottfried Mayer eine kritische Haltung ein. Der frühere Leiter der Forschergruppe Klostermedizin (Universität Würzburg) und Experte für Hildegard von Bingen und ihre Heilkräuter sagt: „Heute wird von Anhängern der Hildegard-Medizin versucht, ausschließlich nach ihren Anweisungen zu heilen. Das sehe ich kritisch, ich würde mich dem nicht aussetzen. Medikamente müssen mit modernen Erkenntnissen in Einklang stehen.“
Nichtsdestotrotz: Hildegard von Bingen legte einen Grundstein für die moderne Medizin und Pharmakologie.
Die Kenntnisse über mögliche heilsame Wirkungen der vorgestellten Pflanzen beruhen auf seit Jahrhunderten überlieferten Traditionen. Wer ernst zu nehmende, gesundheitliche Beschwerden hat, sollte in jedem Fall einen Arzt aufsuchen.