18. Februar 2020, 11:14 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Eigentlich sieht es ja ganz romantisch aus, wenn die Obstbäume im Garten anfangen, zart-grüne Polster anzusetzen. Doch manche Hobbygärtner sorgen sich um das Wohl ihrer Bäume, sobald sie Moos entdecken. Aber ist Moos überhaupt schädlich für den Baum? Und sollte man es entfernen?
Moos wächst gerne überall, wo es feucht ist. Auf Mauern, Hauswänden, Steinen und eben auch auf Bäumen. Die Nordseite eines Baumstammes eignet sich dabei besonders, denn sie ist praktisch nie direkt der Sonne ausgesetzt. Aus diesem Grund hat sich auch ein altbekannter Pfadfinder-Trick etabliert: Beim Wandern könne man sich am Moosbewuchs nach Norden orientieren. Verlassen sollte man sich darauf allerdings nicht, denn zahlreiche andere Faktoren können eine Besiedelung beeinflussen.
Warum wächst Moos auf Bäumen?
„Moos wird über Sporen verbreitet“, erläutert Dipl. Forst-Ingenieur Udo Kaller im Interview mit myHOMEBOOK. „Moose und Farne sind Sporenpflanzen, die noch keine Blüten und Samen bilden – im Gegensatz zu höheren Gefäßpflanzen. Sporen sind sehr leicht und können gut mit dem Wind verteilt werden. Aber auch über Wassertröpfchen, die zum Beispiel mit dem Fuß eines Vogels verbreitet werden“, erklärt der Pflanzenexperte.
Flechten und Moose zählen zu den Epiphyten, auch Aufsitzerpflanzen genannt. Sie sitzen auf Steinen, Carports, Mauern, Dächern, Laub- oder Nadelbäumen, um besser ans Licht zu kommen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind sie keine Schmarotzer, weil sie dem Untergrund weder Wasser noch Nährstoffe entziehen – im Gegensatz beispielsweise zu Misteln.
Ist Moos schädlich für den Baum?
Grundsätzlich ist ein Bewuchs mit Moos auf Stamm oder Ästen nicht schädlich für den Baum. Das Moos nutzt die Baumrinde lediglich als eine Art Unterlage und schädigt sie dabei nicht. Auf rissiger Rinde kann es sich allerdings besser festsetzen. Mit hauchzarten Zellfäden (Rhizoide) halten sich die Moospflänzchen an der Rinde. Diese Pseudowurzeln haben keine Leitungsfunktion und entziehen dem Baum weder Nährstoffe noch Wasser. Moospflanzen betreiben außerdem ihre eigene Photosynthese. Folglich fügt Moos einem Baum unmittelbar keinen Schaden zu.
Problematisch kann es allerdings werden, dass sich bei sehr starkem Moosbewuchs Feuchtigkeit unter dem Moos länger hält. Dies kann den Baum unter Umständen anfälliger für Pilzinfektionen und andere Schädlinge machen.
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Flechten an Bäumen
Besonders Laubbäume wie Pappel, Esche oder Apfelbaum werden zudem gerne von Flechten besiedelt. Diese sind keine eigenständigen Organismen, sondern bilden eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus Algen und Pilzen. Genau wie Moos greifen sie nicht in die Strukturen des Baums ein.
„Viele Flechtenarten sind sehr empfindlich gegenüber Luftverschmutzung“, betont Kaller. „Sie zeigen also eher gute Luft an und sind eigentlich positiv zu bewerten. Umgekehrt können sich Flechten und Moose aber nur in größerem Umfang auf Bäumen halten, wenn diese schlecht zuwachsen. Ein starker Epiphytenbesatz bedeutet somit eher, dass die Pflanze aus anderen Gründen schlechte Wuchsbedigungen hat.“
Sollte man Moos und Flechten entfernen?
Ob man Moos entfernen sollte, ist umstritten. Das Abbürsten der Rinde kann, wenn es nicht sachgerecht durchgeführt wird, dem Baum unter Umständen mehr schaden als nützen. Wenn man sich für eine Reinigung mit einer Bürste entscheidet, dann sollte dies nur sehr vorsichtig passieren. „Wenn es einen optisch stört, kann man es vorsichtig mit einer Wurzelbüste entfernen.“ rät Pflanzenexperte Kaller. „Nicht mit Metallbürsten, weil dann die Rinde des Baumes beschädigt werden könnte.“
Die stark anhaftenden Flechten sollten am besten gar nicht entfernt werden. Sie schützen den Baum sogar, da er an diesen Stellen nicht von anderen Pilzen und Bakterien besiedelt werden kann. Wenn jedoch ein Schädlingsbefall vorliegt, sollte lockere Borke mit Moos- und Flechten abgebürstet werden. Die Schädlinge nutzen diese nämlich gern als Winterquartier. Zudem können laut Kaller die Epiphyten einen guten Schutz gegen übermäßige UV-Strahlung bieten und somit den Baum vor „Sonnenbrand“ bewahren.
Tipp: Wer sich für ein Abbürsten des Baums entscheidet, sollte dies lieber im Winterhalbjahr tun. Im Sommer ist die Rinde empfindlicher!
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Wie wirkt sich das Klima auf Moos an Bäumen aus?
Die allgemeine Witterung hat tatsächlich nur indirekt Einfluss auf das Wachstum von Moos und anderen Epiphyten. Kaller hat die Wetterlage und ihre Auswirkungen auf das Epiphytenwachstum genau beobachtet. „In den letzten Jahren hatten wir unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen mit sehr trockener kontinentaler Luft aus dem Osten – was zu schlechterem Wachstum der Bäume führt, weil diese im Frühling ihre Phytomasse bilden.“ Dabei handelt es sich um oberirdische Triebe mit Blättern und unterirdische Feinwurzeln für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. „Dies führt indirekt zu mehr Epiphyten, weil die Bäume geschwächt sind und weniger Zuwächse haben.“