30. Juni 2023, 11:18 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Natürliche Schadstoffe kommen in vielen pflanzlichen Lebensmitteln vor. Für die Pflanzen selbst haben sie eine wichtige Funktion. Bei uns hingegen können sie zu gesundheitlichen Problemen führen. Wir verraten Ihnen ein paar Tipps rund um den sicheren Genuss von Bohnen, Tomaten und weiteren Gemüsepflanzen.
Wer sich gesund ernähren möchte, sollte mehrmals täglich zu Gemüse greifen. Und das nicht ohne Grund: Gemüse enthält wichtige Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe, die der Körper dringend benötigt. Und dennoch kann Gemüse auch schädlich oder sogar richtig giftig sein. Mit ein bisschen Hintergrundwissen und einem Kochtopf kann man den pflanzlichen Schadstoffen in Bohnen, Tomaten und Co. ganz leicht aus dem Weg gehen.
Welche Funktion haben pflanzliche Schadstoffe?
Pflanzliche Schadstoffe, die unter anderem in Tomaten, Kartoffeln, Bohnen, Rhabarber, Spinat und einigen anderen Gemüsearten enthalten sind, haben für die Pflanzen selbst einen großen Nutzen. Sie dienen ihnen als Schutz vor kleinen und großen Fressfeinden wie Insekten oder Mäusen. Außerdem schützen sie die Pflanzen in einem gewissen Maß vor Pilzbefall. Wir stellen ein paar beliebte Gemüse vor, die Phasin, Glykoalkaloide oder Oxalsäure enthalten und verraten Ihnen, was bei Ernte, Zubereitung und Verzehr zu beachten ist.
Phasin in Hülsenfrüchten
Phasin ist ein Gift aus der Gruppe der Lektine. Es ist in Hülsenfrüchten wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen enthalten. Obwohl auch Zucker-, Mark- und Palerbsen zu den Hülsenfrüchten zählen, bilden sie eine Ausnahme. Sie enthalten kein Phasin.
Wer Bohnen, Kichererbsen oder Linsen roh ist, riskiert erhebliche gesundheitliche Schäden, wie Darmentzündungen und Blutungen, die sogar tödlich enden können. Daher gilt: Diese Lebensmittel dürfen nur verzehrt werden, wenn sie ausreichend gekocht sind. „Phasin wird durch Hitze zerstört. Als Durchschnittswert wird je nach Größe der Hülsenfrüchte eine Kochzeit von 10 bis 15 Minuten empfohlen“, erklärt Diplom-Ökotrophologin Gabriele Kaufmann vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). Dampfgarer sind für das Kochen von Bohnen nicht geeignet, weil hier die für die vollständige Zerstörung des Phasins benötigten Temperaturen möglicherweise nicht sicher erreicht werden.
Grundsätzlich wird empfohlen, das Kochwasser von phasinhaltigen Lebensmittel wegzuschütten. Gleichzeitig gibt es eine Menge Rezepte, bei denen es nicht vorgesehen ist, das Kochwasser zu verwerfen. In Bohnensuppe beispielsweise werden die Bohnen in der Regel mit anderen Gemüsen gleichzeitig gekocht. Wie passt das zusammen? Gabriele Kaufmann: „Das Wegschütten von Kochwasser wird als zweite Absicherung empfohlen. Für normale, gesunde Menschen reicht das Kochen aus, da das Phasin durch die ausreichende Erhitzung zerstört wird.“ Bei alten und kranken Menschen sowie bei kleinen Kindern hingegen könne es sinnvoll sein, das Kochwasser unabhängig vom Kochrezept zu entsorgen. Denn damit reduzieren sich auch Stoffe, die bei empfindlichen Menschen zu unerwünschten Blähungen führen können.
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Glykoalkaloide in Nachschattengewächsen
In Nachtschattengewächsen wie Tomaten, Kartoffeln, Paprika und Auberginen sind verschiedene giftige Alkaloide enthalten. Diese können Magenschmerzen, Kopfschmerzen und Übelkeit bewirken und – wenn es schlimm kommt – zur Auflösung der roten Blutkörperchen, zu Krämpfen und Lähmungen führen. Im Gegensatz zu Phasin sind diese Stoffe hitzebeständig und lassen sich durch Kochen nicht zerstören.
1. Tomatin in Tomaten
Bei Tomatenpflanzen steckt das giftige Alkaloid Tomatin in allen Teilen der Pflanze. Nur nicht in den Früchten. Wobei das so nicht ganz stimmt. In unreifen Tomaten ist Tomatin ebenso enthalten, wie in den Stielansätzen der Früchte. Daher sollte man Tomaten vor dem Verzehr ausreifen lassen und – zumindest bei Tomaten, die Cocktail-Tomatengröße überschreiten – den grünen, harten Stielansatz herausschneiden.
Auch hier scheint es einen Widerspruch zu geben zwischen der Empfehlung keine unreifen Tomaten zu verzehren und der Tatsache, dass es jede Menge Rezepte für Chutneys oder Marmeladen gibt, in denen grüne, noch unreife Tomaten verarbeitet werden.
Gabriele Kaufmann erklärt: „Tomatin ist nach heutigem Stand weniger schädlich als das in Kartoffeln enthaltene Solanin. Wenn ein gesunder, erwachsener Mensch übliche Verzehrmengen nicht überschreitet, sind Probleme in der Regel nicht zu erwarten. Allerdings sollte man sich im Klaren sein, dass wir es mit Naturprodukten und damit mit natürlichen Schwankungen zu tun haben. Alte und kranke Menschen sowie kleine Kinder reagieren möglicherweise empfindlicher, auch auf kleinere Mengen.“
2. Solanin in Kartoffeln
Die Kartoffel war nicht umsonst die Giftpflanze des Jahres 2022. In allen Teilen der Pflanze ist Solanin in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten, am wenigstens in den Knollen. Doch auch in ihnen kann sich das Gift anreichern. Es findet sich in grünen Stellen, in keimenden und verletzten Kartoffeln, aber auch in der Kartoffelschale.
Solanin bildet sich in den Knollen unter dem Einfluss von Licht. Wer Kartoffeln im Garten anbaut, sollte daher darauf achten, dass die Knollen immer gut mit Erde bedeckt sind. Auch schon geerntete Kartoffeln bilden Solanin, wenn sie zu hell gelagert werden. Werden die grünen Stellen großzügig aus der Kartoffel herausgeschnitten, kann die restliche Kartoffel noch gegessen werden. Auch keimende, noch feste Kartoffeln können noch verzehrt werden, sofern die Keime maximal einen Zentimeter groß sind und ebenfalls beherzt bis in die Knolle hinein herausgeschnitten werden. Gleiches gilt für verletzte Kartoffeln. Kartoffeln mit Schale sollten grundsätzlich eher selten gegessen werden. Landen sie doch einmal auf dem Teller, sollten es nur frische und unverletzte Knollen sein. Kleine Kinder essen besser gar keine ungeschälten Kartoffeln.
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3. Solanin in Auberginen
Auberginen sollten immer nur ausgereift verzehrt werden, denn unreife Früchte enthalten Solanin. Während Auberginen unabhängig von ihrem Reifegrad bis vor einiger Zeit roh als giftig galten, ist in heutigen Züchtungen meist sehr wenig oder kein Solanin mehr enthalten. Trotzdem empfiehlt es sich, sie nur gekocht, gebraten oder gegrillt zu verzehren, denn roh sind sie wirklich kein Genuss.
4. Solanin in Paprika
Grüne Paprika können ohne Bedenken roh gegessen werden. Sie sind zwar auch noch nicht reif, enthalten aber dennoch nur verschwindend geringe Mengen an Solanin. Alle anderen Teile der Paprikapflanzen jedoch sind solaninhaltig und damit nicht zum Verzehr geeignet.
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Oxalsäure in Rhabarber, Mangold und Spinat
Oxalsäure ist eine natürliche Fruchtsäure, die in vielen Obst- und Gemüsearten enthalten ist. So findet sie sich etwa in Möhren, Grünkohl, Gurken und verschiedenen Beeren. Hier ist der Gehalt aber so gering, dass er keine nennenswerten Auswirkungen hat.
Bei anderen Gemüsearten wie Rhabarber, Mangold und Spinat sieht das anders aus. Hier sind größere Mengen Oxalsäure enthalten. Die Säure verhindert die Aufnahme von wichtigen Mineralien, vor allem die von Calcium. Grundsätzlich ist es daher eine gute Idee, oxalsäurehaltige Lebensmittel mit calciumreichen zu kombinieren. Den Rhabarber beispielsweise mit Joghurt oder Sahne zu servieren oder zum Spinat eine Sahnesoße zu kochen oder ein calciumhaltiges Dessert zuzubereiten. Veganer können zu Kombinationen mit Nussmus greifen oder ein Glas calciumreiches Mineralwasser zum Essen trinken. Besondere Vorsicht ist bei Menschen angeraten, die zu Nierensteinen neigen: „Sie sollten oxalsäurehaltige Gemüse besser meiden, da die Oxalsäure im Körper nicht abgebaut werden kann, sondern über die Nieren ausgeschieden werden muss“, sagt Gabriele Kaufmann.
Gesunde Menschen brauchen sich aber, wenn sie diese Gemüse nicht regelmäßig in großen Mengen verspeisen, keine Sorgen zu machen. Zudem lässt sich die Oxalsäure mit ein paar Tipps und Tricks reduzieren.
Oxalsäure in Rhabarber
Wer sich an ein paar Regeln hält und folgende Tipps beherzigt, kann den Oxalsäuregehalt von Rhabarber erheblich reduzieren.
- Am 24. Juni ist Schluss mit der Ernte, weil sich danach vermehrt Oxalsäure bildet.
- Junge Stangen, die an einem sonnigen Standort gewachsen sind, enthalten weniger Oxalsäure als ältere Stangen, die im Halbschatten gewachsen sind.
- Rotstielige oder sogar rotfleischige Sorten enthalten weniger Oxalsäure als grünstielige.
- Wenn Rhabarber geschält, in kleine Stücke geschnitten und mit heißem Wasser übergossen wird, reduziert sich der Oxalsäuregehalt etwa um die Hälfte. Das Wasser wird danach weggeschüttet.
- Mit einer Prise Natron oder Backpulver im Kochwasser lässt sich die Oxalsäure teilweise neutralisieren.
Oxalsäure in Mangold
Ähnlich wie beim Rhabarber lässt sich auch beim Mangold der Gehalt an Oxalsäure reduzieren.
- Kochen entzieht dem Mangold einen Teil der schädlichen Säure. Schon durch kurzes Blanchieren reduziert sich die Oxalsäure um etwa die Hälfte. Das funktioniert aber nur, wenn das Wasser danach verworfen wird.
- Mangold sollte nur wenig gedüngt werden, da der Oxalsäuregehalt durch den im Dünger enthaltenen Stickstoff ansteigen kann.
- In jungen Mangoldblättern steckt weniger Oxalsäure als in älteren.
Oxalsäure in Spinat
Auch Spinat ist für die in ihm enthaltene Oxalsäure bekannt. Und auch bei ihm gibt es ein paar Maßnahmen, mit denen sich ihr Gehalt minimieren lässt.
- Je jünger die Blätter sind, desto weniger Oxalsäure enthalten sie. Warten Sie also nicht zu lange mit der Ernte.
- Kochen und Blanchieren führt zu einer Verringerung des Oxalsäuregehalts, sofern das Wasser nicht verwendet wird.
- In den Blättern ist mehr Oxalsäure enthalten als in den Stielen. Wer also die Stiele der Blätter nicht entfernt, hat weniger Oxalsäure in mehr Spinat.