6. Juli 2021, 21:27 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Im Garten oder auf dem Balkon sind Wildkräuter eine echte Bereicherung. Sie strotzen vor Vitaminen und sehen zudem schön aus. Einige Pflanzen sind jedoch gefährlich. Ein Experte erklärt, welche Wildkräuter auch Anfänger anpflanzen können.
Für manche Hobbygärtner sind sie nur lästige Unkräuter, die sich ungewollt im Garten breit machen. Man kann den Spieß aber auch umdrehen. Dann sind Brennnessel, Löwenzahn und Co. Wildkräuter, die man gezielt im Beet oder Balkonkasten kultiviert. Viele Wildkräuter sehen schön aus und können unbedenklich verzehrt werden. Das macht sie heißbegehrt in der Spitzengastronomie.
Allerdings gibt es einige Kräuter, von denen man lieber die Finger lässt, denn sie sind giftig. Das rät Wildkräuter-Experte Manuel Larbig. In seinem neuen Buch erklärt der Biologe, was Wildkräuter eigentlich sind und welche man unbedenklich verzehren kann. Larbig sagt: „Wildkräuter sind sehr gesunde und vielseitige Pflanzen. Viele Wildformen enthalten erstaunlich viele Nährstoffe und haben einen sehr besonderen und einzigartigen Geschmack. Sie brauchen in der Regel viel weniger Pflege, da sie robuster und weniger anfällig für Schädlinge sind. Außerdem sind viele Wildarten attraktiver für nützliche Insekten wie Wildbienen.“
Wildkräuter im Garten oder auf dem Balkon anpflanzen – geht das überhaupt?
Ja. Wildkräuter sind im Garten anspruchslose Pflanzen, die in der Regel wenig Pflege benötigen. Manuel Larbig: „Viele Arten kann man sowohl im Garten als auch auf dem Balkon ziehen. Man kann sie viel länger mal aus den Augen verlieren als Zuchtpflanzen.“ Perfekt zum Beispiel für einen Black-Box-Garten. Bei diesem Gartentrend gestaltet sich der Garten ohne Zutun fast von selbst.
Wo man Samen für Anzucht und Aussaat bekommt? Das Angebot ist noch etwas dürftig. Es gibt aber Händler, die mittlerweile Saatgut von heimischen Wildpflanzen vertreiben, so Manuel Larbig. Er empfiehlt, lieber heimische Sorten und von Bio-Qualität zu verwenden.
Garten & Balkon: Welche Wildkräuter sich für Anfänger eignen
Für alle, die noch nicht so viel Erfahrung mit Wildkräutern im Garten oder auf dem Balkon haben, verrät Manuel Larbig seine sechs Lieblings-Wildkräuter. Die können locker im Gartenbeet wie auch im Kübel oder Balkonkasten gezogen werden.
Weißer Gänsefuß
Für Wildkräuter-Experte Larbig ist Weißer Gänsefuß ein Klassiker unter den Wildkräutern. Woher der drollige Name stammt? Die Blätter erinnern an den Abdruck, die Gänsefüße hinterlassen. Die Pflanze ist reich an Vitaminen und Mineralstoffen. In der Naturheilkunde werden die etwas bitteren Inhaltsstoffe der Samen bei Atemwegserkrankungen genutzt. Junge Triebe können einem Salat beigegeben werden. Gedünstete Blütenstände oder Knospen dienen als köstliches Gemüse. Chenopodium album, wie Gänsefuß botanisch heißt, gedeiht besonders gut in nährstoffreicher Erde. Bei günstigen Bedingungen erreicht die Pflanze im Garten eine Höhe von rund einem Meter. Im Balkonkasten werden es hingegen nur einige Zentimeter.
Brennnessel
Superfood? Manuel Larbig mag den Begriff nicht so sehr, für Brennnesseln macht er aber eine Ausnahme. Denn das Wildkraut strotzt vor Vitaminen, Mineralien und Proteinen. Ein Tee aus den Blättern wirkt harntreibend und wird bei Harnwegsentzündungen verarbreicht. Wirkstoffe der Pflanze sollen bei Rheuma oder Arthrose helfen. In früheren Zeiten haben sich Verzweifelte für die Linderung in Brennnesselfelder gelegt. Autsch.
Brennnesseln sind nicht nur gesund, sie schmecken aromatisch und sind Zutaten vieler Gerichte. Ein Klassiker ist Brennnessel-Risotto. Manuel Larbig verrät ein kurioses Rezept: Croque Monsieur à la Brennnessel. Die gehackten Wildkräuter werden mit Käse und Tomaten vermengt und mit Toast im Ofen überbacken. Brennt das? Nein. Allerdings muss man vor der Verarbeitung die fiesen Härchen von den Blättern entfernen. Einfach nur abwaschen hilft nicht wirklich. Für den Verzehr rollt man Brennnesseln mit einem Nudelholz platt oder dünstet die Pflanzenteile für einige Minuten in siedendem Wasser.
Brennnesseln gedeihen gut an einem sonnigen oder halbschattigem Standort. Die Wildkräuter mögen einen nährstoffreichen und humösen Boden. Brennnesseln gelten für solch eine Bodenqualität als sogenannte Zeigerpflanzen. Im Frühjahr kann man das Wildkraut gezielt in Beet und Balkon aussäen. Für den Garten gilt: Die Pflanze wuchert. Beim regelmäßigen Jäten müssen die Wurzel-Ausläufer entfernt werden.
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Löwenzahn
Schmalzblümlein, Pißblom oder Seicherwurzel. Nie gehört? Das sind nur einige volkstümliche Namen für den Löwenzahn. Die goldgelben Blüten leuchten überall und über den ganzen Sommer hinweg. Mit der Zeit entwickeln sich kleine, weiße Schirmchen auf den Blütenständen. Ein Windhauch reicht oder ein wonniges Pusten – und schon fliegen die Schirmchen, auch Pappus genannt, los. Stolze einhundert Kilometer sind möglich.
Löwenzahn ist essbar. Jedoch scheuen sich viele Menschen davor, diese Wildkräuter in der Küche zu verwenden, auch wenn sie aus dem heimischen Garten kommen. Warum? Zum einen ist Löwenzahn recht bitter. Als Beigabe in einem Salat eignen sich nur einige Blätter. Viele Menschen halten den milchigen Pflanzensaft zudem für giftig. Zu Unrecht, mein Biologe Larbig. „Löwenzahnsaft kann durch seinen Gehalt an dem Bitterstoff Taraxacin höchstens bei exzessivem Verzehr zu Bauchschmerzen führen. Selten löst er eine Kontaktdermatitis (Hautausschlag) aus“, erklärt der Wildkräuter-Experte.
Das Wildkraut mag einen lockeren und nährstoffreichen Boden. Ein sonniger Standort ist ideal, die Pflanze ist jedoch genügsam und kommt auch mit Halbschatten gut zurecht. Sowohl im Frühjahr als auch im Herbst kann man Löwenzahn in Beet, Kübel oder Balkonkasten aussäen.
Beifuß
Schon die alten Griechen liebten Beifuß (Artemisia). Das Wildkraut gibt seit alters her vielen Gerichten die gewisse Würze. Traditionell wird Beifuß einem gehaltvollen Gänsebraten beigegeben. Deswegen auch der Name „Gänsekraut“. Beifuß wird oftmals mit Beifuß-Ambrosia verwechselt, die vielen Pollen-Allergikern schwer zu schaffen macht. Ambrosia solle umgehend aus dem Garten entfernt werden. Wie man beides unterscheidet? Manuel Larbig: „Beifuß erkennt man an dem charakteristischen, rispigen Blütenstand, den Blättern und vor allem an der grau-filzigen Blattunterseite.“ Die gefährliche Beifuß-Ambrosia hat jedoch keinen filzig-grauen Belag an der Blattunterseite.
Im Frühjahr kann Beifuß ausgesät werden. Dabei sollte man auf ausreichenden Abstand achten. Denn mit der Zeit beansprucht Beifuß viel Platz. Als Kübelpflanze ist ein größeres Gefäß passend. Beifuß ist robust und braucht wenig Pflege. In trockenen Sommerwochen gießt man die Pflanze etwas öfter. Dauernde Feuchte und Staunässe muss vermieden werden.
Wilde Malve
Violett, flatterig und weich – die Blüten kennt jeder. In unseren Breiten wachsen Wilde Malven (Malva sylvestris) an Böschungen, auf Wiesen oder auch auf Ödland. Am schönsten machen sich die Stauden jedoch im eigenen Gartenbeet. Ins Freiland sät man Wilde Malven im Frühjahr. Beim Pflanzen lässt man am besten ausreichenden Abstand zu. Ein sonniger Standort ist ideal. Malven brauchen recht viel Wasser. Aber auch hier muss Staunässe vermieden werden.
Malven-Früchte zeichnen sich durch ein feines, nussiges Aroma aus. Sie geben jedem langweiligen Müsli oder Salat den letzten Kick. Man kann die Früchte sogar roh naschen, etwa bei einem Waldspaziergang. Zudem bietet die Pflanze viele gesundheitsfördernde Stoffe. Ein Tee aus Malven wirkt Wunder bei einer Erkältung. Wie man die schöne Heilfpflanze im Garten oder auf dem Balkon anpflanzt, erklärt myHOMEBOOK hier.
Vogelmiere
Nicht nur Vögel, auch viele Feinschmecker laben sich an der Vogelmiere. Wegen der filigranen, sternförmigen Blüten heißt das Wildkraut auch „Stellaria media“. Vogelmiere ist auf kaum einem Teller in vielen Sternerestaurants wegzudenken. Blüten und Blätter sind herrlich im Aroma, zugleich frisch, bitter und nussig. Wer etwas Acht gibt, kann Vogelmiere wie andere Wildkräuter im Garten oder auf dem Balkon kultivieren. Wie viele andere Wildkräuter lieben Vogelmieren einen nährstoffreichen Boden.
Aber Achtung! Vogelmiere ist das Schreckgespenst vieler Hobbygärtner. Unkontrolliert macht sich das Kraut im Garten schnell selbstständig, was mitunter nervt. Wer das nicht mag, sucht den Garten zeitig im Frühjahr nach Ausläufern und Neupflänzchen ab und jäten die entsprechenden Stellen.
Darf man eigentlich Wildkräuter pflücken oder ausgraben und im eigenen Garten einpflanzen?
Auch wenn man denkt, Wildkräuter sind frei – an einigen Orten sollte man sie nicht unbedacht pflücken. Wildkräuter-Experte Larbig: „Man darf keine geschützten Pflanzen entnehmen. Außerdem darf man keine Pflanzen aus Schutzgebieten wie Naturschutzgebieten oder geschützten Grünanlagen entfernen. Empfehlenswerter ist es jedoch, Saatgut zu verwenden, da ausgegrabene Pflanzen mit den neuen Bodenbedingungen so schlagartig oft nicht gut zurechtkommen. Alternativ kann man entweder bestellen oder man sammelt etwa reife Kapseln oder Früchte direkt von Wildpflanzen.“
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Von welchen Wildkräutern lässt man lieber die Finger weg?
Viele Wildkräuter sind harmlos. Manche können jedoch bei Verzehr Gesundheitsschäden verursachen. Manuel Larbig erklärt: „Für Anfänger ist die Familie der Doldenblütler (Apiaceaen) erst einmal tabu, wenn man vor hat, Wildpflanzen zu verwenden. Die Verwechslungsgefahr mit stark giftigen Pflanzen innerhalb dieser Familie ist einfach zu groß.“