30. April 2024, 15:04 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn man sein Haus vor einem Erdbeben sichern möchte, sollte man es so planen, dass es ein Beben einer gewissen Stärke standhalten kann. Welche Richtlinien gelten dabei? myHOMEBOOK-Autorin Daniela Matsuzaki hat bei einem Baustatiker nachgefragt.
Seit dem letzten Erdbeben in Mittelitalien im Jahr 2016 ist das Bewusstsein und die Bedeutung für erdbebensichere Bauweisen auch in Deutschland gestiegen. Denn an diesem Beispiel konnte man sehen, dass auch Erdbeben in Gebieten mit geringer seismischer Aktivität schwere Schäden anrichten können. Eine stabile, aber dennoch flexible Massivholzbauweise soll angeblich bei Erdbeben robuster als die herkömmliche Massivbauweise sein. Aber auch Beton und Stahl gehören zu den stabilisierenden Materialien. Worauf kommt es letztlich beim erdbebensicheren Bauen an? Und welche Vorsorgemaßnahmen sind wichtig?
Übersicht
Wie hoch ist das Erdbebenrisiko in Deutschland?
In Deutschland hat es in den letzten Jahrzehnten keine schwerwiegenden Erdbeben gegeben, die größere Zerstörungen verursacht haben. Zudem ist das Erdbebenrisiko hierzulande vergleichsweise gering. Wenn man jedoch geschichtlich zurückblickt, haben auch hier moderate Erdbeben mit mittleren Magnituden stattgefunden und größere Schäden angerichtet. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Italien und der Türkei sind die Erschütterungen jedoch nicht so stark. Dennoch sollte man die Gefahr nicht unterschätzen. Laut dem Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) gibt es in Deutschland jährlich hunderte Erdbeben.
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Erdbebenzonen in Deutschland
„Auch in Deutschland gibt es Bereiche, in denen Erdbebensicherheit beim Bauen erforderlich ist, weil es dort auch immer wieder Erdbeben geben kann“, erklärt Dr.-Ing. Christian Müller, Vorstand vom Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg e.V. Die gute Nachricht ist, dass der größte Teil Deutschland überwiegend von Erdbeben verschont bleibt. In Deutschland gibt es vier Erdbebenzonen, die in der DIN 4149 festgelegt sind. Diese Zonen werden als Zone 0, Zone 1, Zone 2 und Zone 3 bezeichnet. Diese Einteilung orientiert sich daran, wie stark Erdbeben maximal in diesen Gebieten Deutschlands auftreten können.
- Zone 0: In diesen Gebieten gibt es kaum Erdbeben. Dort muss man keine baulichen Maßnahmen treffen.
- Zone 1: In dieser Zone kann es zu geringen bis mäßigen Erschütterungen kommen. Erdbeben können hier möglich sein. Deswegen muss man dort bauliche Maßnahmen nach DIN 4149 treffen.
- Zone 2: Hier können Erdbeben in gemäßigter Stärke vorkommen. Bauliche Maßnahmen nach DIN 4149 müssen getroffen werden, denn Erdbeben können schwere Schäden anrichten
- Zone 3: Diese Zone wird als höchste eingestuft. Dort können mit aller Wahrscheinlichkeit stärkere Erdbeben stattfinden, die schwerwiegende Schäden anrichten können. Bauliche Maßnahmen nach DIN 4149 müssen getroffen treffen.
Hausbau in erdbebengefährdeten Zonen
Zu den von Erdbeben gefährdeten Gebieten in Deutschland zählen Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Sachsen und Thüringen. Stärkere Erdbebengebiete mit den Zonen 2 und 3 sind die Kölner Bucht, die Schwäbische Alb und der äußerste Südwesten Baden-Württembergs zwischen Freiburg und Basel. Weniger gefährdet sind Erdbebenzonen, die der Zone 1 angehören. Dazu gehören der gesamte Rheingraben und der Streifen von Chemnitz-Plauen bis nach Halle-Leipzig. Hier finden Sie die komplette Erdbebenzonenkarte.
Möchte man in einer erdbebengefährdeten Zone ein Grundstück kaufen und ein Haus darauf bauen, muss man das ganze Bauvorhaben an die Bestimmungen vor Ort anpassen. Am besten holt man sich einen Statiker, der sicherstellen kann, dass das Haus den erforderlichen Standards nach DIN 4149 entsprechen.
Wie kann man ein Haus erdbebensicher Bauen?
Wenn man ein Haus erdbebensicher bauen möchte, ist es ratsam, unterstützende Materialien zu verwenden. Ingenieur Dr. Müller empfiehlt dabei Beton, Stahl oder auch Holz. In Fachkreisen spricht man auch von einer strukturellen Aussteifung eines Gebäudes. Damit kann man bereits tragende Wände verstärken und stabilisieren. „Bei denkmalgeschützten Gebäuden macht man das auch in der Regel in Deutschland, etwa wenn man Sorge hat, dass die alten Gebäude diese Erdbebenlasten nicht halten“, erklärt der Statik-Experte.
Auch sollte man beim erdbebensicheren Bauen darauf achten, dass relativ starre Körper und kompakte Bauformen verwendet werden. Diese gehen erfahrungsgemäß mit der Bewegung mit, ohne gleich einzustürzen. Tatsächlich ist auch ein „symmetrischer Aufbau mit tiefem Schwerpunkt“ besser als ein unregelmäßiger Grundriss.
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Zusätzliche Wände und geeignete Materialien stützen das Gebäude
Wenn man ein Gebäude in Deutschland erdbebensicher baut, ist der Aufwand geringer als zum Beispiel in der Türkei. Jedoch gibt es laut Christian Müller in Istanbul eine ernsthafte Problematik. „Dort gibt es Bestandsgebäude, die eigentlich nicht erdbebensicher geplant sind und im Erdgeschoss oftmals große Ladengeschäfte drin haben. Dafür werden aussteifende Wände entfernt und die Gebäude im Erdgeschoss sind dann zu weich, um die Horizontallasten aus Erdbeben zu tragen“, erklärt der Statiker. Er vergleicht es mit einem Tisch, der sich horizontal bewegt, die Last allerdings zu langsam ist. „Wenn die Aussteifung zu schwach ist, um diese Verformungen auszuhalten und das ganze Gebäude dann im Grunde nachsackt.“
Der Experte fügt noch hinzu, dass insbesondere die Wände im Erdgeschoss verstärkt werden müssen. Er erläutert, dass bei Neubauten in der Regel Beton verwendet wird, während bei nachträglicher Verstärkung von Bestandsgebäuden oft auf Stahlkonstruktionen zurückgegriffen wird. Bei Holzgebäuden hingegen kann die Verstärkung mit Holz erfolgen.