29. August 2023, 13:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Um die Hecke an der Grundstücksgrenze beidseitig zu pflegen, ist es nötig, das Grundstück des Nachbarn zu betreten. Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten fällt es jedoch nicht leicht, dem anderen die Erlaubnis zu geben, das Grundstück zu betreten. Mitunter ist das aber auch nicht nötig.
Jede Person kann eigenständig darüber bestimmen, wer das eigene Grundstück betreten und sich dort aufhalten darf – und wer nicht. Zum Problem kann dies unter zerstrittenen Nachbarn werden, wenn es etwa für die Instandsetzung des eigenen Hauses notwendig ist, den Grund des Nachbarn zu betreten. Darum gibt es das Hammerschlags- und Leiterrecht. Dieses klärt, wann man seinen Nachbarn aufs Grundstück lassen muss.
Übersicht
Was verbirgt sich hinter dem Hammerschlags- und Leiterrecht?
- Das Hammerschlagsrecht gewährt einem Hausbesitzer Zutritt zum Grundstück des Nachbarn, um von diesem aus Instandsetzungs-, Erhaltungs- oder Bauarbeiten am eigenen Haus durchführen zu können.
- Das Leiterrecht hingegen regelt das Aufstellen von Gerüsten und das vorübergehende Lagern von Werkzeugen sowie Material auf dem Nachbargrundstück.
Bei beiden Rechten handelt es sich um sogenanntes Landesrecht. Schauen Sie bei Bedarf daher unbedingt auf das jeweilige Landes-Nachbarrechtsgesetz. „Auch wenn die Regelungen sich im Kern ähneln, muss man sich immer zunächst über die konkrete Rechtslage in dem Bundesland schlaumachen“, rät Ralf Schönfeld, Rechtsanwalt und Verbandsdirektor von Haus & Grund, dem Landesverband der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer von Rheinland-Pfalz e. V.
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Wann dürfen Nachbarn vom Hammerschlags- und Leiterrecht Gebrauch machen?
Hammerschlags- und Leiterrecht gelten vor allem bei Bau- und Instandsetzungsarbeiten. Auch Hoch- und Tiefbauarbeiten aller Art, die zur ordnungsgemäßen Errichtung oder Erhaltung eines Gebäudes erforderlich sind, fallen darunter. Aber auch Schönheitsreparaturen, etwa ein neuer Außenanstrich. Hauptanwendungsfälle sind vor allem Verputz- oder sonstige Ausbesserungsarbeiten an einer Grenzwand. Als Grenzwand gilt hierbei die unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück errichtete Wand, die in ihrer vollen Stärke auf dem Grundstück des Erbauers steht.
Im Vorfeld der Bauarbeiten gilt es jedoch erst einmal zu prüfen, inwiefern es tatsächlich notwendig ist das Grundstück des Nachbarn zu betreten. Der Experte spricht hierbei vom Prüfen der „Zweckmäßigkeit“. Legitim ist es beispielsweise, wenn sich die Arbeiten ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks erheblich in die Länge ziehen würden. Ebenso, wenn die Ausführung dieser beträchtlich erschwert würde.
„Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn es für den Bauherrn lediglich bequemer ist, die Arbeiten unter Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks durchzuführen“, erläutert Ralf Schönfeld.
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Welche Fristen und Formalitäten müssen beachtet werden?
Ganz spontan und ohne Voranmeldung müssen Sie Ihren Nachbarn für Bauarbeiten natürlich nicht aufs Grundstück lassen. Die betreffenden Regelungen sind individuell in den jeweiligen Landesgesetzen geregelt. Wer davon beispielsweise in Rheinland-Pfalz Gebrauch machen möchte, muss dies zwei Wochen vor Beginn der Benutzung dem Eigentümer oder dem Nutzungsberechtigten anzeigen. „Mitzuteilen sind alle Einzelheiten, die der Nachbar kennen muss, um etwaige Einwendungen erheben zu können. Für die Anzeige ist die Schriftform nicht vorgeschrieben, jedoch geboten“, rät Ralf Schönfeld.
Erst nach Ablauf der Frist dürfen die Bauarbeiten beginnen. Sind jedoch sämtliche Beteiligte mit einem früheren Beginn einverstanden, können diese natürlich auch schon früher starten.
Kann mir mein Nachbar den Zutritt verwehren?
Sie haben das Bauvorhaben Ihrem Nachbarn angezeigt, aber er verwehrt Ihnen den Zutritt? Auf keinem Falle sollten Sie jetzt eigenmächtig das Nachbargrundstück betreten, Baugerüste aufstellen und Material lagern! Vielmehr kann Ihr Nachbar Sie wegen Hausfriedensbruch anzeigen, wenn Sie ohne Zustimmung das Nachbargrundstück betreten.
In diesem Falle empfiehlt der Experte: „Bestreitet der Nachbar oder Nutzungsberechtigte des Nachbargrundstücks, dass die Voraussetzungen für das Hammerschlags- und Leiterrecht gegeben sind, muss gegen ihn ein gerichtlicher Duldungstitel (Duldungsurteil) erwirkt werden.“ Erst dann dürfen die Arbeiten beginnen.
Etwas anderes ist es in Notsituationen, beispielsweise bei Überschwemmungen oder Brand. Um Schäden am eigenen Haus zu verhindern oder zu vermindern, dürfen Sie in diesem Falle entsprechend des Betretungsrechts das Grundstück des Nachbarn ohne vorherige Zustimmung betreten.
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Wer haftet bei Schäden auf dem Nachbargrundstück?
Beim Nutzen des Hammerschlags- und Leiterrechts gilt es, das Nachbargrundstück nach Möglichkeit zu schonen. Auch dürfen die Rechte nicht zu Unzeiten gelten gemacht werden.
Doch was passiert eigentlich im Schadensfall? „Der auf dem Nachbargrundstück entstehende Schaden ist ohne Rücksicht auf Verschulden zu ersetzen“, so Ralf Schönfeld. Auf Verlangen könne sogar Sicherheit in Höhe des voraussichtlichen Schadenbetrags geleistet werden. In einem solchen Falle dürften die Bauarbeiten erst nach Leistung der Sicherheit beginnen.
Die Benutzung seines Grundstückes muss der Nachbar grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen. Interessant wird es jedoch bei größeren Bauvorhaben: Wird das Nachbargrundstück länger als zwei Wochen in Anspruch genommen, kann der Betroffene Entschädigung für die komplette Zeit der Benutzung verlangen. Diese ist in der Regel so hoch wie die ortsübliche Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz.