4. November 2020, 21:21 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Gips ist ein wichtiger Baustoff, der knapp werden könnte. Vor allem die Baubranche setzt auf Gips, der als Nebenprodukt bei der Verfeuerung von Kohle in Kraftwerken abfällt. Mit dem Kohleausstieg werden jedoch immer mehr Kraftwerke stillgelegt. Nach Alternativen wird händeringend gesucht.
Ohne Gips geht nicht viel. Das gilt für ein gebrochenes Bein ebenso wie für die Baubranche. Putz und Estrich sind nur zwei der vielen Möglichkeiten, wie Gips auf dem Bau verarbeitet wird. Der Baustoff ist wichtig: Rund zehn Millionen Tonnen braucht man hierzulande jährlich. Diesen immensen Bedarf, der nach Ansicht von Experten in den kommenden Jahren noch steigen dürfte, wird bisher nur zu einem kleinen Teil durch den Bergbau gedeckt. Dort kommt Gips in natürlicher Form vor. Die weitaus größere Menge stammt aus Kohlekraftwerken.
Die Baubranche setzt auf künstlichen Gips
Wird Kohle im Kraftwerk verfeuert, entsteht als Nebenprodukt der sogenannte REA-Gips. Um das Klima nicht noch weiter zu belasten, kommen in Kohlekraftwerken spezielle Filteranlagen zum Einsatz, die Rauchgas-Entschwefelungsanlagen – oder kurz REA. In diesen Anlagen spielt sich ein chemischer Prozess ab: Dem bei der Verfeuerung der Kohle entstehenden Schwefeloxid wird Kalkstein zugemischt. Als Resultat entsteht REA-Gips, der sich von natürlichem Gips nicht unterscheidet.
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Wo liegt das Problem mit dem Gipsabbau?
Dieser REA-Gips deckt bisher den größten Bedarf der rohstoffhungrigen Bauindustrie. Doch in Zukunft werden immer mehr Kohlekraftwerke abgeschaltet. Damit wird REA-Gips zur Mangelware. Die nahestehende Möglichkeit wäre dann, verstärkt Naturgips abzubauen.
Das ruft Umweltschützer auf den Plan. Denn durch den Abbau sind ökologisch wichtige Karstlandschaften gefährdet. Darunter die Gips-Karstlandschaft im Südharz (Niedersachsen und Thüringen). Dort sollen nach einem Bericht des MDR rund die Hälfte der deutschen Reserven liegen.
Der Umweltverband Bund weist auf die Bedrohung durch den Gipsabbau hin. Mit Sprengungen und schwerem Gerät mache man einzigartige Natur-Landschaften unwiderruflich platt. Seltene Pflanzen und Tiere würden ihren Lebensraum verlieren. Der Bund fordert deshalb, dass Naturgips bis 2045 deutschlandweit nicht mehr abgebaut werden darf.
Die Experten vom Bundesverband der Gipsindustrie sehen das naturbedingt etwas anders. Sie meinen, dass gerade Gruben und Steinbrüche als letzte Rückzugsgebiete für stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten dienen.
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Doch woher Gips nehmen, wenn nicht stehlen?
Würde der natürliche Abbau verboten, müsste Gips verstärkt aus dem Ausland importiert werden. Darunter leiden dann wiederum andere Karstlandschaften. Das Problem wäre also nur verlagert.
Gips lässt sich eigentlich gut recyceln. Doch als Baustoff ist er in der Regel mit anderen Stoffen gemischt. Das macht das Recycling ziemlich aufwendig. Ein Grund, weshalb das Verfahren in Deutschland kaum zum Zuge kommt. Derzeit gewinnt man hierzulande pro Jahr eine halbe Tonne Gips aus Recycling. Zudem ist es immer noch günstiger, den Bauschutt ins Ausland zu bringen oder zu deponieren, als ihn zu recyceln.
Der Bund hält in einem Gutachten vor, es gebe bereits giftfreie Baustoffe als Alternativen zu Gipsbauplatten. Zum Beispiel Holzbauplatten, Lehmbauplatten, Strohbauplatten. Ob das reicht, um den Bedarf zu decken, bleibt fraglich. Zukünftig muss wohl noch an weiteren Alternativen geforscht werden.