25. Juli 2022, 10:41 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Deutschland steckt mitten in der Gas-Krise. Die Kosten steigen, das Gas wird weniger. Dabei wird in Millionen Gebäuden hierzulande mit Gas geheizt. Umso brennender ist die Frage: Sollte man jetzt seine Gasheizung austauschen oder nicht? Wir haben beim Experten nachgefragt.
Eigentümer in Deutschland sind extrem verunsichert. Aufgrund des Ukraine-Kriegs steigen die Gas-Preise massiv an, der Rohstoff droht zugleich immer knapper zu werden. Außerdem drängt die Politik auf Alternativen zur Gasheizung. Viele Verbraucher machen sich deshalb über einen möglichen Austausch oder die Modernisierung, insbesondere ihrer Gasheizung, Gedanken. Aber lohnt sich dieser Schritt wirklich? myHOMEBOOK hat beim Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie nachgefragt.
»Die Modernisierung der Heizsysteme macht nicht erst seit der Gas-Krise Sinn
myHOMEBOOK: Alle sprechen aktuell von einer Gas-Krise, oftmals wird der Austausch von Gasheizungen empfohlen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Frederic Leers vom Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie: „Die Politik nutzt den Begriff der Gasmangellage. Fakt ist: Die Menschen sind aktuell sehr sensibel für das Thema. Dabei macht die Modernisierung des Heizsystems nicht erst Sinn, seitdem das Gas knapp wird. Sondern wir hatten bereits vor dem 24. Februar sehr ambitionierte Klimaziele. Für den Gebäudebereich müssen wir konkret, von heute ausgehend, von 120 Millionen Tonnen CO2 auf 67 Millionen Tonnen bis 2030 herunterkommen. Das entspricht einer Reduktion von 40 Prozent. Hier gibt es viel zu tun.“
„In Deutschland sind 14 Millionen gasbasierte Zentralheizungen in Betrieb. Wovon ungefähr 7 Millionen als technisch veraltet zu bezeichnen sind. Hier liegen gewaltige Energieeinsparpotenziale. In jedem Fall macht es Sinn dafür zu sorgen, dass die bestehende Heizung effizient arbeitet. Auch die Einbindung von Solarthermie kann für Heizungen, die um die 10 Jahre alt sind, erhebliche Einsparungen realisieren. Wenn die eigene Heizung nicht mehr dem neuesten technischen Stand entspricht oder tatsächlich in die Jahre gekommen ist, lohnt es sich, über eine Modernisierung nachzudenken.“
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Welche Förderungen gibt es?
Wer seine Heizung oder Gasheizung modernisieren oder austauschen möchte, kann auf Förderungen vom Staat hoffen. Es gibt die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Bei Heizungsanlagen werden unterschiedliche Modelle finanziell unterstützt. Entscheidet man sich beispielsweise für eine Wärmepumpe, liegt der Höchstsatz der Förderung bei 45 Prozent. Ähnlich sieht es bei EE-Hybridheizungen aus. Gas-Hybridanlagen können bis zu 40 Prozent der Investitionskosten erstattet werden und bei Solarthermieanlagen bis zu 30 Prozent.
Die Politik will diese Klimaziele vor allem mit der Umrüstung auf die Wärmepumpe erreichen. Der Fokus liegt klar auf dieser Heizalternative. Gehen Sie als Verband da mit?
„Die Wärmepumpe spielt bei der Umsetzung der Wärmewende eine wichtige Rolle. Vor allem im Neubau ist sie klarer Marktführer. In Bestandsgebäuden kommt es insbesondere auf die energetische Qualität des Gebäudes sowie auf die Art der Heizkörper an. Wärmepumpen sind insbesondere dann sehr wirtschaftlich, wenn das Gebäude bereits eine gewisse energetische Qualität aufweist und etwa eine Fußbodenheizung vorhanden ist. In diesen Fällen können die Wärmepumpen mit ihren niedrigen Vorlauftemperaturen ihre Vorteile voll ausspielen. Die Hersteller arbeiten auch an Wärmepumpen, die höhere Vorlauftemperaturen bereitstellen. Damit können auch herkömmliche Heizkörper eine angenehme Raumtemperatur bereitstellen.“
„Wir brauchen daneben aber weitere technische Lösungen, denn die Wärmepumpe ist nicht für jedes Gebäude die wirtschaftlichste Alternative. Dies zeigt auch das jüngste Konzeptpapier der beiden Bundesministerien für Bauen und Wirtschaft. Hier wird deutlich gemacht, dass man einen breiten technischen Lösungskanon für die Wärmewende braucht und nutzen kann.“
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»Die Wärmewende muss technologieoffen erfolgen
Was würden Sie stattdessen empfehlen?
„Einsparungen des Erdgasverbrauchs können sie wie bereits gesagt durch die Optimierung des Betriebs der bestehenden Anlage erzielen. Bei veralteten Heizungen kommt eine Modernisierung auf eine moderne wasserstofffähige Gas-Brennwertheizung infrage. Bei moderneren Anlagen können zusätzliche Energieeinsparungen durch die Hybridisierung der bestehenden Gas-Heizung mit einer Heizungs- oder Warmwasserwärmepumpe oder über eine Solarthermieanlage, zusätzliche holzbasierte Heizsysteme, KWK-Anlagen und die Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung erzielen.“
„Diese Optionen werden derzeit alle vom Staat gefördert. Es geht aber nicht nur um die effiziente Nutzung von Energie, wir werden auch eine Veränderung im Energiemix sehen. So kann Erdgas künftig immer mehr durch klimaneutrales Biomethan oder Wasserstoff ersetzt werden. Das Gleiche gilt für Heizöl, hier werden wir künftig auch klimaneutrale synthetische Öle zum Heizen nutzen. Die Geräte sind bereits heute dafür ausgelegt und können vom qualifizierten Fachhandwerk eingebaut werden.“
Sollten Eigentümer ihre Gasheizung jetzt noch schnell austauschen?
„Es ist in jedem Falle sinnvoll, sich vorab von einem Fachmann, also entweder einem Energieberater, Schornsteinfeger oder einem SHK-Installateur beraten zu lassen. Welche Heizung für ein Gebäude geeignet ist, hängt nicht zuletzt vorrangig von dem zu beheizenden Gebäude ab. Aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und der Planungshorizont der Eigentümer (bei selbstgenutzten Objekten) spielt dabei eine Rolle.“
„Ob am Ende der Planung dann die Modernisierung mit einer wasserstofffähigen Brennwertheizung unter Einbindung von Solarthermie oder eine Wärmepumpe steht, ist von diesen Faktoren abhängig. Allgemein kann man nur sagen, dass es keine Lösung gibt, die für den gesamten Bestand gleichermaßen gut geeignet ist.“
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»Bei jeder zweiten Heizung in Deutschland besteht Einspar-Potential
Angenommen, ich wohne in einer sanierten Altbauwohnung mit Gasheizung. Würden Sie mir empfehlen, diese weiterzunutzen, oder lieber nach einer Hybrid-Alternative zu suchen oder gänzlich nach einer Alternative mit ausschließlich erneuerbaren Energien?
„Ihr Handlungsspielraum hängt zunächst stark davon ab, ob sie Mieter oder Vermieter sind. Unabhängig davon sollte geprüft werden, ob das Heizsystem dem Stand der Technik entspricht. Im Mehrgeschossbau gibt es sowohl die Option der Gasetagenheizung, als auch die Möglichkeit einer Zentralheizung. Möglich wäre auch der Einsatz eines Blockheizkraftwerks.“
„Grundsätzlich ist meine Empfehlung: Jeder sollte sich Gedanken machen, ob er bei seinem Heizsystem CO2 sparen kann. Und das ist im Schnitt bei jeder zweiten Heizung in Deutschland der Fall.“
Gasheizungen sollen verboten werden – stimmt das?
Laut dem aktuellen Gebäudeenergiegesetz (GEG) dürfen ab 2024 keine neuen Gasheizungen mehr eingebaut werden. Das heißt:
Gasheizungen, die vor dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, dürfen nicht mehr betrieben werden. Für Gasheizungen, die ab dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, gilt die Austauschpflicht nach Ablauf von 30 Jahren nach Einbau oder Aufstellung. Ausnahmen gibt es etwa für Brennwert- und Niedertemperatur-Kessel. Welchen man hat, kann man beim Bezirksschornsteinfeger anfragen.
Aber bedeutet das Gebäudeenergiegesetz das Aus für die Gasheizung?
Nein, sagt Frank Ebisch vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima. Für das GEG würde gerade an einer Novelle gearbeitet. Zudem gebe es einige Ausnahmen. „Von einem kompletten Verbot der Gasheizungen kann man mit Blick auf die Planungen für 2024 nicht sprechen. So wie es aussieht, wird es die Optionen der Hybridanlagen geben. Kombinationen mit Solarthermie oder auch die Kombi Brennwertgerät Gas und Wärmepumpe“, so Ebisch gegenüber myHOMEBOOK.