11. März 2022, 10:39 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Heizen war in Deutschland über Jahrzehnte eine Sache von Öl und Gas. Doch jetzt kommt die Energiewende, deren Tempo der Krieg von Russland in der Ukraine verschärft hat. Das Zeitalter für neue Heizsysteme hat begonnen. Welches System welche Vor- und Nachteile bietet, erklärt ein Heizungsexperte bei myHOMEBOOK.
Steigende Heizkosten gehören zu den großen Themen dieser Tage. Selten zuvor schossen die Preise derart in die Höhe wie jetzt, vor allem für Systeme mit fossilen Brennstoffen, also Öl und Gas. Das Vergleichsportal Verivox hat errechnet, dass zwischen September 2021 und Januar 2022 die Preise fürs Heizen mit Öl um 73 Prozent teurer geworden sind – obwohl der zurückliegende Winter milder war als der vorherige. Umso wichtiger wird es, sich nach einem Heizsystem umzuschauen, welches günstiger ist – und bestenfalls noch die Umwelt schont. Denn letzteres tun fossile Brennstoffe auf keinen Fall. Es wundert daher nicht, dass klimafreundliche Heizsysteme wie Pellet (holzbasiert) oder auch Wärmepumpen neuerdings stark nachgefragt werden.
Übersicht
Moderne Heizsysteme sind gefragt
Laut Bundesverband Deutsche Heizungsindustrie (BDH) wurden im vergangenen Jahr 53.000 Pelletheizungen verkauft – das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 53 Prozent. Bei den Wärmepumpen fiel der Zuwachs ebenfalls spürbar aus: 154.000 Anlagen wurden 2021 verkauft, das ist immerhin noch ein Plus von 28 Prozent. Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2021 929.000 Heizungssystem verkauft – das ist ein Anstieg um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die Notwendigkeit, die eigene Heizung zu sanieren, haben viele Verbraucher erkannt“, sagt Matthias Wagnitz, Referent für Energie- und Wärmetechnik im Zentralverband Sanitär Heizung Klima (Potsdam) auf myHOMEBOOK-Anfrage.
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Das Ende des Öl- und Gaszeitalters
Die absatzstärkste Technik ist allerdings wie in den Jahren zuvor die Gas-Brennwerttechnik mit einem Anteil von über 70 Prozent am Gesamtmarkt. Doch durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, verbunden mit drohenden Einschränkungen bei den Öl- und Gaslieferungen aus Russland, könnte das deutsche Energiesystem durcheinandergewirbelt werden. Weg von Öl und Gas, hin zu regenerativen Energiequellen – so lautete ja jüngst auch die Botschaft von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
„Die alte Standardtechnik Öl- und Gaskessel wird überhaupt nicht mehr gefördert“, sagt Heizungsprofi Wagnitz. Dieses populäre System funktioniert zwar noch, doch seit 2015 sinkt dessen Marktanteil. „Immer mehr Verbraucher orientieren sich in Richtung Erneuerbare Energien“, sagt der Experte. Für Wagnitz darf man nicht nur nach Fördergeldern schauen, ihm geht es auch darum, den CO2-Ausstoß senken. „Und das wird schwierig, wenn ich weiter fossil heize. Bio-Öl ist eine Option, aber nur in kleinen Mengen auf dem Markt. Bio-Gas ist halbwegs erhältlich, Wasserstoff praktisch noch gar nicht. Das ist eher Zukunftsmusik.“
Heizsysteme im Vergleich
Wie die unterschiedlichen Heizungssysteme arbeiten, erklärt Fachmann Matthias Wagnitz für myHOMEBOOK. Manches ist etwas für Liebhaber, manches völlig aus der Mode gekommen. Ein Überblick:
1. Öl- und Gasheizung
„Diese beiden gehören inhaltlich zusammen“, sagt Wagnitz. „Das ist die Standardtechnik in Deutschland, und sie funktioniert seit Jahrzehnten.“ Sie ist in der Anschaffung vergleichsweise günstig, lässt sich schnell austauschen, ohne größere Folgearbeiten. „Allerdings krankt dieses System daran, dass damit der CO2-Ausstoß nur begrenzt reduziert werden kann. Wenn man es aber richtig macht, ist durchaus eine Reduktion von 25 Prozent möglich“, erklärt der Experte.
Er führt weiter aus: „Wir beobachten zudem politische Tendenzen, dass fossile Brennstoffe allein unerwünscht sind. Bestenfalls als Hybridsystem mit einer Solaranlage.“ Ab dem 1. Januar 2026 dürfen Ölkessel nur noch in Verbindung mit erneuerbaren Energien, wie etwa einer Solaranlage verbaut werden, sind aber noch zulässig. „Wie die neue Regierung mit diesem Thema umgehen wird, lässt sich schwer vorhersagen“, sagt Wagnitz.
Gegen Öl und Gast spricht laut dem Experten für Heizsysteme eindeutig, dass beides dauerhaft im Kampf gegen den Klimawandel ungeeignet ist. Die Investitionskosten für eine Öl- und Gasheizung für ein durchschnittliches Einfamilienhaus liegen etwa bei 10.000 Euro. Es hänge immer davon ab, was man genau einbauen will:
„Als Faustregel: Je schlechter, also sanierungsbedürftiger der Zustand des Gebäudes ist, das man vielleicht erwirbt, desto eher rate ich zu fossilen Brennstoffen, wenn keine Gebäudesanierung möglich ist. Bei Neubauten oder Totalsanierungen empfiehlt sich häufig eine Wärmepumpe.“
Matthias Wagnitz, Referent für Energie- und Wärmetechnik im Zentralverband Sanitär Heizung Klima
2. Kohleheizung
Heizungs-Profi Wagnitz: „Dieses System ist so gut wie kein Thema mehr.“
3. Biomasse mit Pellets
„Dieses komfortable System kommt immer mehr in Mode“, weiß Wagnitz. Bei Biomasse verfeuert man Pellets oder Scheitholz. Pellets sind gepresste Feststoffe aus der Holzverarbeitung, die entrindet werden, weil Rinde bei der Verbrennung problematisch ist. Dieses Restholz wird geschreddert und dann in genormte Pillen gepresst. Diese sind maschinell einfach aus dem jeweiligen Lager in den Flammenraum zu transportieren und gelangen genau dosiert ins Feuer. „Damit kann der Besitzer seine Verbrennung so steuern, wie er sie braucht, ohne täglich neu anzuheizen“, erklärt Wagnitz.
Das Gerät läuft weitgehend vollautomatisch. Selbst die Entaschung funktioniert automatisch – man muss das Gefäß nur etwa einmal im Monat entleeren. Und alle ein bis zwei Jahre muss das Pelletlager geleert und entstaubt werden.
Pelletheizungen verbrennen den Brennstoff grundsätzlich sehr sauber – wenn die Anlage richtig und regelmäßig gewartet wird. Trotzdem empfiehlt sich das System nicht als Standard für eine enge Reihenhaussiedlung. „Denn so sauber wie eine Gasheizung verbrennt auch ein Pelletkessel nicht“, erklärt Wagnitz. „Sie sind zwar Co2-neutral, aber man muss immer etwas Feinstaub und Geruch einkalkulieren.“
Die Investitionskosten liegen in Abhängigkeit vom Holzlager und der Größe des Kessels ohne Fördermittel bei etwa 35.000 Euro. Aber: „Wenn Sie Ihre Gasheizung auf Pellet umstellen, zahlt der Staat 35 Prozent der Umrüstungskosten, bei Ölkesseln gar 45 Prozent“, sagt der Profi. „Und haben Sie vorher noch eine Energieberatung in Anspruch genommen, gibts noch mal fünf Prozent. Im besten Fall zahlt Ihnen der Staat also die Hälfte der neuen Heizung.“
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4. Biomasse mit Scheitholz
„Scheitholzverbrennung ist hingegen ein aufwendiges System“, erklärt Wagnitz. „Denn hier muss ich ja erst das Holz beschaffen, in Scheite hacken und lange lagern, damit es trocknet.“ Das sei eine günstige Variante für Leute, die an dieser Tätigkeit Spaß haben. „Deutlich teurer wird es, wenn ich mir gleich Scheite liefern lasse.“
Noch ein Problem laut Wagnitz: „Das Scheitholzsystem muss ständig gepflegt und das Feuer meist zweimal am Tag angezündet werden.“ Die Entaschung ist zudem per Hand vorzunehmen. „Dafür gibt es eine Klientel, aber die ist meist im ländlichen Raum vorzufinden, weil man dort einfach an Brennholz herankommt.“ Für den städtischen Kunden ist das nichts, weil man auch viel Platz für die Holzlagerung benötigt. „Zudem haben wir bei der Verbrennung von Scheitholz im Vergleich zu Holzpellets schlechte Abgaswerte“, ergänzt Wagnitz.
5. Wärmepumpe
Die Wärmepumpe arbeitet mit Strom als Antriebsenergie, und deswegen ist dieses System scheinbar relativ teuer. „Aber Sie benötigen nicht dieselbe Menge an Energie wie sie an Wärme verbrauchen, das ist der große Unterschied zu Öl und Gas, wo das Verhältnis 1:1 ist“, erklärt Wagnitz. „Sie kaufen nur ein Drittel oder gar ein Viertel des benötigen Stroms ein, weil Sie ja damit nicht direkt Wärme erzeugen, sondern mit dem Strom Wärme aus der Umgebung in Ihr Heizungssystem transportieren.“
„Das ist wie ein Kühlschrank“, erläutert Wagnitz. „Dort pumpen Sie die Wärme aus dem Innenraum des Kühlschranks und erwärmen die Küche über die Rohrschlange, die man bei älteren Kühlschränken auf der Rückseite noch sehen kann.“
Bei der Wärmepumpe wird in den meisten Fällen die Außenluft als Wärmequelle verwendet. „Selbst aus Temperaturen bis minus 20 Grad kann ich noch Wärme herausziehen“, weiß Wagnitz. Eine Wärmepumpe erzeugt im Jahresmittel aus einer Kilowattstunde Strom durchschnittlich drei bis vier Kilowattstunden Wärme, noch mehr bei einem Neubau.
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6. Solarthermie
„Sonnenkollektoren zur Wärmeerzeugung (Solarthermie) sind eine gute Ergänzung zu jedem Wärmeerzeuger und bietet sich bei Kesselkonstruktionen an, also bei fossilen Brennstoffen oder Biomasse“, sagt Heizungsprofi Wagnitz. Gute Solarsysteme schaffen es, 80 Prozent der Wärmeerzeugung zu gewährleisten – „doch das ist ‚Solarthermie brutal‘ und nicht der Alltag“ meint Wagnitz.
„Hier reden wir über top gedämmte Gebäude, also Neubaustandard. Und wir reden hier über einen Pufferspeicher von 8000 Liter und mehr.“ In diesem Fall wird das Haus praktisch um den Puffer herum gebaut. „Auf dem Dach benötigen Sie Kollektorflächen von mindestens zwanzig Quadratmeter. Das geht alles, ist aber aufwendig.“
Mit relativ wenig Aufwand verbunden ist die Nutzung zur Warmwasserbereitung oder eine moderate Heizungsunterstützung. Hier kann die Solarthermie laut Wagnitz je nach Ausgangssituation zusätzlich zu den Einsparungen durch einen neuen Kessel noch einmal 10 Prozent einsparen.
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7. Photovoltaik
Bei Photovoltaikanlagen hingegen wird Strom erzeugt. „Dieser ist universell im Gebäude einsetzbar, also auch für Licht und Kühlschrank“, erklärt Wagnitz. „Dafür ist der Ertrag im Vergleich zum thermischen Sonnenkollektor schlechter. Deswegen bietet es sich nicht an, den PV-Strom in Elektroheizkörpern zu verheizen.“
In einer Wärmepumpe aber wird aus der relativ schlechten Ausbeute auf dem Dach eine hervorragende Ausbeute an Wärme. „Deswegen bietet sich hier eine Kombination geradezu an. Der Überschuss wird im Gebäude genutzt, einer Batterie gespeichert oder einfach ins Netz eingespeist“, sagt Wagnitz. Es gibt also anders als bei Solarthermie immer einen Abnehmer.
Über das Jahr bilanziert schafft man es vergleichsweise einfach, genauso viel Strom zu erzeugen, wie man für Heizung und Warmwasser benötigt. „Eine unmittelbare Bedarfsdeckung ist im Winter aber nur teilweise möglich“, sagt der Experte. „Man ist also auf eine Stromlieferung weiterhin angewiesen.“
9. Elektroheizung
„Sie sind allenfalls für einen Nebenraum geeignet, der selten geheizt werden muss“, sagt Wagnitz. Aufgrund der hohen Energiekosten solle man sich das genau überlegen. Der Experte führt aus: „Man kennt ja das System der Nachtspeichergeräte. Hier sind die alten Geräte Stromfresser. Die modernen Geräte sind deutlich hochwertiger, weil leiser und besser gedämmt. Das relativiert das Problem.“ Im Vergleich zu einer Wärmepumpe bleiben die Wärmekosten aber sehr hoch. Die Heizkosten liegen laut Wagnitz um das drei- oder vierfache höher.
10. Mini-Blockheizkraftwerk
„In diesen kleinen Kraftwerken werden zur Energie- und Stromerzeugung Brennstoffe verfeuert“, sagt Wagnitz. „Das alte System mit Motor für ein Einfamilienhaus gibt es praktisch nicht mehr.“ Jetzt funktioniert die Technik für einen solchen kleinen Bereich mit Brennstoffzellen.
„Das ist etwas für Menschen, die Spaß an der Technik haben“, weiß Wagnitz. Zudem ist auch das nötige Budget nötig: „Sie müssen mit mindestens 30.000 Euro Investitionskosten rechnen, die Förderung ist großzügig, aber kompliziert, daher werden in Deutschland pro Jahr geschätzt 5000 Geräte verkauft.“
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Fazit
„Die modernen Heizsysteme bieten schon gute Alternativen zu den fossilen Klimakillern Öl und Gas“, erklärt Wagnitz zum Abschluss. „Man muss sie nur nutzen.“