14. September 2021, 16:27 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Viele werdende Eltern oder Paare, die sich in der Zukunft Kinder wünschen, stehen vor dem gleichen Problem: Soll ein Eigenheim her, muss bereits zum Zeitpunkt des Kaufes über die spätere Anzahl der Kinder nachgedacht werden. Sind beispielsweise drei Kinder geplant, so muss die Immobilie schließlich auch Platz für drei Kinderzimmer bieten. Oder etwa doch nicht?
Es erscheint uns fast wie ein ungeschriebenes Gesetz: Jedes Kind benötigt sein eigenes Kinderzimmer. So selbstverständlich ist das aber gar nicht. In der Vergangenheit war es üblich, dass sich mehrere Kinder ein Zimmer teilten und auch in anderen Kulturkreisen sind gemeinsame Schlafräume gang und gäbe. Jedem Sprössling seinen eigenen Rückzugsort bieten zu können, ist in erster Linie eins: Luxus. Bei einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Deutschen reicht das Geld nämlich schlichtweg nicht für eine solch große Wohnung aus. Doch selbst wenn grundsätzlich jedem Kind ein eigenes Zimmer ermöglicht werden könnte, lohnt sich die Überlegung, ob das auch notwendig ist. Was spricht also dafür und was dagegen?
Jedes Kind ein Kinderzimmer – die rechtliche Lage
Schauen wir zunächst einmal, was der Gesetzgeber sagt. Interessant ist dazu vor allem eine Entscheidung des Sozialgerichts Dresden aus dem Jahr 2007. In diesem Rechtsstreit ging es um eine Hartz IV beziehende Familie und die Frage, ob deren Söhne im Alter von 12 Jahren und 17 Monaten Anspruch auf ein jeweils eigenes Zimmer hätten. Die Richter entschieden zugunsten der Familie und legten fest: Mit Ausnahme von Säuglingen steht jedem Kind ein Kinderzimmer zu. Hier ist allerdings zu betonen, dass es bei diesem Rechtsentscheid lediglich um Ansprüche im Rahmen des Bezugs von Arbeitslosengeld II ging. Ein allgemeines Recht auf ein eigenes Zimmer gibt es in Deutschland nicht.
Dazu passend: Tipps, um das Kinderzimmer für ein Schulkind einzurichten
Was dagegen aber tatsächlich im Gesetz verankert ist, ist das von der UN-Kinderrechtskonvention vorgeschriebene Recht auf Privatsphäre. Diese Privatsphäre schließt auch das Recht auf einen Rückzugsort ein. Also doch ein eigenes Zimmer für jedes Kind? Nicht zwangsläufig. Privatsphäre kann dem Nachwuchs auch ermöglicht werden, indem andere Räume zur Verfügung gestellt werden. Eine Regelung über feste Zeiten, zu denen immer jeweils eins der Geschwister das geteilte Kinderzimmer für sich allein hat, ist ebenfalls denkbar.
Ein Babyzimmer ist nicht notwendig
Viele Eltern richten bereits während der Schwangerschaft voller Vorfreude ein dezidiertes Babyzimmer für ihr Neugeborenes ein. Meist geht es dabei gar nicht so sehr um den Schlafplatz des Neuankömmlings, sondern vielmehr darum, dass viele Paare ihr Schlafzimmer nicht mit Wickelkommode, Kleiderschrank & Co. vollstellen möchten. Ein eigenes Babyzimmer schafft in gewisser Weise also hauptsächlich Ordnung und bietet eher den Eltern einen Vorteil als dem Neugeborenen. Ist der Platz für das Kinderzimmer ohnehin schon vorgesehen – beispielsweise bei einem eigenen Haus – bietet sich diese Lösung aber natürlich an.
Umgekehrt müssen sich werdende Eltern, die in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zur Miete wohnen, jedoch keinesfalls Sorgen machen: Ein Babyzimmer ist in der Regel nicht notwendig, denn Säuglinge brauchen körperliche Nähe zu ihren Eltern. Sie vermittelt Neugeborenen Geborgenheit, weshalb sie im Beistellbett direkt neben Mama und Papa sowieso am allerbesten schlafen. Umgekehrt ist es für Eltern ebenso meistens praktischer, einen schreienden Säugling um drei Uhr nachts zur Not auch einfach mal im Bett stillen oder füttern zu können, anstatt bei jedem Weinen erst einmal in ein anderes Zimmer laufen zu müssen.
Jugendliche brauchen Privatsphäre
Anders sieht die Situation bei Teenagern aus. Jungen kommen im Alter von etwa 12 Jahren in die Pubertät, Mädchen oft schon mit 10. Geben die Mittel es her, sollte alles versucht werden, um dem Nachwuchs jetzt ein eigenes Zimmer zu ermöglichen. Bei Kindern in diesem Alter spielen die Hormone verrückt und sie wünschen sich oft nichts sehnlicher als einen Rückzugsort, um einfach mal ihre Ruhe haben zu können. Zudem beginnen nun auch körperliche Veränderungen. Das macht es für Teenager meist sehr unangenehm, wenn sie sich ein Zimmer mit Geschwistern teilen müssen. Ebenfalls nicht zu vergessen: Die Freundschaften von Dreizehnjährigen sind nicht mehr die Gleichen wie im Grundschulalter. Wo zuvor noch mit Lego oder Barbies gespielt wurde, wird nun vielleicht über den Schwarm geflüstert oder der erste Bartwuchs diskutiert.
Und die Altersstufen dazwischen?
Vom Säugling bis zum Teenager ist es ein weiter Weg. Wie sieht die Lage also bei den Altersstufen dazwischen aus? Die Antwort ist hier weniger eindeutig. Bei Kleinkindern und Vorschulkindern kann ein gemeinsames Zimmer eine Reihe an Vorteilen bieten. Zum einen lernen Kinder so besser, zu teilen, Rücksicht auf andere zu nehmen, sich in soziale Gruppen einzufügen sowie Regeln und Grenzen zu respektieren. Zum Anderen stärkt die miteinander verbrachte Zeit auch den Bund zwischen den Geschwistern. Kinder, die ein Zimmer teilen, wären oft überraschend traurig darüber, von ihrem Bruder oder ihrer Schwester getrennt zu werden. Gerade zur Schlafenszeit, wenn die Dunkelheit kleineren Kindern noch Unbehagen verursacht, kann die Anwesenheit des Geschwisterchens ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.
Umgekehrt hat aber auch ein eigenes Zimmer seinen Reiz. Gerade, wenn sich die Geschwister viel streiten oder ein sehr unterschiedliches Nähe-Distanz-Bedürfnis haben, beugen getrennte Räumlichkeiten Konflikten vor. Das eigene Reich kann darüber hinaus die persönliche Entfaltung fördern. Werden Kinder dazu ermutigt, ihr Zimmer jeden Abend aufzuräumen, hilft dies außerdem beim Erlernen von Ordnungssinn und Verantwortung. Ebenfalls sollte nicht vergessen werden, dass ein großer Altersunterschied auch mit abweichenden Schlafenszeiten einhergeht.
Nach der Einschulung kommt ein weiterer Faktor hinzu: die Hausaufgaben. Schulkinder benötigen einen Ort, an dem sie ungestört Hausaufgaben machen oder für Klassenarbeiten und Vokabeltests lernen können. Ein eigenes Zimmer bietet hier tatsächlich die meiste Ruhe, weshalb viele Eltern den Schulanfang als Anlass nehmen, Geschwister nun räumlich zu trennen. Soll das Zimmer weiterhin geteilt werden, muss jedes Kind aber zumindest seinen individuellen Bereich mit persönlichem Schreibtisch erhalten.
Braucht jedes Kind ein Kinderzimmer? Erfahrungen einer Mutter
„Ich stecke mittendrin im Zimmer-Dilemma: Meine beiden Töchter (6 und 9) teilen sich bislang ein 25qm großes Kinderzimmer, aber es ist fraglich, wie lange das noch gut geht: Der aller-, allergrößte Wunsch von beiden ist jeweils ein eigener Raum mit Türen. Zum Geburtstag, zu Ostern, zu Weihnachten. Nichts sonst, nur das. Endlich Ruhe haben, wenn die Freundin zu Besuch kommt und die kleine Schwester nicht nerven soll. Spielen mit den eigenen Sachen, ohne dass geteilt werden muss. Um jeden Zentimeter wird gefeilscht, das ist anstrengend – für sie wie für mich. Also sehe ich mich schon nach Trockenbauern um, die das Zimmer mit Rigipswänden irgendwie teilen. Und die den Wunsch nach zwei Räumen am Ende umsetzen sollen.“
Beatrix Böhm, Redakteurin bei STYLEBOOK
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Kreativ und pädagogisch sinnvoll Warum Sie Kinderzimmer nie fertig einrichten sollten
Fazit
Bei der Frage, ob jedes Kind sein eigenes Reich braucht, spielt vor allem das Alter eine wichtige Rolle. Davor hängt die Entscheidung von mehreren Faktoren ab und sollte immer von der familiären Situation und der Persönlichkeit der Kinder abhängig gemacht werden. In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, dem Nachwuchs geeignete Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Dabei helfen können klar geregelte Zeiten für Privatsphäre sowie eine funktionale Einrichtung des Kinderzimmers, beispielsweise mit Raumtrennern oder anderweitig abgegrenzten Bereichen.