30. August 2020, 15:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Geschirr ist wahrlich kein Leichtgewicht. Während man spätestens beim Umzug das Gewicht von Tellern, Tassen und Co. deutlich zu spüren bekommt, haben Oberschränke in der Küche dieses dauerhaft zu tragen. Doch wie viel Gewicht halten sie eigentlich aus? Und wie wahrscheinlich ist es, dass so ein Küchenschrank plötzlich von der Wand kippt?
Oberschränke in der Küche sind eine praktische Sache. Schnell sind die Küchenutensilien hinter den Türen außer Sichtweite. Genauso schnell sind sie allerdings in angenehmer Höhe auch wieder griffbereit. Über ihre Belastbarkeit machen sich jedoch die wenigsten Gedanken. Was reinpasst, wird verstaut. Wie viel Gewicht mit den gestapelten Tellern, Gläsern und Tassen dabei auf dem Küchenschrank lastet, gerät schnell aus dem Blick. Dabei ist die Belastbarkeit der Schränke durchaus begrenzt.
Wie viel Gewicht können Küchenschränke tragen?
„Bei Küchenmöbeln wird gemäß der DIN 68930 ‚Küchenmöbel – Gebrauchstauglichkeit – Anforderungen und Prüfung‘ eine Beanspruchungsklasse L50 (> Nutzlast von 50 kg/m²) gefordert. Hierbei zählen nur die waagerechten Flächen, also der untere Querboden und die Einlegeböden, welche auch beladen werden können“, erklärt Dipl.-Ing. (FH) Heiner Strack vom Verband der deutschen Möbelindustrie e. V. (VDM) auf Nachfrage von myHOMEBOOK. Möbel, die diese Normen einhalten und durch eine herstellerunabhängige Prüfstelle geprüft wurden, erkennt man laut dem Experten grundsätzlich an folgenden Hinweisen:
- „Möbel Made in Germany“, die mit dem neuen RAL/ VDM-Herkunftsgewährzeichen gekennzeichnet sind
- Möbeln mit dem „Goldenen M“ der Deutsche Gütegemeinschaft Möbel
- Prüfzertifikate akkreditierter Prüflabore
Über die maximale Tragkraft der Küchenschränke geben meist auch die beiliegenden Verkaufsunterlagen (z. B. Typenlisten) Auskunft. Zudem verweisen manche Hersteller mit zusätzlichen Aufklebern an den Oberschränken auch noch einmal auf die maximale Belastung.
Können Mieter bei vorhandenen Einbauküchen die maximale Last der Küchenschränke ermitteln?
Schwieriger ist es allerdings für Mieter bei einer bereits vorhandenen Einbauküche zu ermitteln, wie viel Gewicht die Küchenschränke tragen können. So käme es in erster Linie laut Experten nicht unbedingt auf das Möbelstück selbst, sondern vielmehr auf die Wandbefestigung und deren fachlich korrekte Anbindung an. „Mieter sollten sich – wenn möglich – auf jeden Fall erkundigen, ob es Informationen über die Herkunft der Küche, beispielsweise den Hersteller gibt. Das wichtige Thema der fachgerechten Wandbefestigung bleibt allerdings dann weiterhin offen, wobei man auch hier hinterfragen könnte, von wem, also Fachmonteur oder Heimwerker, die Küche montiert wurde. Ohne hier die Heimwerker diskreditieren zu wollen – auch hier gibt es gute und verantwortungsvolle Personen, jedoch wäre sicherlich in erster Näherung die Montage durch einen Fachmonteur ein Indiz (allerdings kein Beweis!) für eine fachgerechte Ausführung.“
Gibt es Warnzeichen für überlastete Küchenschränke?
Ein Küchenschrank fällt selten und erst recht nicht einfach so von der Wand. Vor dem Fall sind oftmals Hinweise zu erkennen. Ein möglicher Anhaltspunkt, dass der Hängeschrank unter Umständen herunterfallen könnte, ist der Abstand der Schrankseitenhinterkante. „Wenn dieser Abstand des Küchenschrankes zur Wand, der idealerweise null ist, also anliegend sein sollte, größer wird, kann das ein Indiz sein. In diesem Falle sollte man dann genau hinschauen und die Ursache prüfen.“ Der Abstand des Küchenschrankes zur Wand lässt sich am besten mit Blick von oben auf den Schrank ermitteln. Der Experte empfiehlt den Abstand in regelmäßigen Intervallen zu überprüfen.
Zahlt die Versicherung bei herabfallenden Küchenschränken?
Verabschiedet sich ein Küchenschrank von der Wand, geht nicht selten sein kompletter Inhalt und damit im schlimmsten Falle auch das „gute Geschirr“ zu Bruch. Ob in einem solchen Schadensfall die Versicherung haftet, hängt von vielen Faktoren ab. Zu klären wären beispielsweise:
- Wie wurde der Schaden verursacht?
- Wurden die Küchenschränke sachgemäß genutzt und die Belastungsgrenzen nicht überschritten?
- Wie alt ist die Küche?
- Wer hat die Küchenschränke montiert?
Tipp: Mitunter übernehmen Versicherungen den entstandenen Schaden. Um für solche Eventualitäten gewappnet zu sein, lohnt es sich, bei der Versicherung im Vorfeld nachzufragen.
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Können Hängeschränke stabilisiert werden?
Prinzipiell ist es durch spezielle Vorkehrungen möglich, Hängeschränke in der Küche zu stabilisieren, sodass sie mehr Gewicht tragen können. Eine Möglichkeit hierfür wären Konsolenunterbauten. Jedoch sieht der Experte diese Möglichkeit eher kritisch. In der Regel wollen Kunden dies nicht, da die Konsolen dann sichtbar sind.
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Küchenschränke richtig befestigen – so geht’s
„Aus unserer Erfahrung sind es bei Schadensfällen durch herabfallende Küchenschränke sehr oft die Anbindungen an den Baukörper, welche für Schäden verantwortlich sind“, so Strack. Die Wandbefestigung sei alles andere als trivial und ihre Wichtigkeit würde in der Praxis oftmals vor allem im Heimwerkerbereich zu wenig beachtet. Damit die Küchenschränke dauerhaft an der Wand bleiben und das Geschirr ganz, gibt es bei der Befestigung der Oberschränke einiges zu beachten:
Anbringungssysteme
Küchenschrank ist nicht gleich Küchenschrank. Auch die Systeme zum Anbringen dieser unterscheiden sich. Deshalb ist es wichtig, die passende Befestigung auszuwählen. Zudem muss dieses für das spätere Schrankgewicht geeignet sein. Häufig werden Küchenschränke direkt mit Dübeln und Schrauben an der Wand befestigt. Auch Schrankaufhänger und Profilholzleisten eignen sich zur Befestigung der Oberschränke an der Wand.
Art, Länge und Durchmesser von Dübeln
Wählen Sie abhängig vom Material und der Art des tragenden Wandmaterials, dessen Aufbau (Vollstein, Gitterlochstein, Putzaufbau), der Beplankungsdicke auf der Wand sowie die Belastung der Wand die passenden Dübel aus. Hierzu ist es sinnig, Dübelratgeber von renommierten Befestigungsmittelherstellern zu studieren und die gegebenen Hinweise zu beachten.
Bohren
Strack empfiehlt, sofern es der Untergrund zulässt, ohne Schlag zu bohren und vorher unbedingt den passenden Bohrerdurchmesser zu ermitteln.
Tiefe der Bohrungen
Fallen Küchenschränke herunter, liegt dies oft daran, dass die Bohrungen nicht tief genug waren. Faustregel hierzu: Die Spitze der Schraube muss die Spitze des Dübels mindestens um die Länge des Schraubendurchmessers überragen.
Wandbeschaffenheit
Das beste Anbringungssystem nutzt leider recht wenig, wenn die Wand, an der die Küchenschränke befestigt werden, nicht der dauerhaften Belastung standhält. Gemauerte Wände sind ideal, Gipskartonwände weniger.
Saubere Bohrungen
Bohrmehl muss aus den Bohrlöchern ausgeblasen werden. Aussaugen reiche dem Experten nach nicht, weil dabei in der Regel der größte Teil des Bohrmehls im Bohrloch verbleibt. Eine Bohrlochreinigung erhöht die Tragfähigkeit um ein Vielfaches.
Befestigungsschraube
Zu jeder Dübelbefestigung gehört auch eine Befestigungsschraube. Die Dicke und Länge der Schraube müssen dabei passend zum Dübel gewählt werden. Nur so hält die Dübelverbindung auch die Lasten sicher am Befestigungsuntergrund.
Randabstände zu Baukörperkanten und Abstände zwischen den Dübeln einhalten
Wählen Sie mindestens die zweifache Verankerungstiefe. „Der Grundsatz ‚Viel hilft viel‘ ist im Sinne der Einbringung von Dübeln zum Beispiel in einer Wandschiene (mit mehreren möglichen Befestigungspunkten) nicht zielführend!“
Kontrolle
Der Küchenschrank hängt? Wunderbar. Kontrollieren Sie vor dem Einräumen des guten Geschirrs unbedingt die Befestigungen. Justieren Sie diese bei Bedarf nach. So halten die Küchenschränke das spätere Gewicht sicher.