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Nachgefragt

Wie weit Deutschland wirklich beim Ausbau digitaler Stromzähler ist

Digitaler Stromzähler
Digitale Stromzähler sind in Deutschland auf dem Vormarsch – allerdings nicht so zügig wie ursprünglich gedacht Foto: Bjoern Wylezich / Getty Images
Felix Mildner
Redaktionsleiter

26. August 2024, 10:59 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Smarte Stromzähler sind ein wichtiger Baustein, um die Energiewende in Deutschland auch in den Privathaushalten voranzubringen. Allerdings geht der Roll-Out der Messsysteme eher schleppend voran, wie eine Recherche von myHOMEBOOK zeigt.

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Ab 2025 können Haushalte zunächst digitale Stromzähler – auch „intelligentes Messsystem“ oder „Smart Meter“ genannt – installieren lassen, ab 2028 werden sie dann Pflicht. Die Messeinrichtungen können Zählerstände automatisch an die Versorger übermitteln, sodass man nichts mehr manuell ablesen muss. So wurde es bereits 2023 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beschlossen. Aber damit nicht genug: Haushalte können mit den smarten Zählern selbst ihren Stromverbrauch einsehen, bestenfalls auch steuern und dabei Geld sparen. Um die Vorteile eines Energiemanagementsystems in einem modernen Haushalt voll ausschöpfen zu können – etwa mit Wärmepumpe, PV-Anlage, E-Auto-Ladestation oder auch der Nutzung sogenannter dynamischer Stromtarife – sind digitale Stromzähler essenziell. Bereits jetzt gibt es die Möglichkeit, freiwillig auf smarte Zähler umzurüsten. Wie ist der aktuelle Stand?

Was sind die Vorteile digitaler Stromzähler?

Smarte Stromzähler sollen die herkömmlichen „Ferraris“-Stromzähler mit Drehscheibe ablösen. Sie können den Stromverbrauch automatisch übermitteln und auch für die Verbraucher sichtbar machen. Bernhard Rohleder vom Digitalverband Bitkom kennt die Vorteile: „Wie viel Strom verbraucht welches Gerät, zu welchen Tageszeiten ist der Verbrauch am höchsten und wo gibt es die größten Einsparpotenziale?“ Damit ließe sich der Stromverbrauch besser einsehen, etwa „wie der Spritverbrauch beim Auto oder der Ladestand des Handys.“ Zudem können die Zähler auch das Einspeisen von Strom ins Netz feststellen – etwa mit Strom von der Solaranlage, den man nicht selbst verbraucht.

Der Fahrplan für intelligente Stromzähler
Ab 2025 haben Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 6000 und 100.000 Kilowattstunden das Recht, innerhalb von vier Monaten einen digitalen Zähler installiert zu bekommen. Ab 2028 wird der Einbau digitaler Zähler für Haushalte mit einem Stromverbrauch von über 100.000 Kilowattstunden zur Pflicht. Alle anderen Haushalte müssen ihre Stromzähler bis spätestens 2035 austauschen lassen.

Smart Meter als Grundlage für dynamische Stromtarife

Dynamische Tarife sind relativ neu auf dem Markt. Dabei gibt es keinen fixen Strompreis, sondern dieser steigt und sinkt je nach Angebot auf dem Energiemarkt. Ebenfalls ab 2025 sollen alle großen Stromversorger diese Tarife anbieten müssen. Der große Vorteil: Haushalte können ihren Verbrauch auf Zeiten verlagern, in denen Strom besonders günstig ist, da viel Sonnen- und Windenergie verfügbar ist. Dann lohnt es sich etwa, ein E-Auto zu laden. Es kann sogar sein, dass der Strompreis zu bestimmten Zeiten negativ ist und man quasi dabei Geld „verdient“.

„Genau dieser Ansatz mit Smart Metern und dynamischen Tarifen ist das fehlende Puzzleteil zu den erneuerbaren Energien“, sagt Philip Beckmann, CEO des Stromanbieters Tado, im myHOMEBOOK-Interview. Das Energieunternehmen ist eines der ersten Anbieter für dynamische Tarife in Deutschland. „Ich werde nie Kohle- und Gaskraftwerke loswerden, wenn ich den Kunden nicht helfe, ihren Energieverbrauch zu flexibilisieren“, sagt Beckmann. Ein smarter Zähler müsse zunächst beim lokalen Netzbetreiber oder den regionalen Stadtwerken angefragt werden. Auch im europäischen Vergleich laufe der Ausbau nicht so zügig voran, wie erhofft. So habe Österreich laut Beckmann bereits eine Abdeckung von rund 70 Prozent bei den intelligenten Zählern. Wie sieht es hierzulande aus?

So ist der Stand beim Roll-out der smarten Stromzähler

Um herauszufinden, wie weit der Ausbau der smarten Stromzähler in Deutschland bereits ist, stellte myHOMEBOOK eine Anfrage an das BMWK. Hier konnte man allerdings keine konkreten Zahlen nennen, da die Zähler in Abstimmung mit den Verteilnetzbetreibern eingebaut und in Betrieb genommen würden. Darauf folgte eine Anfrage beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW).

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) erhebt im Rahmen des Monitoringberichts die Einbauquoten der verschiedenen Einbaufallgruppen, auf die sich auch der BDEW stützt. Die neuesten Zahlen beziehen sich dabei auf das Jahr 2022. Die Daten unterscheiden nicht zwischen Haushalten und anderen Verbrauchern wie Gewerbe oder Produktion, sondern die BNetzA differenziert die Verbrauchsklassen nach der Höhe des jährlichen Stromverbrauchs. Analog werden die Daten für Erzeugungsanlagen erhoben.  

„Wenn man davon ausgeht, dass die meisten Haushalte in der Gruppe unter 6000 kWh Verbrauch pro Jahr beziehungsweise unter 7 kW installierte Leistung einzuordnen sind, für die der Einbau von intelligenten Stromzählern nicht verpflichtend ist, liegt der Anteil von ausgestatteten intelligenten Zählern an der Gesamtzahl der Messlokationen bei 0,10 Prozent“, heißt es seitens des BDEW. Zu dieser Gruppe können neben Haushalten auch Kleinverbraucher wie Arztpraxen oder kleine Büros zählen. Aber was bedeutet das nun konkret?

myHOMEBOOK hat nachgerechnet. Laut aktuellem Stand gibt es in Deutschland rund 42 Millionen Haushalte. Berechnet man davon 0,10 Prozent, hätten etwa 42.000 Haushalte einen intelligenten Stromzähler installiert. Dazu kommen dann noch die Arztpraxen, Büros und kleine Läden, die bereits mit Smart Metern ausgestattet sind. Die Berechnung deckt sich auch mit dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur. Demnach haben 44.000 Verbraucher aus dieser Einbaufallgruppe ein intelligentes Messsystem verbaut.

„Unter Berücksichtigung der Einbaufallgruppen mit einem jährlichen Verbrauch bis zu 10.000 kWh, Erzeugungsanlagen bis zu 15 kW Leistung, Verbrauchseinrichtungen nach § 14a EnWG und EE-Ladepunkten, erhöht sich die Einbauquote auf 0,31 Prozent“, heißt es weiter vom BDEW. Zu „Verbrauchseinrichtungen nach § 14a EnWG“ zählen mitunter Wärmepumpen, Klimaanlagen, Stromspeicher und E-Auto-Ladestationen. „Auf Basis des Monitoringberichts kommen wir hier auf 149.600 Einbaufälle“, konkretisiert der BDEW die Aussage.

Moderne Messeinrichtung und intelligenter Stromzähler

„Die Ausstattungsquote mit modernen Messeinrichtungen, der Voraussetzung für einen intelligenten Zähler, beträgt in allen Fällen rund ein Drittel“, ergänzt die BDEW-Sprecherin, wobei sie sich auf alle Haushalte bezieht. Hier ist es zunächst wichtig, die Unterschiede zwischen den beiden Systemen zu kennen. „Bei der modernen Messeinrichtung handelt es sich um einen digitalen Zähler, der Verbrauchs- und Einspeisewerte nicht mehr mechanisch, wie der Ferraris-Zähler, misst, sondern elektronisch.“

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Eine moderne Messeinrichtung könne an ein sogenanntes „Smart-Meter-Gateway“ angebunden werden. Ist das der Fall, wird daraus ein „intelligentes Messsystem“. Dieses könne „mit berechtigten Marktteilnehmern kommunizieren“, um etwa den Stromverbrauch aus der Ferne auszulesen. Gemeinhin spricht man dann auch von einem intelligenten Stromzähler oder einem Smart Meter.

Digitale Stromzähler im europäischen Vergleich

Deutschland zählt aktuell zu den Schlusslichtern in Europa, wenn man den Roll-out der digitalen Stromzähler vergleicht. Allerdings ist in vielen anderen EU-Ländern der Einbau bereits auch verpflichtend vorgeschrieben. Bereits im Jahr 2021 waren in Dänemark und Schweden 100 Prozent der Haushalte intelligente Messsysteme verbaut, wie die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. berichtet. In Estland, Spanien, Finnland, Italien, Luxemburg und Norwegen waren es mindestens 98 Prozent. In den meisten europäischen Ländern gäbe es zudem einen vollständigen Roll-out für sämtliche Messlokationen, während mitunter in Deutschland einzelne Anwendergruppen nacheinander an der Reihe sind.

Warum hinkt Deutschland in diesem Bereich so hinterher? „Die Anforderungen an die Funktionalitäten der intelligenten Messsysteme sind in Deutschland deutlich umfassender“, erklärt die BDEW-Sprecherin. „Über die intelligenten Messsysteme soll in Deutschland die Steuerung von Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen erfolgen, was deutlich höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit der kommunikativen Erreichbarkeit sowie die Sicherheitstechnik der intelligenten Zähler erfordert.“ In vielen anderen Ländern, darunter auch Österreich, dienten die digitalen Zähler hauptsächlich der automatisierten Fernauslesung des Stromverbrauchs durch den Netzbetreiber. Die Steuerung erfolge separat.

„Richtig ist, dass die anfänglichen Bedingungen für den Start des Roll-outs nicht optimal waren“, räumt die Sprecherin ein. Grund hierfür seien mitunter knapp bemessene Preisobergrenzen für den Einbau und Betrieb der Messsysteme, was den Messstellenbetreibern einen wirtschaftlichen Roll-out extrem erschwert hätte. „Dies wurde mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) bereits teilweise korrigiert“, heißt es seitens des BDEW. Zudem habe das BMWK weitere Anpassungen für die aktuelle Legislaturperiode auf den Weg gebracht, um den Rahmen für den Roll-out zu verbessern.

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Wie geht es weiter?

Ab 2025 soll der offizielle Roll-out stufenweise beginnen. Laut BDEW laufe er bei vielen Messstellenbetreibern bereits an und soll „2025 weiter an Fahrt aufnehmen“. Die Mehrheit der BDEW-Mitgliedsunternehmen bestätigte, „dass die gesetzlich vorgeschriebenen Rollout-Quoten erfüllt werden können.“ Demnach sollen 20 Prozent der Pflichteinbaufälle bis Ende 2025 ausgestattet sein.

Felix Mildner
Redaktionsleiter

Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher

„Digitale Stromzähler sind ein wichtiger Baustein, um die Energiewende auch in die Haushalte zu bringen. Viele reden von intelligentem Energiemanagement, dynamischen Tarifen, Wärmepumpen und PV-Anlagen – zunächst sollten aber die Grundlagen geschaffen werden. Und dabei zählt Deutschland im europäischen Vergleich definitiv zu den Schlusslichtern, wie der Ausbau der digitalen Stromzähler zeigt.“

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