6. Dezember 2019, 15:23 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die Mieten in deutschen Großstädten steigen immer weiter und der Wunsch nach Wohneigentum wird bei vielen verständlicherweise immer größer. myHOMEBOOK klärt, was Sie dabei beherzigen sollten und was es sonst noch zu wissen gibt.
Die Bundesrepublik ist traditionell ein Mietermarkt. Das liegt an der Geschichte: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der soziale Wohnungsbau gefördert, durch die Zerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Mietermarkt noch mehr an Bedeutung. Im Rest Europas sieht das ganz anders aus: Da will man lieber besitzen, statt mieten. Im Jahr 2018 wohnten laut Statista-Angaben knapp 58 Prozent der Deutschen zur Miete – nur 42 Prozent lebten in ihren eigenen vier Wänden.
Preise für Eigentumswohnungen steigen weiter an
Seit Jahren steigen die Immobilienpreise stark an, vor allem in den Großstädten und Ballungsräumen. In Hamburg sind die Kaufpreise zwischen 2011 und 2018 im Schnitt um 72 Prozent, in München um 104 Prozent und in Berlin sogar um 126 Prozent gestiegen, wie Zahlen der Immobilienplattform immowelt.de belegen. Gerade für Interessenten mit mittlerem Einkommen sind gute und auch bezahlbare Objekte nur noch schwer zu finden.
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Allerdings: Die Preise werden laut Prognosen der Immobilienwirtschaft in Zukunft wohl nicht mehr ganz so rapide steigen, jedoch auch nicht wieder sinken. Der Wunsch, sich noch zu einem halbwegs erträglichen Preis eine Eigentumswohnung zuzulegen, wächst.
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Augen auf beim Immobilienkauf
Bei soviel Geld, das investiert wird, sollten sich Käufer allerdings sicher sein können, keinen Fehlkauf getätigt zu haben. Aber worauf muss man eigentlich genau achten? Neben allen finanztechnischen Hürden eines Eigenheims, gibt es auch viel Bauliches zu beachten.
Wie Sie Mängel am besten erkennen, ob es einen Gutachter braucht oder nicht, haben wir mithilfe der Tipps und Tricks von Sabine Feuersänger, Referentin der Initiative „Wohnen im Eigentum e.V.“, und der Verbraucherzentrale NRW für Sie in einem Leitfaden zusammengetragen.
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Für wen lohnt sich der Kauf einer Eigentumswohnung überhaupt?
Sabine Feuersänger: „Für Menschen, die sich bewusst gemacht haben, dass sie Gemeinschaftseigentum mit anderen zusammen erwerben und verwalten werden. Diese Komponente wird viel zu oft unterschätzt und nur das Sondereigentum – die Wohnung – betrachtet. Finanziell gesehen sollte gerade beim Kauf einer Bestandswohnung noch genug Luft bleiben, um nötig werdende Instandhaltungen und vielleicht auch Modernisierungen des Gemeinschaftseigentums mitbezahlen zu können.“
Heißt: Ihnen gehört zwar die Wohnung, aber die Gesamtimmobilie sowie das Grundstück wird von allen anderen Wohneigentümern und Ihnen gemeinsam verwaltet.
Was sollte ich grundsätzlich beim Kauf einer Eigentumswohnung beachten?
Feuersänger: „Ob Großstadt oder Kleinstadt: Aktuell sind die Preise hoch, die Zinsen niedrig. Nur weil sich ein hoher Kaufpreis gerade gut finanzieren lässt, sollte sich niemand verführen lassen, über seine Verhältnisse zu investieren. Meist wird die Finanzierung nach fünf oder 10 Jahren neu verhandelt.”
Sie sollten sich daher darüber im Klarem sein, ob Sie die Raten auch noch bedienen können, wenn die Zinsen gestiegen sind. Daher sollte die Finanzierung gut durchdacht sein. Für wen da eher eine klassische Bausparfinanzierung die beste Lösung ist oder wer doch eher zu einem klassischen Bankkredit greifen sollte, sollten Sie in einer Fachberatung bei Ihrer Hausbank klären. Bei den Tücken und Vorteilen beraten auch die örtlichen Verbraucherzentralen.
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Was sind die häufigsten Fehler beim Kauf einer Eigentumswohnung?
Viele begehen einen fatalen Denkfehler, wenn sie sich eine Immobilie zulegen: Sie denken „meins ist meins“. Im Laufe der Jahre hat Feuersänger bei der Arbeit im Verein vor allem vier Stolpersteine ausfindig gemacht:
- Sie dürfen in einer Eigentumswohnung nicht alles nach Lust und Laune verändern. Tragende Wände, Decken, Fenster und Heizungsanlagen zum Beispiel sind und bleiben Eigentum der der gesamten Mietergemeinschaft.
- Viele glauben, sie müssten sich um nichts mehr kümmern. Aber eigentlich ist es eher das Gegenteil. Sie organisieren als Eigentümer alles, was das Haus angeht mit – also auch Jahresabrechnungen oder Kapitalanlagen.
- Hausgeld ist gleich Nebenkosten? Falsch gedacht. Es ist nämlich viel höher, weil damit Rücklagen für Instandhaltungen, mögliche Gerichtsverfahren usw. gebildet werden – und das sind Beträge, die nicht auf die Nebenkosten eines Mieters umgelegt werden dürfen.
- Rechtlich ist für Wohnungseigentümer alles geregelt? Nicht ganz. Wohnungseigentum ist eine Sonderform, bei der ein Grundstück mit Gebäude eben nicht nur einem, sondern vielen Eigentümern gehört. Es gibt zwar ein Wohnungseigentumsgesetz mit Sonderregelungen, erfasst aber vieles Wichtige gar nicht.
Worauf muss man bei einem Gutachter achten?
Feuersänger: „Als Käufer einer Neubauwohnung bewegen Sie sich als Laie unter Profis. Lassen Sie den Bauträgervertrag, die Teilungserklärung, die Bau- und Leistungsbeschreibung und – wenn bereits vorhanden – auch den Verwaltervertrag auf Fallstricke und Sie benachteiligende Regelungen prüfen. Unabhängige Verbände und Verbraucherzentralen sind dafür eine gute Adresse.“
Zudem führt die IHK ein Sachverständigenverzeichnis genauso wie der Bundesverband deutscher Sachverständiger und Fachgutachter Online-Portal des Bundesverbands Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter e.V. . So können Sie zumindest schon mal sicher gehen, keinem Scharlatan aufzuliegen.
Wenn Sie sich für die Anfertigung eines umfassenden, aber auch teureren Verkehrswertgutachten entscheiden, haben Sie den Vorteil, dass das auch im Falle eines Rechtsstreites Gültigkeit hat.
Welche Baumängel treten am häufigsten auf und wie erkenne ich sie?
Feuersänger: „In eine Immobilie wird so viel Geld investiert, dass die Ausgaben für eine Vor-Ort-Bauberatung kaum ins Gewicht fallen. Wenn ein Architekt oder Bauingenieur die Immobilie vor dem Kauf – oder bei einem Neubau vor der Abnahme – im Auftrag des Käufers begeht und ihn oder sie auf Mängel aufmerksam macht, ist das mehr als gut investiertes Geld. Als Laie fehlen einem die Kenntnisse und die Erfahrung hierfür.“
Die Verbraucherzentrale NRW macht in ihrem Ratgeber „Eigentumswohnung: Auswahl und Kauf” auf einige typische Baumängel für viele Altbauten aufmerksam. So haben Wohngebäude aus den 20er bis 40er Jahren häufig beispielsweise relativ dünne Innenwände.
Nachkriegsbauten bis 1965 haben zudem oft schlechte Wärme- und Schallschutzeigenschaften, die man unter Umständen erneuern sollte. Auch kann es sein, dass gesundheitsgefährdende Holzschutzmittel verwendet wurden. Auch das gilt es zu überprüfen. Bei Neubauten ab 1990 sollten Sie vor allem die Heizungsanlage genauer begutachten – Sie entsprechen oft nicht modernen Standards.
Wie kann ich erkennen, ob der Kaufpreis angemessen ist oder nicht?
Feuersänger: „Einerseits durch das Einholen von Vergleichsangeboten. Andererseits, indem der Zustand der Immobilie – bei Neubauprojekten die Baubeschreibung – fachkundig begutachtet und bewertet wird.“
Sie sollten außerdem den Eintrag ins Grundbuch gründlich studieren und bei Altbauten einen Blick in den Energieausweis wagen, rät die Verbraucherzentrale NRW.
Ist es ratsam bereits vor dem Kauf einer Wohnung eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen?
Feuersänger: „Dazu kann ein unabhängiger Versicherungsmakler am besten Auskunft geben. Jeder Immobilieneigentümer sollte sich ohnehin zu vernünftigem Versicherungsschutz beraten lassen.“
Denn auch wenn Ihnen die Wohnung gehört – sie leben mit vielen anderen Menschen in einer Immobilie. Hier stoßen Interessen aufeinander und es kann zu Konflikten kommen. Deswegen sind Sie so oder so mit einer Rechtschutzversicherung gut beraten.
Besonders knifflig kann es aber auch schon vor dem Kauf einer Immobilie werden. Sobald es aber zu Unklarheiten beim Kaufvertrag und den sonstigen Formalitäten kommt, wären Sie im Fall der Fälle aufgeschmissen, sollten Sie nicht vorher schon einen Rechtsschutz abgeschlossen haben.