25. Juni 2024, 16:40 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein skurriler Nachbarschaftsstreit in Nürnberg führte zu einem Berufungsurteil. Ein Mann klagte gegen seinen Nachbarn und forderte, dass die Fenster seines angrenzenden Hauses blickdicht und geschlossen sein sollten, da er sich beobachtet fühlte. Das Oberlandesgericht Nürnberg wies die Klage jedoch ab, obwohl der Kläger zunächst Recht bekommen hatte.
Streit zwischen Nachbarn gibt es hierzulande täglich. Dass hin und wieder auch mal ein Fall vor Gericht landet, ist ebenfalls nicht ungewöhnlich. Ein aktueller Fall ist allerdings durchaus sonderbar. Ein Mann fühlte sich durch die Fenster des angrenzenden Nachbarhauses beobachtet, klagte dagegen und berief sich auf das sogenannte „Fensterrecht“.
Kläger beruft sich zunächst auf das „Fensterrecht“
Der Kläger aus Nürnberg, Eigentümer eines im Jahr 2017 erbauten Einfamilienhauses, forderte von seinen Nachbarn, die seit 2019 in einem angrenzenden Haus wohnen, ihre Fenster so zu verändern, dass sie weder geöffnet werden können noch, dass man durchsehen kann. Beide Grundstücke gehörten früher zu einem größeren Anwesen, das im Jahr 2000 aufgeteilt wurde, wodurch das Haus der Beklagten zu einem Grenzbau wurde. Der Kläger wollte sein „Fensterrecht“ gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ausüben.
Tatsächlich existiert ein solches Gesetz im Freistaat Bayern. Im Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB) in Bayern findet sich der Artikel 43, das sogenannte „Fensterrecht“. Dort heißt es: „Sind Fenster weniger als 0,60 Meter von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, dass bis zur Höhe von 1,80 Meter über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das Durchblicken möglich ist.“
Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass unter bestimmten Umständen verlangt werden kann, dass Fenster des Nachbarhauses geschlossen oder verdunkelt werden müssen.
In der Tat verfügt die Wohnung der Beklagten über mehrere Fenster sowie Balkonfenstertüren, deren Abstand zum Haus des Klägers weniger als 60 Zentimeter beträgt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte in erster Instanz dem Kläger Recht gegeben.
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Fenster müssen nicht verschlossen und verdunkelt werden
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat jedoch die Entscheidung der ersten Instanz abgewiesen. Obwohl diese die Voraussetzungen als erfüllt ansah, entschied sie dennoch gegen den Kläger. Bei einem Ortstermin begutachtete das Gericht die Lage, die Lichtverhältnisse sowie die Fluchtwege.
Dabei stellte das Gericht fest, dass bis zu 80 Prozent der Fensterflächen betroffen wären und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr in der Wohnung nicht mehr gewährleistet wäre. Dies könnte eine unzumutbare Belastung für die Nachbarn darstellen. Aus diesem Grund entschied das Oberlandesgericht, dass der Kläger sich nicht auf das „Fensterrecht“ berufen könne.
Zu erwähnen ist, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen.
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Verschiedene Regelungen zum „Fensterrecht“ in Deutschland
In Deutschland herrscht in Bezug auf das „Fensterrecht“ eine große Uneinheitlichkeit. Es gibt keine klare Regelung, sondern jedes Bundesland regelt diese Frage individuell. In zehn der 16 Bundesländer existiert ein sogenanntes „Fensterrecht“, das jedoch unterschiedlich gehandhabt wird. Diese Mindestabstände müssen je nach Bundesland eingehalten werden:
- Baden-Württemberg: vertikal 1,80 Meter, horizontal 0,6 Meter (NRG, § 3 Abstand von Lichtöffnungen)
- Bayern: vertikal 1,80 Meter, horizontal 0,6 Meter (BayAGBGB Art. 43 (1))
- Brandenburg: horizontal 3 Meter (BbgNRG § 20 Inhalt und Umfang)
- Hessen: horizontal 2,5 Meter (NachbGHE § 11 Umfang und Inhalt)
- Niedersachsen: horizontal 2,5 Meter (NNachbG § 23 Umfang und Inhalt)
- Nordrhein-Westfalen: horizontal 2 Meter (NachbG NRW § 4 Umfang und Inhalt)
- Rheinland-Pfalz: horizontal 2,5 Meter (LNRG RPL § 34 Inhalt und Umfang)
- Saarland: horizontal 2 Meter (NachbGSL § 35 Inhalt und Umfang)
- Schleswig-Holstein: horizontal 3 Meter (NachbG Schl.-H. § 22 Inhalt und Umfang)
- Thüringen: horizontal 2,5 Meter (ThürNRG § 34 Inhalt und Umfang)
Während in den aufgeführten Ländern eine klare Regelung bezüglich des „Fensterrechts“ definiert wurde, gibt es in Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt keine Richtlinien beziehungsweise Vorschriften.