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Geisterhäuser in Berlin – wo ungenutztes Potenzial verrottet

Geisterhäuser
Die völlig verwahrloste Immobilie am Hindenburgdamm in Berlin-Steglitz ist seit Jahren der Inbegriff eines Geisterhauses Foto: picture alliance / akg-images / Peter Hebler | Peter Hebler

28. November 2024, 15:10 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Der Wohnungsmarkt in Berlin ist eine Katastrophe, das muss man einfach so sagen. Zu wenig Wohnungen, explodierende Mietpreise und mit dem Neubau kommt die Stadt nicht hinterher. Doch es gäbe eine Möglichkeit, die Situation wenigstens ein bisschen zu entlasten.

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Bei einer Fahrt durch Berlin sieht man sie vielerorts – graue, beschmierte Gebäude. Der Putz bröckelt, die Scheiben sind eingeworfen, das Dach hat Löcher. Es handelt sich um sogenannte Geisterhäuser. Gebäude, die früher Mietshäuser waren, um die sich aber jetzt keiner mehr kümmert. myHOMEBOOK hat sich in der Hauptstadt auf die Suche nach unbewohnten Mietshäusern gemacht und zeigt, wie viel Wohnungspotential einfach verfällt.

So viele Geisterhäuser gibt es in Berlin

In einer umfangreichen Recherche hat myHOMEBOOK alle zwölf Berliner Bezirksämter angefragt und um Auskunft über mögliche Geisterhäuser gebeten. Während einigen Bezirken keinerlei Geisterhäuser bekannt sind, haben andere wiederum gleich mehrere Wohnhäuser, die unter diesen Begriff fallen.

Was sind Geisterhäuser?
Wir definieren Geisterhäuser als Wohngebäude, die leer stehen, meist auch in einem maroden und verfallen Zustand sind. Früher befanden sich in diesen Immobilien Wohnungen, heute verrotten sie.

Mitte

Aus dem Bezirksamt Berlin-Mitte heißt es, dass derzeit drei Immobilien unter den Begriff der Geisterhäuser fallen. Dazu gehören folgende Adressen:

  • Jagowstraße 35
  • Burgsdorfstraße 1
  • Kameruner Straße 5

Alle drei Geisterhäuser haben laut Bezirksamt private Eigentümer. Das Gebäude in der Burgstraße soll demnach abgerissen werden, bei dem in der Jagowstraße liegen inzwischen Abriss- beziehungsweise Leerstandsgenehmigungen vor. Das Wohnhaus in der Kameruner Straße steht bereits seit 2018 leer – das Bezirksamt weist in diesem Fall darauf hin, das Leerstand und fehlende Instandsetzung wohl auch mit der persönlichen Situation des Eigentümers zusammenhängen.

Friedrichshain-Kreuzberg

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg teilt auf Anfrage mit, dass ein Leerstand ganzer Wohnhäuser statistisch nicht ermittelbar sei. Leerstand werde wohnungsbezogen erfasst, es gebe keine Erfassung von vorhandenem Wohnraum, sodass keine Auswertung erfolgen könne, wann tatsächlich ein gesamtes Wohnhaus leer stehe.

Pankow

Dem Bezirk Pankow sind derzeit fünf sogenannte Geisterhäuser bekannt. Auf Anfrage von myHOMEBOOK erklärt der Pankower Bezirksstadtrat Cornelius Bechtler, dass zwei der fünf Häuser inzwischen saniert worden seien und sich die dortigen 20 Wohnungen aktuell in der Vermarktung befänden, sodass der Leerstand dort in Kürze beendet sein sollte. Bei den übrigen Gebäuden sei dagegen nicht absehbar, wann der Leerstand dort beendet werden würde. Die Eigentümer seien aber bekannt und es würden aktuelle Verfahren laufen.

Neben den fünf Gebäuden kommen auch noch zwei leer stehende Botschaftsgebäude hinzu, heißt es. Dabei handle es sich jedoch um exterritoriales Gelände, der Bezirk habe keinerlei Einflussmöglichkeiten.

Grundsätzlich handle es sich beim Thema Geisterhäuser aber schlicht um langwierige Verwaltungsverfahren, da seitens der Eigentümer Rechtsmittel zum Beispiel gegen ausgesprochene Rückführungsbescheide ergriffen würden. Das bedeutet, dass Verfahren lange dauern, da Eigentümer Rechtsmittel einlegen.

Charlottenburg-Wilmersdorf

„Wenn überhaupt, so fallen zwei Häuser im Bezirk unter den Begriff des Geisterhauses. Die Probleme, diese zurück in den Wohnungsmarkt zu führen, sind vielfältig, so wie die Lösungsansätze“, erklärt Arne Herz, der Bezirksstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, auf myHOMEBOOK-Anfrage.

Allerdings könnten die Adressaten selbstverständlich bei jedem erlassenen Verwaltungsakt, um den Leerstand zu beenden, Rechtsmittel erheben. „Dies umfasst sodann ein Widerspruchsverfahren, meistens den einstweiligen Rechtsschutz und auch das Klageverfahren in mehreren Instanzen, die bedauerlicherweise äußerst zeitintensiv und nicht zu beschleunigen sind“, so Herz.

„Von daher mag es manchmal von außen so aussehen, als ob die Behörde nichts gegen den Leerstand unternimmt, obwohl bereits mehrere Verwaltungsakte erlassen wurden, die Vollstreckung läuft oder man sich auch im Rechtsstreit vor Gericht befindet“, so der Pankower Bezirksstadtrat.

Spandau

Dem Bezirk Spandau sind sechs sogenannte Geisterhäuser bekannt. Bei allen kenne man die Eigentümer und Verfahren seien bereits eröffnet, heißt es auf myHOMEBOOK-Anfrage. In einem Verfahren laufe bereits eine Klage des Eigentümers gegen ein festgesetztes Zwangsgeld zur Rückführung für Wohnzwecke.

Steglitz-Zehlendorf

Bezirksstadtrat Tim Richter vom Bezirk Steglitz-Zehlendorf kann im myHOMEBOOK-Gespräch keine konkrete Anzahl an Geisterhäusern nennen, da die Einschätzung, wann ein leerstehendes Gebäude als Geisterhaus bezeichnet werden könne, eher subjektiv sei.

Ein Gebäude, was in dem Bezirk definitiv als Geisterhaus gewertet werden kann, ist das Wohnhaus am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg. Seit Jahren versucht der Bezirk, dieses Haus dem Wohnungsmarkt wieder zuzuführen – erfolglos. Auch Buß- und Zwangsgelder konnten den Eigentümer nicht motivieren, heißt es. Statt einer nicht Erfolg versprechenden Treuhändereinsetzung wurde sich laut Richter für eine Ersatzvornahme entschieden. Es sei das mildere Mittel, da der Besitz an dem Grundstück nicht entzogen werde.

Grund für das langjährige Verfahren seien laut Richter erhebliche Defizite und Unklarheiten in den heute geltenden Regeln zur Umsetzung der einschlägigen Rechtsgrundlage des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes, der zugehörigen Zweckentfremdungsverbot-Verordnung sowie der Ausführungsvorschriften. Diese müssten durch die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen zunächst einmal konkretisiert beziehungsweise geändert werden.

Tempelhof-Schöneberg

Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg werde derzeit nur ein Objekt dem Begriff Geisterhaus zugeordnet, heißt es von Bezirksstadträtin Eva Majewski. Der Eigentümer sei bekannt und es bestehe Kontakt. Das Bezirksamt habe eine Instandsetzungsanordnung erlassen und prüfe derzeit die Einsetzung eines Treuhänders, heißt es weiter.

Neukölln

Der Bezirk Neukölln erklärt, dass keine Geisterhäuser bestehen würden. Bei einzelnen Wohnungen, die leer stünden, würde geprüft, ob es sich um eine sogenannte Zweckentfremdung handle und dann entsprechend der Eigentümer kontaktiert beziehungsweise eine Anzeige vorbereitet.

Treptow-Köpenick

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat nach eigenen Angaben einige Immobilien als Problemimmobilien identifiziert. Dabei handle es sich um leer stehende Immobilien, heißt es auf myHOMEBOOK-Anfrage. Eine genaue Anzahl wird allerdings nicht genannt. Als Beispiel wird jedoch ein Gebäude in der Laurenzstraße in der Altstadt Köpenick aufgezeigt.

Marzahn-Hellersdorf

Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf erklärt in einer Antwort auf Nachfrage von myHOMEBOOK, dass dem Stadtentwicklungsamt keine leer stehenden Wohngebäude bekannt seien, die aufgrund ihres baulichen Zustandes nicht für eine Vermietung geeignet seien. Außerdem sei kein Fall bekannt, wo es die Vermutung gebe, dass Eigentümer Immobilien aus spekulativen Gründen verfallen lassen würden.

Lichtenberg

Das Bezirksamt Lichtenberg nennt der Redaktion gleich mehrere Adressen, die unter den Begriff des Geisterhauses fallen. So unter anderem das leer stehenden Gebäude an der Ecke Königswinterstraße und Andernacher sowie an der Ecke Ehrenfelsstraße und Loreleystraße. Es steht bereits seit den 90er-Jahren leer, Eigentümer ist die Russische Föderation, weshalb es keine Möglichkeit gebe, ordnungsbehördlich tätig zu werden.

Zwei weitere Gebäude befinden sich in der Türrschmidtstraße 1, sowie in der Alfred-Kowalke-Straße 42. In beiden Fällen handelt es sich um private Eigentümer.

Reinickendorf

Der Bezirk Reinickendorf erklärt auf Anfrage, dass es derzeit keine bestehenden Geisterhäuser gebe. Lange leer stehende Häuser wurden durch vielfältige Bemühungen des Bezirks dem Wohnungsmarkt wieder zugeführt, soweit das Zweckentfremdungsrecht anwendbar gewesen sei. Außerdem würden viele frühere Geisterhäuser inzwischen wieder für verschiedene Zwecke genutzt wie etwa die ehemalige Residenz des französischen Hohen Kommissars.

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Warum gibt es so viele Geisterhäuser in Berlin?

Es kann verschiedene Gründe geben, warum ein Haus nicht bewohnt ist und auch nicht instand gesetzt wird, erklärt Rechtsanwalt Rolf Kemper von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein. „Es gibt viele Häuser, die wegen familiärer Streitigkeiten leer stehen, unter anderem Erbstreitigkeiten. Auch gibt es nach wie vor relativ viele mit ungeklärten Vermögensverhältnissen aufgrund der Deutschen Teilung. Angeblich sind die Verfahren alle abgeschlossen, das hat aber nicht immer zur Folge, dass man weiß, wer verantwortlich ist.“

Spekulativer Leerstand sei auch ein Problem, erklärt der Experte weiter: „Bei vielen Orten deutet sich an, dass es sich um eine Gewinn-Spekulation handeln könnte, beziehungsweise um eine wirtschaftlich motivierte Spekulation. Die Grundstücke sind in guter Lage, eine Sanierung alter Häuser ist aber teuer. Das, was am Ende dabei herauskommt, lässt sich an diesem Ort möglicherweise aber nicht gut vermieten.“ Auch gebe es Häuser in einer ehemaligen Top-Lage. Inzwischen geht eine Autobahn daran vorbei, ergänzt Kemper.

Was bedeutet es, wenn Treuhänder eingesetzt werden?
Ein Treuhänder kann eingesetzt werden, wenn ein Eigentümer nicht tätig wird. „Er übernimmt die Verwaltung und macht das über ein Treuhandkonto. In der Regel muss erst einmal Geld für Reparaturen ausgegeben werden. Später, wenn vermietet wird, können die Mieten einbehalten werden, bis das Konto wieder gefüllt ist“, erläutert Kemper. Meist reiche schon die Androhung der Einsetzung eines Treuhänders, damit Eigentümer tätig werden.

Die Behörden sind nicht ganz schuldlos

„Meine Erfahrung und Wahrnehmung ist, dass die Behörden häufig überfordert sind – nicht im Sinne von Unfähigkeit, sondern dass sie schlichtweg nicht die notwendigen Kapazitäten haben“, erklärt der Anwalt. Es gebe Regelungen, um Eigentümer zu zwingen, Immobilien entweder in Ordnung zu bringen oder freizugeben. Allerdings koste das viel Zeit und sei formal schwierig. „Nicht jeder Mitarbeiter einer Baubehörde darf jedes Grundstück betreten, geschweige denn jedes Haus. Dazu kommt, dass Eigentümer, die spekulieren, ihre Absichten oft kaschieren, und die Behörde steht dann schnell vor Problemen.

Ein Beispiel: Es gab ein Haus in schlechtem Zustand, das mit überschaubarem Aufwand wieder bewohnbar hätte gemacht werden können. Der Eigentümer wollte das aber nicht. Die Baubehörde wurde durch Beschwerden von Nachbarn aufmerksam – zum Beispiel, weil der Bürgersteig nicht gesäubert wurde. Später stellte sich heraus, dass regelmäßig Leute im Haus waren, die vorgetäuscht haben, dass da jemand lebt. Es wurde auch ein bisschen was im Garten gemacht und auch mal die Musik laut aufgedreht.“

Durch dieses Vortäuschen würde der Leestandszeitraum für die Behörden unterbrochen, erklärt Kemper. Es sei ein Unterschied bei der Bearbeitung, ob ein Haus drei Wochen oder drei Jahre ununterbrochen unbewohnt ist, führt er weiter aus. „Dieses Vortäuschen macht es einer Behörde faktisch unmöglich, da die Hand drauf zu kriegen.“

Berlin hängt nicht hinterher
Mal davon abgesehen, dass aktuell mehrere Häuser leer stehen und Berlin sich nicht kümmern möchte oder kann, hat die Hauptstadt in den vergangenen Jahren aber einiges geschafft, betont der Anwalt: „Man kann Berlin und hier vor allem den Bezirken zugutehalten, dass sie sich mit weit über 100 Erhaltungsgebieten sehr arbeitsaufwendig um den Baubestand kümmern. Außerdem gab und gibt es Sanierungsgebiete. Diese sind zwar teilweise schon seit 20 Jahren fertig, aber auch dort gab es nun sanierte Schrottimmobilien und Geisterhäuser.“

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Es gibt Vorschriften, aber …

„Es gibt in der Berliner und auch in anderen Bauordnungen Vorschriften, mit denen eine Behörde erzwingen könnte, dass ein Gebäude in den korrekten Zustand versetzt wird. Seit mindestens zehn Jahren kennt man diese Vorschrift, in manchen Ländern sogar länger. Sie werden allerdings so gut wie nie angewendet.“ Kemper selbst gibt seit mehreren Jahren Seminare, unter anderem zum Thema Bestandsschutz. Noch nie habe ihm jemand bestätigen können, die Vorschriften angewendet zu haben. Manche seien sogar verwundert über deren Existenz, erläutert er.

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