16. November 2023, 14:55 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Häusliche Gewalt ist ein sensibles Thema und kommt leider immer häufiger in deutschen Haushalten vor. Laut Bundeskriminalamt sind die Zahlen in den vergangenen fünf Jahren „deutlich“ angestiegen.
Allein im Jahr 2022 sind mehr als 240.000 Menschen in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt geworden. Zum Vergleich: 2018 lag die Zahl bei 212.896, das ist ein Anstieg von 13 Prozent. Das geht aus einem Lagebericht des Bundeskriminalamtes hervor. Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings nur um Delikte, die zur Anzeige gebracht wurden – die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen. Das Thema ist äußerst sensibel und nicht jede Auffälligkeit, etwa ist gleich ein Zeichen dafür, dass zu Hause etwas nicht stimmt. myHOMEBOOK hat bei der Gewerkschaft der Polizei nachgefragt, was man unter häuslicher Gewalt versteht und wann man als Nachbar eingreifen sollte.
Was versteht man unter häuslicher Gewalt?
„Häusliche Gewalt beinhaltet alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt“, erklärt Christiane Feichtmeier, AG-Leiterin „Häusliche Gewalt“ der GdP auf myHOMEBOOK-Nachfrage. „Häusliche Gewalt liegt vor, wenn die Gewalt zwischen Personen stattfindet, die in einer familiären oder partnerschaftlichen Beziehung zusammenwohnen.“
Allerdings spricht man auch von häuslicher Gewalt, wenn sie unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt innerhalb einer Familie, einer aktuellen oder ehemaligen Partnerschaft stattfände, erläutert Feichtmeier weiter. Der Ort des Geschehens müsse nicht innerhalb der Wohnung sein. Es könne sich ebenso gut um eine Straße, ein Geschäft oder eine Arbeitsstelle handeln.
Ab wann spricht man von häuslicher Gewalt?
Häusliche Gewalt könne vielfältige Erscheinungsformen haben, erläutert die Expertin. „Sie reichen von subtilen Formen der Gewaltausübung durch Verhaltensweisen, die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Geschädigten oder des Geschädigten ignorieren, über Demütigungen, Beleidigungen und Einschüchterungen.“ Auch Bedrohung sowie psychische, physische und sexuelle Misshandlungen, Freiheitsberaubung bis hin zu Vergewaltigungen oder gar zu versuchten oder vollendeten Tötungen zählen laut der Expertin dazu.
Worauf kann man als Nachbar achten?
Ein Anhaltspunkt, sowohl bei physischer als auch psychischer Gewalt, könne ein verändertes Verhalten von Nachbarn sein, erklärt die Expertin. Dabei könne unter anderem ein zurückgezogenes oder eingeschüchtertes Wesen zählen. Auch plötzliche Verschlossenheit könne auffallend sein.
„Die meisten Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, schämen sich für das Verhalten ihrer Eltern. Das macht es ihnen schwer, sich jemandem anzuvertrauen“, so Feichtmeier. Außerdem laste auf ihnen oft ein enormer Druck, denn sie müssten Aufgaben übernehmen, denen das Opfer nicht mehr gewachsen sei. Damit seien Kinder überfordert. Der Rat der Expertin: „Bieten Sie Ihrer Nachbarin und den Kindern Ihre Unterstützung an.“
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Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Polizei zu rufen, wenn aus der Nachbarwohnung Streit zu hören ist?
„Einen ‚richtigen Zeitpunkt‘, um die Polizei zu rufen, gibt es nicht“, erklärt Feichtmeier. Es sei ratsam, auf sein Bauchgefühl zu hören. Wenn man sich unsicher sei, ob man die Polizei verständigen sollte oder nicht, könne man sich Rat beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 116 016 holen. Diese befasse sich zwar hauptsächlich mit Frauen, allerdings könne sie auch Hilfestellung leisten, wenn Männer oder Kinder häuslicher Gewalt ausgesetzt sein könnten. Alternativ gibt es auch das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“.
Auch wenn Kinder oft schreien oder weinen, sei das nicht per se ein Grund, die Polizei zu alarmieren. Hier solle man ebenfalls auf sein Bauchgefühl vertrauen. Allerdings erläutert Feichtmeier, dass man lieber einmal zu oft die Polizei alarmieren sollte als einmal zu wenig.
„Kinder fühlen sich schuldig für das, was zu Hause passiert. Sie suchen sich deshalb in den seltensten Fällen Hilfe von außen. Ihnen muss deutlich gemacht werden, dass sie für das Verhalten ihrer Eltern nicht verantwortlich sind. Deshalb schauen Sie nicht weg und rufen Sie die Polizei“, heißt es ergänzend seitens der Expertin.
Menschen, die Opfer häuslicher Gewalt sind oder jene, die helfen wollen, finden hier Hilfe:
- https://www.maennerhilfetelefon.de/ (Gewalt an Männern)
Tel: 0800 123 99 00 - https://www.hilfetelefon.de/ (Gewalt gegen Frauen)
Tel: 116 016