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Vermieter, Polizei oder Jugendamt einschalten?

Was tun, wenn Nachbarskinder nach 22 Uhr Krach machen?

Ein Kind schreit, im Hintergrund sind Eltern zu sehen
Die Nachbarskinder lärmen und an eine Nachtruhe ist nicht mehr zu denken? myHOMEBOOK erklärt, was man in solch einer Situation tun kann Foto: Getty Images
Annelie Neumann
Annelie Neumann Autorin

28. Mai 2021, 12:21 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Mit dem Sandmännchen gehen nicht alle Kinder ins Bett. So kann es vorkommen, dass die Nachbarskinder auch nach 22 Uhr noch laut sind. Was kann man tun, wenn man sich durch den Lärm gestört fühlt?

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Nach 22 Uhr verhält man sich in der Wohnung leise, dann gilt nämlich die gesetzliche Nachtruhe. Die vergessene Wäsche also lieber erst am nächsten Tag waschen und den Staubsauger auch erst wieder morgens betätigen. Doch wie sieht es bei Kinderlärm aus? Darf ich die Polizei rufen, wenn die Nachbarskinder nach 22 Uhr Krach machen?

Muss man schreiende Babys und Kleinkinder tolerieren?

Die allgemeine Nachtruhe ist gesetzlich vorgeschrieben. In dieser Zeit sind alle lärmenden Tätigkeiten untersagt. Auch bellende Hunde, Musik und Gespräche aus der Nachbarwohnung, die lauter als Zimmerlautstärke sind, fallen darunter. Doch wie ist mit dem dauerschreienden Baby nebenan?

Grundsätzlich müssen Mieter Geräusche von Babys und Kleinkindern tolerieren, erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer und Leiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Mieterbundes e. V. auf myHOMEBOOK-Nachfrage. „Baby- und Kleinkindergeschrei kann auch nach 22 Uhr unmöglich vollständig verhindert werden. Das bedeutet, Nachbarn müssen nächtliches Baby- oder Kleinkindergeschrei akzeptieren, es sei denn, die Kinder schreien zum Beispiel, weil die Eltern nicht zu Hause sind.“ Auch ein Urteil des Amtsgerichts Bad Kreuznach beurteilte Babygeschrei als „unvermeidbare Lebensäußerungen“ (Az. 1 S 21/01).

Dazu passend: Berechtigt Kinderlärm eine Mietminderung?

Spielen statt Schlafen – Müssen Eltern für Ruhe sorgen?

Anders sieht der Fall bei lauten Spielgeräuschen ab 22 Uhr von Kindern jenseits des Säuglings- und Kleinkindalters aus. Mietrechtlich betrachtet sind „Eltern dafür verantwortlich, dass ihre Kinder nach 22 Uhr keinen unnötigen Lärm verursachen. Sie müssen die Kinder entsprechend zur Ruhe anhalten“, erklärt DMB-Sprecher Ropertz.

In der Praxis ist dies für Eltern oftmals gar nicht so einfach. Kinder wollen oftmals nicht ohne Gezeter zu Bett gehen. Da wird schnell noch das Lieblingsspielzeug hervorgekramt und das Anziehen des Schlafanzuges mit hysterischem Schreien quittiert. Und das Zähneputzen mutiert mitunter in einen Trotzanfall erster Klasse. Eltern können ihre Kinder jedoch nicht einfach so abschalten. Fühlen sich Nachbarn gestört, ist dies eine sehr sensible Angelegenheit.

„Es ist schwer, die Schuld beim Kind zu suchen, denn Kinder haben das Recht auf ein natürliches, kindgerechtes Aufwachsen. Dazu gehört auch, dass sie verschiedene Phasen durchleben und Lärm ist dabei für sie eine vollkommen normale Ausdrucksweise ihrer Bedürfnisse“, erklärt Joël Dunand, Geschäftsführer des Sozial-Therapeutisches Institut Berlin-Brandenburg e.V. (STIBB) im Gespräch mit myHOMEBOOK. Auch das Amtsgericht München beurteilte „Kinderlärm als Ausdruck selbst­verständlicher kindlicher Entfaltung grundsätzlich als sozialadäquat und zumutbar hinnehmbar“ (Urteil vom 23.05.2017, Az. 283 C 1132/17).

Etwas anderes sei es jedoch, wenn die Nachbarskinder ein Alter erreicht haben, in dem sie durchaus das Bewusstsein entwickelt haben, auf andere Menschen und deren Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Lärm durch Teenager und deren laute Musik zur Nachtruhezeit müssen Nachbarn also keinesfalls tolerieren. Im Gegenteil, hier handelt es sich um Ruhestörung. Gestörte Nachbarn können mitunter sogar einen Unterlassungsanspruch geltend machen.

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Sollte ich bei Kinderlärm den Vermieter informieren?

„Letztlich gilt ab 22 Uhr Nachtruhe, dann sollte aus den Nachbarwohnungen nichts mehr oder kaum noch etwas zu hören sein. Nutzt das Gespräch mit den Nachbarn nichts, kann man den Vermieter informieren. Der ist letztlich dafür zuständig und verantwortlich, dass die mietvertraglichen Regelungen und die Hausordnung eingehalten werden“, so die Empfehlung des DMB-Sprechers Ropertz.

Kann der Vermieter wegen Kinderlärm den Mietvertrag kündigen?

„Dauerhafte, das heißt ständig wiederkehrende Verstöße gegen den Mietvertrag oder die Hausordnung berechtigen den Vermieter, die Nachbarn abzumahnen. Ändert sich deren Verhalten nicht, kommt letztlich sogar eine Kündigung in Betracht – aber sicher nur dann, wenn es gravierende Lärmstörungen der Nachbarn gibt“, erklärt Ulrich Ropertz.

Laut einem Urteil des Amtsgerichtes Hamburg-Harburg reiche jedoch mitunter schon der Versuch der Eltern für Ruhe zu sorgen. Lässt sich dieses Bemühen beispielsweise anhand eines Lärmprotokolls nachweisen, dürfte das Wohnverhältnis der Familie keinesfalls wegen Kinderlärm abgemahnt oder gar gekündigt werden (Az. 641 C 262/09).

Dürfen Mieter bei Kinderlärm zur Ruhezeit die Polizei rufen?

Selten ist der Vermieter in dieser Situation jedoch sofort greifbar. Schnelle Abhilfe scheint daher der Anruf bei der Polizei zu schaffen. Doch dürfen Nachbarn wegen nächtlichem Kinderlärm den Notruf wählen? „Grundsätzlich darf und soll jeder die Polizei rufen, wenn er Hilfe benötigt. Die 110 aber sollte man bitte nur im Notfall wählen, da Anrufe Leitungen blockieren und dann womöglich Menschen nicht durchkommen, die sich in einer akuten Gefahrensituation befinden. Wenn zu später Stunde Nachbarn zu laut sind, kann es sich um eine Ruhestörung handeln, was sicher nicht schön ist, aber auch nicht unbedingt die 110 erfordert“, so Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei Landesbezirk Berlin auf Nachfrage von myHOMEBOOK. Seine Empfehlung bei Kinderkrach nach 22 Uhr: Lieber zuerst den Kontakt mit den Nachbarn suchen. Sollte dies nicht weiterhelfen, könne man alternativ zum Notruf auch das regionale Bürgertelefon der Polizei kontaktieren.

Wann sollte man das Jugendamt einschalten?

Eine verbindliche Vorgabe, wann Kinder welchen Alters ins Bett gehören, existiert nicht. Hier entscheiden Eltern individuell. Während es also in einigen Familien in puncto Schlafenszeit sehr locker zugehen kann, haben andere streng festgelegte Zeiten. Auch eine Art „Durchgriffsrecht“ in Sachen Erziehung gibt es für Außenstehende nicht. „Nachbarn dürfen in keinem Falle erzieherisch eingreifen!“, mahnt Joël Dunand. Sehr kritisch beäugt er daher auch, wenn Nachbarn direkt mit den Kindern reden. „Nachbarn haben keinerlei Zugriffsrecht auf die Nachbarskinder. Bis zum 14. Lebensjahr müssen sie ausschließlich die Eltern kontaktieren!“

Doch sollten Kinder nach 22 Uhr nicht längst schlafen? Diese Frage stellen sich vor allem kinderlose Nachbarn. Nicht selten wird die Situation beim Jugendamt gemeldet. Zu Unrecht, findet der Geschäftsführer des Sozial-Therapeutischen Instituts: „Das Jugendamt kümmert sich um mögliche Beeinträchtigungen des Kindes, nicht des Mieters!“ Etwas anderes sei es jedoch, wenn die Geräusche aus der Nachbarwohnung auf eine akute Kindeswohlgefährdung hindeuten. In diesem Falle sind Nachbarn sogar in der Pflicht, den Kindernotdienst zu informieren.

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Tipps für das Gespräch mit den Nachbarn

Grundsätzlich gilt in einem Mehrfamilienhaus das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Wer sich von Kinderlärm am späten Abend oder zur Schlafenszeit gestört fühlt, sollte zuerst das Gespräch mit den Eltern suchen. Für ein Gespräch mit möglichst positivem Ergebnis kann es hilfreich sein, wenn lärmgeplagte Nachbarn in dieser Situation Folgendes beherzigen:

  • Der Ton macht die Musik: Auch wenn Sie übermüdet und sehr genervt sind: Suchen Sie ein offenes Gespräch mit den Eltern und sprechen Sie diese ruhig, höflich und vor allem positiv an. Wenig erfolgversprechend ist es dagegen, die vermutlich selbst genervten Eltern vorwurfsvoll anzusprechen und sie für die Situation verantwortlich zu machen. Das heizt die Situation nur kontraproduktiv an.
  • Machen Sie auf das Problem aufmerksam: Mitunter sind sich Nachbarn gar nicht bewusst, wie laut Geräusche tatsächlich bis in die Nachbarwohnung vordringen.
  • Senden Sie Ich-Botschaften: Stellen Sie die Situation aus Ihrer Perspektive dar. Sie müssen früh aufstehen und deshalb zeitig schlafen gehen? Teilen Sie dies unbedingt Ihren Nachbarn mit.
  • Denken Sie im Sinne des solidarischen Nachbarschaftssinnes: Wie können wir gemeinsam die Situation lösen? Wie können die Eltern in dieser Situation unterstützt werden?
  • Seien Sie lösungsorientiert: Welche ruhigeren Spielmöglichkeiten gibt es für die Kinder am Abend? Könnte schon ein neuer Spielteppich im Kinderzimmer die Geräusche dämpfen? Oder kann eine bessere Trittschalldämmung Abhilfe schaffen? Mitunter ist diese nämlich mangelhaft und überträgt so nicht nur Kinderlärm, sondern zum Leidwesen der Nachbarn selbst ruhige Schritte in die darunter liegende Wohnung.
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