23. August 2024, 20:13 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn der Nachbar regelmäßig über das eigene Grundstück läuft, ist das ärgerlich. Unter Umständen ist das aber erlaubt, nämlich wenn das Notwegerecht gilt. Was es damit auf sich hat, erfahren Sie nachfolgend.
Die Unverletzlichkeit des eigenen Grundstücks ist ein verfassungsmäßig geschütztes Rechtsgut. Mit anderen Worten: Niemand darf ohne die Zustimmung der Eigentümer ein fremdes Grundstück betreten. Es gibt aber auch eine (recht unbekannte) Ausnahme, nämlich das Notwegerecht. Dann dürfen Nachbarn auch über ein fremdes Grundstück laufen.
Übersicht
Was genau ist das Notwegerecht?
Damit der Eigentümer eines Grundstücks sein Eigentum ordnungsgemäß nutzen kann, muss dieses über einen Anschluss an eine sogenannte Verkehrsfläche verfügen. Das kann ein öffentlicher Weg oder eine Straße sein.
Es kann aber auch bauliche Gegebenheiten geben, die eine Überquerung eines fremden Bodens erfordern, um zum eigenen Grundstück zu gelangen. In den meisten Fällen wird vermutlich eine solche Zuwegung als Last im Grundbuch eingetragen sein.
Der Gesetzgeber hat indes Vorsorge für den Fall getroffen, dass ein Wegerecht nicht im Grundbuch vorhanden ist und ein Grundstück von einem öffentlichen Weg abgeschnitten ist: das Notwegerecht.
So ist es denkbar, dass durch aufwendige Bauarbeiten am Straßennetz mit den damit verbundenen Absperrungen ein Eigentümer daran gehindert ist, sein Grundstück zu erreichen. Er kann sich dann auf das Notwegerecht berufen und darf dann auch ein fremdes Grundstück passieren. Geregelt ist das Notwegerecht in Paragraph 917 des Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Welche Voraussetzungen gelten für das Notwegerecht?
Da die Unverletzlichkeit des eigenen Grundstücks in der Verfassung geschützt ist, sind an das Notwegerecht strenge Voraussetzungen geknüpft.
- Es besteht keine Verbindung des Grundstücks mit einer öffentlichen Straße oder der vorhandene Weg kann temporär (Bauarbeiten!) nicht oder nicht ausreichend genutzt werden. Im Einzelfall kann das Notwegerecht also auch bestehen, wenn die Anbindung zu schmal ist.
- Auf das Notwegerecht dürfen sich nur die Eigentümer oder Erbbauberechtigten des Grundstücks berufen.
- Der Zugang zum Grundstück wurde von den Eigentümern nicht selbst beseitigt. Das regelt Paragraph 918 BGB.
Wer Gerichtsurteile zu diesem Thema im Internet recherchiert, wird feststellen, dass es strittig ist, ob das Notwegerecht lediglich für das Betreten oder sogar für das Befahren gilt. Hier scheint es noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu geben.
Außerdem wichtig: Gehört das betroffene Grundstück mehreren Personen, müssen alle Eigentümer das Notwegerecht von den Nachbarn einfordern.
In der Praxis ist es vermutlich ratsam, vor einer juristischen Auseinandersetzung das Gespräch mit den betroffenen Nachbarn zu suchen und über die Zwangslage zu beraten, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Im BGB ist übrigens ausdrücklich festgelegt, dass über die Richtung und den Umfang der Nutzung letztlich ein Gericht entscheidet, wenn sich die betroffenen Parteien nicht einigen.
Gewohnheitsrecht ist nicht gleich Notwegerecht
Es ist vorstellbar (vermutlich aber selten der Fall), dass der Grundstückseigentümer bereits seit längerer Zeit einfach das Grundstück eines Nachbarn betritt. Die Rechtswissenschaften kennen das sogenannte Gewohnheitsrecht. Das trifft beim Notwegerecht allerdings nicht zu. Der Hinweis des Eigentümers, dass „dies ja immer schon so war“ erlaubt ihm nicht einfach die Nutzung.
Sprich, niemand muss es hinnehmen, dass Nachbarn einfach über das Grundstück laufen oder gar fahren. Es sei denn, wie eingangs erwähnt, dass dieses Recht im Grundbuch verbrieft ist.
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Verpflichtungen und Zahlung einer „Geldrente“
Kommt zwischen den Parteien keine gütliche Einigung zustande, bleibt nur der Klageweg und damit eine richterliche Entscheidung, wie sie im Gesetz vorgesehen ist.
Aus dem Notwegerecht ergeben sich für denjenigen, der sich darauf beruht, auch Verpflichtungen. Dazu zählen die Instandhaltung und die Pflege des Weges. Sofern also damit Kosten verbunden sind, muss derjenige, der den Weg benötigt und nutzt, diese auch tragen. Das können auch indirekte Kosten sein, wie sie durch Schneeräumdienste entstehen können. Hier lauert indes ein möglicher Konfliktpunkt. Denn wenn beide Parteien den Weg nutzen, dann müssen sie sich auch die Kosten teilen.
Wer seinem Nachbarn im Sinne des Notwegerechts den Zugang zu seinem Grundstück erlaubt oder erlauben muss, ist nicht verpflichtet, dies einfach so zu dulden. Das Gesetz sieht ausdrücklich die Zahlung einer „Geldrente“ vor.
Die Berechnung dieser Entschädigung ist allerdings auch nicht einfach. Ihre Höhe richtet sich nach den Einschränkungen, die der Grundstückseigentümer, der die Überquerung duldet, hinnehmen muss. Zur Berechnung der Geldrente muss auch die Minderung des Verkehrswertes herangezogen werden.
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Immer zunächst mit dem Nachbarn sprechen
Ist eine Einschränkung des Zugangs zu einem Grundstück absehbar und dauert diese vermutlich nur einige Tage, ist es ratsam, einfach das Gespräch mit den betroffenen Nachbarn zu suchen. Das gilt auch für den Fall, dass die Beschränkung über einen längeren Zeitraum andauern wird. Gibt es keine Einigkeit in der Sache, bleibt nur der Weg vor Gericht, um das Notwegerecht offiziell festzustellen.