13. Februar 2020, 11:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Gäste kommen, das Bier steht kühl, die Pizza brutzelt im Ofen. Doch an der Haustür kommt es zum peinlichen Moment. Darf ich meine Freunde darum bitten, ihre Straßenschuhe auszuziehen? Und muss ich für solche Fälle Gästepantoffeln bereitstellen? myHOMEBOOK hat mit der Knigge-Expertin Linda Kaiser gesprochen, wie man am besten mit der heiklen „Schwellensituation“ umgeht.
„Straßenschuhe anlassen oder lieber ausziehen?“ fragen viele Gäste an der Haustür. Man will ja schließlich keinen Dreck reinbringen. Aber die Schuhe auszuziehen und in löchrigen Socken durchs Haus zu marschieren, ist auch keine angenehme Aussicht. Der Gastgeber hingegen möchte ungern Straßendreck in der Wohnung. Aber auch ihm ist es eigentlich zu intim, die Gäste zu bitten, dass sie die Schuhe an der Haustür ausziehen. myHOMEBOOK hat Linda Kaiser, Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft, bei der „Schuh-Frage“ im Interview um Rat gebeten.
myHOMEBOOK: Wenn ich bei fremden Leuten das Haus betrete – muss ich fragen, ob ich die Schuhe ausziehen soll? Oder ist es Aufgabe des Gastgebers, darauf hinzuweisen?
Linda Kaiser: Als Gast dürfen Sie davon ausgehen, dass Sie Ihre Schuhe anbehalten dürfen und sollen, wenn Sie das Haus eines anderen betreten. Schuhe sind ein fester Bestandteil Ihrer Garderobe. Sollten Sie gerade von einem Spaziergang über schlammigen Waldboden kommen oder starker Schneematsch Ihren Weg gekreuzt haben, dann haben Sie nach Möglichkeit Ersatzschuhe dabei, die Sie vor Betreten des Hauses oder im Flur anziehen. Wenn Sie als Gastgeber auf dem Ablegen der Schuhe bestehen, halten Sie in jedem Fall saubere, ungetragene Hausschuhe oder rutschfeste Socken bereit.
myHOMEBOOK: Wäre es sehr unhöflich darauf zu bestehen, dass die Gäste die Schuhe ausziehen?
Linda Kaiser: Der Gastgeber hat das Hausrecht inne und kann bestimmen wie Sie sich in
seinem Haus bewegen. Höflich ist es allerdings, den Gast bereits bei der Einladung darauf hinzuweisen, dass Straßenschuhe im Haus nicht erwünscht sind, damit er selbst Vorkehrungen treffen kann.
Auch interessant: Was tun, wenn Gäste nicht gehen wollen?
myHOMEBOOK: Darf man dem Gast getragene „Gästepantoffeln“ anbieten?
Linda Kaiser: Einem Gast getragene Hausschuhe anzubieten ist eine grobe Unhöflichkeit. Darauf muss sich niemand einlassen. Im Zweifelsfall brechen Sie Ihren Besuch an dieser Stelle einfach ab.
myHOMEBOOK: Was für Schuhe sind eigentlich geeignet, um sie als Gäste-Pantoffeln anzubieten?
Linda Kaiser: Als Schuhersatz bieten sich ausschließlich ungetragene Pantoffeln an, wie wir sie in Hotels finden oder gewaschene Socken mit Anti-Rutsch-Beschichtung. Eleganter ist es jedoch, dem Gast die Gelegenheit zu geben, eigene Hausschuhe oder Wechselschuhe mitzubringen. Bei Damen geht es ja oft auch nur um die Absätze, die Kratzer auf dem Parkett hinterlassen könnten. Wenn sie dann flache Schuhe für den Aufenthalt wählt, ist das Problem für beide Seiten meistens elegant gelöst.
myHOMEBOOK: Gibt es hinsichtlich der Schuh-Frage Unterschiede bezüglich Freunden und Verwandten, die zu Besuch kommen und geschäftlich motivierten Besuchen und Dienstleistern?
Linda Kaiser: Freunde und Verwandte werden sich mit Ihrer Forderung sicherlich eher
arrangieren als Fremde. Je näher man sich steht, desto wenig unangenehm
mag es sein, sich mit entblößten Füßen vor dem anderen zu präsentieren.
Die Schuhe auszuziehen ist schon eine sehr private, wenn nicht gar
intime Geste. Deshalb sollte man dies niemals von Personen verlangen,
von denen man sich Vorteile erhofft oder die man beeindrucken möchte.
Dienstleister, wie etwa Handwerker dürfen die Schuhe eventuell
sogar aus Sicherheitsgründen gar nicht ablegen. Sorgen Sie daher als
Gastgeber beziehungsweise Auftraggeber mit Abdeckvorrichtungen zum Schutz für
empfindliche Böden vor.
Auch interessant: Wohnung besser nicht mit Schuhen betreten – 4 gesundheitliche Gründe (FITBOOK)
myHOMEBOOK: Wie handhaben die meisten Deutschen die Schuh-Frage? Gibt es da regionale Unterschiede?
Linda Kaiser: Es ist eine individuelle Entscheidung, seinen Gästen das Schuhwerk im
Haus zu untersagen. Das lässt sich nicht regional differenzieren.
myHOMEBOOK: Hatten Sie persönlich schon mal ein richtig peinliches Erlebnis zu diesem Thema?
Linda Kaiser: Jeder Mensch sollte in seine Schuhe stets nur gepflegte Füße und intakte Strümpfe stecken. So kann man jederzeit problemlos die Schuhe ablegen. Heikel wird es allerdings, wenn Menschen unter starkem Fußgeruch leiden und diesen Umstand dann gezwungen sind, mit anderen zu teilen. Da mir persönlich das Ausziehen von Schuhen aus ästhetischen Gründen zutiefst zuwider ist, besuche ich solche Gastgeber grundsätzlich nur einmal. Das Miteinander von Menschen in einem Raum wird niemals keim- beziehungsweise schmutzfrei ablaufen. Deshalb kann man die Schuhe auch anbehalten. Geputzt werden muss hinterher trotzdem.