25. März 2020, 17:35 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wann immer es möglich ist, solle man in Zeiten der Coronakrise zu Hause bleiben. Aber was ist, wenn man ausgerechnet in diesen Tagen umziehen muss? myHOMEBOOK-Autorin Annelie Neumann ist genau dies passiert. Sie hat aufgeschrieben, wie es ihr beim Umzug während der Coronakrise ergangen ist und was anders war.
Erstens kommt alles anders, und zweitens als man denkt. Gäbe es diesen Ausspruch nicht schon, müsste man ihn für meinen Umzug geradezu erfinden. Das vieles anders kam, hing nicht mit einer fehlerhaften Planung oder dem allgemeinen Umzugschaos zusammen. Es war die Coronakrise, die wie ein Damoklesschwert über dem Umzug schwebte und sämtliche Planungen umwarf und viele schlaflose Nächste bescherte. Dass es am Ende dann doch klappte, ist einigen kreativen Lösungen, großartiger Nachbarschaftshilfe und einer großen Portion Glück zu verdanken.
Wie die Coronakrise unseren Umzug boykottierte
Als das neue Zuhause besichtigt wurde, war Covid-19 noch keinerlei Gesprächsthema. Dem potenziellen Vermieter wurde freundlich die Hand geschüttelt. Als Schutzmaßnahmen gab es nicht Handschuhe und Mundschutz, sondern Überzieher für die Schuhe – um den Bodenbelag zu schützen. Als ich den Mietvertrag unterschrieb, machte ich mir noch keinerlei Gedanken darüber, dass der Umzug zu einem Rennen gegen die Zeit mutieren würde. Und auch während der Nachmietersuche war die Coronakrise nur ein Thema, das in den Berichterstattungen der Nachrichten, nicht aber bei der Wohnungsbesichtigung thematisiert wurde. Doch das änderte sich zusehends – spätestens als das Coronavirus Berlin erreichte und unsere favorisierten Nachmieter aus der Nachbarschaft absprangen. Der Grund ihrer Absage: Die Angst, dass ein Umzug aktuell – wenn auch nur wenige Häuser entfernt – alles andere als unkompliziert und realisierbar sei. Und damit sollten sie leider recht behalten.
Abschiedsfete mit den Nachbarn? Abgesagt!
Für uns stellte sich diese Frage jedoch zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr. Der neue Mietvertrag war unterschrieben, der alte gekündigt. Ein Zurück für uns also faktisch auch gar nicht mehr möglich. Während es nun ans Packen der Umzugskartons ging, hieß es, den Umzug anders als unter „normalen“ Bedingungen zu planen. Geplant war es, den Umzug in zwei Teilen zu organisieren. Ein Umzugsunternehmen sollte die schweren Möbelstücke transportieren. Zusammen mit Freunden, Familie, Kollegen und Nachbarn wollten wir dann den eigentlichen Umzug durchführen.
Doch die Coronakrise und die allgegenwärtige Angst zu erkranken, machte all diese Überlegungen obsolet. Die Einladung an unsere Nachbarn, den Auszug gebührend zu feiern und sich ein letztes Mal zum gemütlichen Plausch zusammen zu finden, mussten wir schweren Herzens absagen. Zusammenkünfte in dieser Größenordnung waren nicht mehr gestattet. Der Plausch und der Abschied wurden dann kurzerhand in den WhatsApp-Chat ver- und die Abschiedsgeschenke vor die Tür gelegt, all das in der Hoffnung dies spätestens im Sommer zum alljährlichen Nachbarschaftsfest nachholen zu können.
Kinder betreuen während des Umzugs: So haben wir es gemacht
Auch die geplante Betreuung des Nachwuchses bei den Großeltern fiel aufgrund ihrer akuten Gefährdung natürlich flach. Also war auch hier eine kreative Lösung gefragt. In unserem Falle: Den Nachwuchs mit kindgerechten Aufgaben in den Umzug involvieren. Und siehe da: Am Ende sollte sich das auszahlen, denn auch kleine Hände können motiviert zugreifen. Das Kind war in der kitafreien Zeit sinnvoll beschäftigt und auch der Abschied von der alten Wohnung fiel leichter. Das Tapetenabkratzen und Falten von 100 Umzugskartons wurden zum spaßigen Erlebnis und Wettbewerb in einem und nahm uns Großen ehrlich gesagt einige (nervige) Arbeit ab. Selten ließen sich wohl Kinderbeschäftigung und Umzüge besser kombinieren.
Von der Angst, das 280 kg schwere Klavier aus der vierten Etage selbst transportieren zu müssen
Als der Umzugstag immer näher rückte und die Nachrichtenlage immer bedrohlicher wurde, checkten wir stündlich die Nachrichten, recherchierten, ob überhaupt noch Umzüge möglich seien. Täglich kontaktierte ich den Umzugsunternehmer. Routiniert und souverän versuchte er mir die Angst, das 280 kg schwere Klavier aus der vierten Etage selbst transportieren zu müssen, zu nehmen. Solange niemand aus seiner Firma erkranke oder es ihm verboten würde zu arbeiten, stünden seine Mitarbeiter pünktlich vor der Tür. Die schlaflosen Nächte nahm uns das aber trotzdem nicht.
Ein Kollege, der beim Umzug helfen wollte, musste in Quarantäne. Er hatte Kontakt mit einem Infizierten. Die Liste unserer Umzugshelfer kürzte sich daraufhin in den nachfolgenden Stunden immer weiter. Verübeln konnten wir es keinem. Natürlich wollten wir unter keinen Umständen jemanden gefährden. Zudem fing der Nachwuchs plötzlich zu kränkeln an. Eine harmlose, gewöhnliche Erkältung oder hatte er sich womöglich in den letzten Kita-Tagen doch tatsächlich das Coronavirus eingefangen? Das Gedankenkarussell fuhr ohne Unterlass Extrarunden.
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Meine Horrorvorstellung: In einer nahezu leeren Wohnung festzusitzen!
Selten habe ich mich so auf einen Tag gefreut, wie auf den Tag, an dem endlich die vier Möbelpacker vor der Tür standen. Angst vor Corona? Bei den vieren keine Spur! Bedenken schienen sie vielmehr vor den kommenden Wochen zu haben, in denen sie vermutlich kaum noch Arbeit haben würden. Zumindest an unserem Umzugstag hatten sie davon allerdings genug. Wir überlegten lange hin und her, ob wir nicht in Anbetracht der sich zuspitzenden Situation den kompletten Umzug mit professioneller Hilfe durchführen sollten.
Der zweite Teil des Umzugs mit unseren Helfern sollte zwei Tage später stattfinden. Zwei Tage, in denen viel passieren konnte und wir täglich mit einer Ausgangssperre rechnen mussten. Am Ende pokerten wir und hofften einfach, dass unsere helfenden Hände, die Kräfte und vor allem die Zeit noch ausreichen würden, um die Wohnung zu räumen. Meine Horrorvorstellung dabei: Bei verhängter Ausgangssperre in einer Wohnung voll mit Umzugskisten, aber keinerlei Möbeln auf einer Matratze festzusitzen!
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Werden wir es rechtzeitig schaffen umzuziehen?
Wie durch ein Wunder schafften wir es tatsächlich 24 Stunden vor der verordneten Kontaktsperre unseren Umzug durchzuziehen. Dabei unterstützten uns nur noch, aber dafür unfassbar tatkräftig, eine Handvoll Freunde, Geschwister und Nachbarn aus unserem unmittelbaren Umfeld, denen wir bisher täglich begegnet waren.
Auch die kulinarische Versorgung der Umzugshelfer musste durch die geplünderten Supermarktregale etwas improvisiert werden. Wo immer es ging, versuchten wir alle empfohlenen Schutzmaßnahmen einzuhalten. Kisten wurden etagenweise transportiert. Dadurch hielten die Helfer automatisch Abstand zueinander. Das herzliche Begrüßen und vor allem Bedanken wurde auf viele liebe Worte und Blicke beschränkt.
Eine Wohnungsübergabe ohne persönlichen Kontakt
Die Coronakrise beeinflusste auch den offiziellen Teil des Umzugs. Unsere Hausverwaltung verzichtete nicht nur wie bei der Vorbesichtigung der Wohnung auf den Handschlag, sondern komplett auf den persönlichen Kontakt. In diesen Zeiten seien kreative Lösungen gefragt. In unserem Falle: Die Schlüssel sollten nicht bei der Wohnungsübergabe persönlich übergeben, sondern per Post an die Hausverwaltung geschickt werden. Die Wohnungsübergabe verlief daraufhin ohne uns ausziehende Mieter. Das Protokoll kam per E-Mail.
Auch das Ummelden am neuen Wohnort wurde durch die Coronakrise beeinflusst. Erstaunlicherweise bekam ich sofort für den kommenden Tag einen Termin zur Ummeldung. Da es allerdings keine regulären Sprechzeiten mehr gibt, wurde ich allein zum Hintereingang bestellt. Um weitere Haushaltsmitglieder umzumelden, sollte ich eine Vollmacht mitbringen. Auch hier wurde der Kontakt also aufs Nötigste beschränkt.
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Warum mir die Coronakrise den Auszug auch erleichtert hat
Ehrlich gesagt hat mir persönlich die Coronakrise den Auszug jedoch auch sehr erleichtert. Bei all der Aufregung und Sorge, ob aktuell ein Umzug überhaupt noch möglich sei, und wir es schaffen würden vor einem drohenden Shutdown umgezogen zu sein, blieb wenig Raum für wehmütige Gedanken und Abschiedsschmerz aus einer tollen Wohnung auszuziehen und eine unfassbar großartige Nachbarschaft zu verlassen. Auch das Zuhausebleiben hat für uns aktuell durchaus viele positive Seiten. In aller Ruhe können wir unser neues Heim einrichten, um dann hoffentlich in absehbarer Zeit Familie, Freunde und Nachbarn zu einem großen Einzugsfest gebührend willkommen heißen zu dürfen.