20. Januar 2020, 8:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Auch die Möbelbranche kommt nicht am Umweltschutz vorbei – kein Problem für viele Firmen. Fernab der Öffentlichkeit haben sie längst ihre Produktion umgestellt. Erst jetzt werben sie auch damit.
Auf wie viele Weisen sich Umweltschutz und Nachhaltigkeit umsetzen lassen, zeigen die Aussteller auf der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne (noch bis 19. Januar). Kaum ein Möbel-Produzent kommt derzeit an der Frage vorbei, was er nachhaltiges tue und kaum einer liefert die gleiche Antwort wie der Mitbewerber.
So ist für Luca Nichetto, der ein Sofa für die Firma Rolf Benz entworfen hat, ein möglichst gut verarbeitetes und damit langlebiges Produkt nachhaltig. Hersteller Magis lässt all seine Produkte im Umkreis von 200 Kilometern zum Hauptsitz produzieren, erklärt Geschäftsführer Ruben Hutschemaekers.
Und Vetsak hat die bestmöglich transportierbare Verpackung genommen und dazu passend ein Sofa geplant, damit es leicht und sparsamer geliefert werden kann.
Produktion, Verpackung, Aufforstung – alles nachhaltig?
Hartmann verweist hingegen auf seine klimaneutrale Produktion, Verfeuerung von Holzresten zum Heizen und der Aufbereitung von Regenwasser zu Trinkwasser. Außerdem kümmert sich die Firma um Ersatz für verwendetes Holz – und bald soll das der Käufer mit GPS-Daten für den Ersatzbaum zum gekauften Produkt nachvollziehen können, so Vertriebsleiter Holger Hanhardt in Köln.
Dann gibt es andernorts noch Verweise auf Recycling-Material, auf Stromersparnis durch smarte Produkte, sogar auf Bienenhaltung am Produktionsstandort.
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Es schwirrt der Kopf schon nach einem kurzen Rundgang über die Messe. Und die Frage hallt nach: Worauf soll ein Käufer denn nun achten? Auf alles, sagt Frank A. Reinhardt, Trendanalyst für den IMM-Veranstalter Koelnmesse. Denn jedes Unternehmen hat seinen eigenen Ansatz.
Nachhaltige Produktion von Möbeln ist seit langem ein Thema
Reinhardt betont: Was nachhaltige Einrichtung ausmacht, „ist ein ganz schwieriges Thema“. Aber es gibt sie – sogar in breiter Masse. Nur sind die Geschichten dahinter immer andere. Denn längst haben viele deutsche Unternehmen die Produktion angepasst. Sie nutzen nachhaltige Materialien oder achten auf einen klimafreundlicheren Transport.
„Aber das hat Medien und Konsumenten in der Vergangenheit nicht wirklich interessiert“, erklärt Reinhardt. Und es hat nicht den Wettbewerb beeinflusst, sondern teils sogar die Produktionskosten erhöht. Aber: Fernab der Öffentlichkeit, oft sogar als Teil der selbst auferlegten Unternehmensphilosophie, wurde Nachhaltigkeit bewusst angestrebt.
„Das zahlt sich jetzt aus, weil immer mehr Konsumenten nach der „grünen Geschichte“ hinter dem Produkt fragen und so den Druck auf Unternehmen und Designer erhöhen“, sagt Reinhardt. Und so kann die Werbemaschine nach dem Greta-Erwachen bei Firmen, die schon lange nachhaltig agierten, nun mühelos anlaufen.
Auswahl nach Siegeln ist zu komplex
Damit fahren die Hersteller gut, denn der Verbraucher ist ein Stück weit auf die Angaben der Firmen angewiesen. Auf anderen Wegen hat er es nicht leicht, Informationen zu finden. Die vielen Labels und Siegel mit unterschiedlichen Standards helfen da nur bedingt. „Möbel kaufen ist ja schon komplex, sich auf noch in die Zertifizierung einzuarbeiten, ist es erst recht“, sagt Reinhardt.
Er rät daher: „Schauen Sie, wie die Unternehmen sich präsentieren. Lesen Sie auf der Homepage die Geschichte zum Unternehmen und zum Möbel nach. Steht da was von Nachhaltigkeit?“
Besonders im Trend sind Holzmöbel
Viele Hersteller setzen in diesem Jahr noch mal bewusster auf nachhaltige Materialien, vor allem natürlichen Ursprungs. Besonders im Trend: Holz. Außerdem erhält der skandinavische Einrichtungsstil laut Reinhardt einen weiteren Schub: „Helle Holzarten, natürliche Stoffe und eher kleine Möbel passen besser in das Konsumverhalten einer besorgten Familie als Kunststoffstühle, ausladende Sofalandschaften oder hochwertige Möbel mit vielen Lackschichten“, so der Trendanalyst.
Manche Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter und verarbeiten Holz auf besonders authentische Weise. Es wird nicht komplett glatt geschliffen, Astlöcher sind deutlich zu sehen, Löcher bleiben. „Aber darüber würde sich jetzt kein Kunde mehr beschweren, denn er weiß, das ist eben ein natürliches gewachsenes Loch im Holz“, sagt Reinhardt. Natürlichkeit ist also auch optisch ein Trend.
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Nachhaltige Produktion sieht man dem Möbel nicht an
„Dennoch ist dieses Design auch nur eine Geste, ein Eye-Catcher für eine bestimmte Klientel“, ergänzt der Trendexperte. Im Allgemeinen sehe man nachhaltigen Möbeln nicht an, ob sie aus zertifiziertem Holz und nachhaltiger Produktion stammen. „Dem Preis merkt man es aber leider immer noch an.“
Eine noch recht neue Entwicklung ist die bewusstere Verwendung von aus Umweltsicht schwierigen Materialien: Kunststoffe etwa sollen nicht mehr im Meer landen, sondern als Stuhl oder Matratze ein zweites und dann langes Leben haben.
„Man hat nun erkannt, dass diese Werkstoffe auch Werte haben. Man muss sie nicht verbrennen“, erklärt Ursula Geismann, Trendexpertin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie. Außerdem werde hinterfragt, welche Rohstoffe man noch verwenden sollte. „Man hört auf, zu denken, dass Werkstoffe unendlich verfügbar sind. Es geht um die Gesamtverantwortung.“
Aber: „Es ist ein Geben und ein Nehmen“, betont Geismann. Die Unternehmen müssen beim Design und der Produktion Verantwortung übernehmen – und die Konsumenten gleichermaßen beim Kauf.
Reinhardt macht sich bei letzteren aber keine großen Sorgen. „Bei der Kaufentscheidung zwischen zwei gleichwertigen Produkten wird in Zukunft immer öfter das Produkt mit der authentischen, grünen Geschichte gewinnen“, lautet die Prognose des Trendforschers.