
18. Mai 2024, 13:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ist man auf der Suche nach einer Wohnung, kann das schnell anstrengend werden. Neben die vielen anderen Bewerbern, müssen auch noch Lage, Größe und Budget passen. Leichter wird es, wenn man genau weiß, was man will – und was nicht.
Für den einen gehört zur Traumwohnung definitiv eine Badewanne, andere wiederum wollen keinesfalls auf einen Balkon verzichten. Alle Wünsche bei der Wohnungssuche zu erfüllen, ist aber gar nicht so einfach. Immerhin gibt es meist viele andere Bewerber und der Wohnungsmarkt ist oft angespannt. Um überhaupt etwas Bezahlbares zu finden, muss man häufig Abstriche machen. Wie man dabei am besten vorgeht und trotzdem glücklich mit der gefundenen Wohnung ist, erklärt die Hamburger Wohnpsychologin Melanie Fritze. Sie gibt Tipps, wie man die passende Wohnung finden kann – trotz einiger Abstriche.
Eigene Bedürfnisse erkennen und gewichten
Damit wir uns in ihr wohlfühlen, muss eine Wohnung unseren Bedürfnissen gerecht werden. Wohnpsychologin Melanie Fritze zufolge sind das vor allem Sicherheit, Privatheit, Gemeinschaft, Erholung, Ästhetik und Selbstentfaltung. Außerdem spielt die positive Selbstdarstellung eine Rolle. „Das bedeutet einfach, dass das Zuhause auch meinen Status oder meine Werte widerspiegelt, das, was mir wichtig ist“, so die Diplom-Psychologin.
Welche Bedürfnisse man hat, sollte einem am besten klar sein, bevor man sich auf die Suche nach einer Wohnung begibt oder gar einen Mietvertrag unterschreibt. Denn oft ließen wir uns ausschließlich von Wohntrends leiten. „Aber was wir gerne vergessen, ist zu fragen: Passt die Wohnung auch zu mir und meinen Bedürfnissen?“
Fritze nennt ein Beispiel: die derzeit beliebten bodentiefen Fenster. „Vielleicht komme ich in eine Wohnung und mir gefällt, wie schön hell es durch die großen Fenster dort ist“, sagt sie. „Aber wenn mein Bedürfnis nach Privatheit groß ist und das eine Erdgeschosswohnung ist, an der vielleicht auch noch Leute vorbeigehen, dann werde ich mich dort auf lange Sicht gar nicht wohlfühlen, weil ich mich beobachtet fühle und so nicht gut abschalten kann.“
Fragen solle man sich bei der Suche nach der passenden Wohnung schon im Vorfeld: „Wie wichtig ist es mir, zu Hause unbeobachtet oder für mich zu sein?“ Sei das Bedürfnis groß, könnte man darauf achten, dass die neue Wohnung Nischen hat. „Also dass nicht überall Fenster sind, sondern man auch geschützte Ecken hat für das Sofa oder auf dem Balkon beziehungsweise der Terrasse.“
Ist es einem wichtig, das eigene Umfeld individuell gestalten zu können, das Bedürfnis nach Selbstentfaltung also groß, sollte man sich bei Besichtigungen hingegen fragen: „Kann ich hier noch einiges nach meinen Wünschen umgestalten? Bietet die Wohnung Veränderungsmöglichkeiten für mich?“, so Fritze. Mit einer schönen, aber möblierten Wohnung werde man in dem Fall wohl nicht besonders glücklich.
Wohnbedürfnisse hängen von der Lebenssituation ab
Wie unsere Wohnbedürfnisse aussehen, das hängt auch von unserer aktuellen Lebenssituation ab. Die sollte man genau in den Blick nehmen, wenn man die passende Wohnung finden will. Man sollte überlegen, was in einer Wohnung den eigenen Alltag leichter machen, was ihn erschweren könnte. Denn oft seien es zunächst eher unwichtig erscheinende Eigenheiten einer Wohnung, die einen später enorm stören, sagt Fritze.
Ein Beispiel der Wohnpsychologin: ein langer Flur zwischen Küche und Esszimmer. „Vielleicht sieht man die Wohnung und sagt: Naja, das wäre schon schön, wenn das näher zusammen liegen würde. Aber das geht auch so.“ Bei Singles sei das dann vielleicht tatsächlich der Fall. „Aber mit einer Familie würde diese Kleinigkeit über die Zeit sehr viel Aufwand bedeuten. Denn man muss immer das Geschirr hin- und wieder zurückbringen“, so Fritze. „Das sind kleine Unannehmlichkeiten, die aber so unterschwellig eine enorme Unzufriedenheit verursachen können.“
Quadratmeterzahl ist nicht alles
In Suchfiltern von Immobilienportalen dürften sie viele angeben: die Quadratmeterzahl, die die neue Wohnung mindestens haben soll. Darauf versteifen sollte man sich Fritze zufolge allerdings nicht. Wichtiger sei die Frage nach dem Schnitt. Denn: „Sie können quadratmetermäßig zwei gleiche Wohnungen haben. Durch einen anderen Schnitt kann die eine Wohnung aber viel größer oder die andere viel kleiner wirken.“
Nicht unterschätzen sollte man außerdem den Stauraum. Vielleicht braucht man davon besonders viel, um die Utensilien fürs eigene Hobby unterzubringen. Oder man hat Nachwuchs. „Dann muss ich davon ausgehen, dass ich mehr Stauraum brauche“, sagt Fritze. „Eine Wohnung, die ganz viele Qualitäten hat, aber keinen Stauraum bietet, wird langfristig im Alltag unangenehm werden, weil man nichts wegpacken kann.“
Sinnvoll außerdem: auf die Anordnung von Fenstern achten. Denn die könne einen großen Unterschied machen, sagt Fritze. „Fenster zu mehreren Seiten in einem Raum lassen ihn viel angenehmer und größer wirken.“
Lage ist das A und O
Will man eine passende Wohnung finden, sollte man auch unbedingt auf das Umfeld achten. Wer etwa alleine wohnt und viel Wert auf Gemeinschaft legt, der wird womöglich mit der schönsten Wohnung nicht glücklich, wenn alle Freunde und Bekannte auf einmal am anderen Ende der Stadt wohnen. Oder wenn die Anbindung so schlecht ist, dass man sich nur noch selten sieht.
Besonders wenn man älter wird, könne das Umfeld eine große Rolle spielen, sagt Fritze. „Dann ist es sinnvoll, dass vielleicht der Supermarkt oder Arzt in der Nähe ist. Oder wenigstens das passende Verkehrsmittel.“ Und wer Kinder hat, profitiert womöglich mehr von einem Spielplatz im Hof, den man vom Fenster aus beobachten kann, als von fünf Quadratmetern mehr Wohnraum oder einer Badewanne.

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Wohnpsychologen legen den Fokus auf den Menschen
Architekten kümmern sich um das Gebäude, Inneneinrichter um die Gestaltung der Räume – und Wohnpsychologen gehen auf die Bedürfnisse der Menschen ein, die letztendlich in der Wohnung leben. In einem früheren myHOMEBOOK-Interview erklärte Fritze, dass jeder Mensch die gleichen Wohnbedürfnisse habe – allerdings unterschiedlich stark oder eben schwach ausgeprägt. Das ganze Interview lesen Sie hier.
Mit Material der dpa