25. November 2020, 21:17 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Albtraum Zwangsräumung! Für Mieter ist es der schiere Horror, plötzlich wohnungslos zu sein. Für Vermieter ist es hingegen oft die letzte Möglichkeit, einen zahlungsunwilligen Mieter aus der Wohnung zu kriegen.
Droht die Zwangsräumung der Wohnung, geraten viele erstmal in Schockstarre. Doch vor der nahenden Katastrophe den Kopf in den Sand zu stecken, ist die denkbar ungünstigste Reaktion. Wer aktiv wird, kann noch am ehesten die Zwangsräumung abwenden. Und wenn nichts mehr hilft, wie läuft eine Räumung eigentlich ab? Kann ein Schuldner auch in der Corona-Pandemie vor die Tür gesetzt werden? myHOMEBOOK fragte bei einem Gerichtsvollzieher nach.
Übersicht
- Wann droht eine Zwangsräumung?
- Die gesetzliche Voraussetzungen für eine Zwangsräumung
- Was kann alles zwangsgeräumt werden?
- Wie sollte man sich als Mieter verhalten?
- Droht Obdachlosigkeit, Hilfe bei der zuständigen Behörde beantragen
- Vollstreckungsschutz bei Zwangsräumung ist knifflig
- Welche Gefahren einem Gerichtsvollzieher bei einer Zwangsräumung drohen
- Darf in Corona-Zeiten eigentlich zwangsgeräumt werden?
Wann droht eine Zwangsräumung?
Mietschuldner haben noch am ehesten die Möglichkeit, die drohende Zwangsräumung abzuwenden. Gleichwohl sind Mietschulden der häufigste Grund für eine Zwangsräumung. Denn die wird eingeleitet, wenn der Mieter über mindestens zwei Monate keine Miete gezahlt hat. In diesem Fall können Mieter innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Wohnungskündigung und Räumungsklage die Schulden begleichen und so die Räumung abwenden.
In Ballungsräumen, wo das Angebot an Wohnraum knapp ist, spielen auch die gefürchteten Kündigungen wegen Eigenbedarfs eine große Rolle. Auch dann kann die Zwangsräumung drohen. Schließlich blüht auch der zwangsweise Rauswurf aus der Wohnung, wenn der Hausfrieden anhaltend gestört wird. Das ist beispielsweise bei Ruhestörung oder Handgreiflichkeiten mit anderen Hausbewohnern der Fall.
Die gesetzliche Voraussetzungen für eine Zwangsräumung
Matthias Boek ist Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht Charlottenburg (Berlin) und Vorstandsmitglied im Verein der Obergerichtsvollzieher im Kammergerichtsbezirk, einem Unterverband des Deutschen Gerichtsvollzieher Bunds (DGVB) . Er erklärt gegenüber myHOMEBOOK, was die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zwangsräumung sind: „Es muss zwingend eine gerichtliche Entscheidung vorgelegt werden, die grundsätzlich vom Richter erlassen wird. Damit wird dem Artikel 13 des Grundgesetzes Rechnung getragen, der die Unverletzlichkeit der Wohnung festschreibt und Eingriffe in diese unter den Richtervorbehalt stellt.“
Boek weiter: „Es gibt Ausnahmen im Bereich der Zwangsversteigerung von Immobilien, wo der Gerichtsvollzieher aus dem Zuschlagsbeschluss vollstreckt. Es kann die Räumungsvollstreckung auch aus einer notariellen Urkunde betrieben werden, wenn es sich bei den herauszugebenden Räumen nicht um gemieteten Wohnraum handelt.“ Das sind in der Regel Gewerbeeinheiten.
Was kann alles zwangsgeräumt werden?
Geräumt werden kann alles: Von Wohnungen über Büros bis hin zu Schiffen. „Aber auch Grundstücke wie Gärten oder Gewerbeflächen“, ergänzt Obergerichtsvollzieher Boek. Dabei würden zwei Arten der Räumung unterschieden. Eine Räumung, wie sie in Paragraf 885 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist, beinhaltet die Entfernung sämtlicher beweglicher Sachen aus dem Objekt. Dabei beauftragt der Gerichtsvollzieher eine Spedition, die Sachen werden eingelagert oder in eine andere Wohnung untergebracht, sollte sich das eher rechnen.
Wird hingegen nach Paragraph 885a ZPO geräumt, muss der Gerichtsvollzieher selbst keine gepfändeten Sachen einlagern. In der Regel werden die Schlösser ausgetauscht und dem Gläubiger, meist dem Vermieter, die Schlüssel übergeben. Der Schuldner kann dann lediglich seine persönlichen Sachen mit aus der geräumten Wohnung nehmen. „Dabei obliegt die Verantwortung allein beim Gläubiger, dass der Schuldner an seine persönliche Habe, die nicht der Pfändung unterliegt, kommt“, erklärt OGV Boek.
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Wie sollte man sich als Mieter verhalten?
Streit mit dem Vermieter zu suchen, ist die denkbar schlechteste Reaktion. Besser: Ruhig bleiben! OGV Matthias Boek sagt klipp und klar: „Im Interesse des Mieters sollte es liegen, noch vor dem vom Gerichtsvollzieher angesetzten Räumungstermin die Mietsache an den Gläubiger herauszugeben. Dies erspart ihm erhebliche Kosten und psychischen Stress.“ Die Kosten der Räumung, inklusive möglichem Einsatz von Polizei und Schlüsseldienst, muss der Mieter tragen.
Droht Obdachlosigkeit, Hilfe bei der zuständigen Behörde beantragen
Wer kein Geld hat, um die Mietrückstände zu zahlen, kann versuchen, Hilfe vom Amt zu kriegen. Der Staat springt prinzipiell ein, wenn auf Grund der Räumungsklage Obdachlosigkeit droht. Das Gespräch sollte man als Mieter in jedem Fall mit den zuständigen Stellen suchen. Dabei gilt: Bloß keine Frist versäumen, vor allem nicht, wenn man eine Zustellung im gelben Briefumschlag bekommt. Denn kommt es zu einem Versäumnisurteil, hat man vor Justitia nur noch geringe Chancen. Um dann noch wenigstens zwei bis drei Monate Zeit zu bekommen, um sich eine neue Bleibe suchen zu können, sollten Mieter in der Verhandlung eine Räumungsfrist beantragen.
OGV Boek: „Wer die staatlichen Hilfsangebote nicht annimmt, ist im schlimmsten Fall direkt von Obdachlosigkeit bedroht, sofern Wohnraum den Vollstreckungsgegenstand darstellt. Aber auch die Räumung von Geschäfts- und Büroräumen können existenzielle Auswirkungen für den Schuldner haben.“
Vollstreckungsschutz bei Zwangsräumung ist knifflig
Hilft alles nichts und die Zwangsräumung naht, kann man als letzte Möglichkeit versuchen, beim Amtsgericht einen Vollstreckungsschutz zu erwirken. Dieser wird jedoch meist nur in Ausnahmefällen genehmigt. Hier könnte ein hohes Alter die Zwangsräumung verhindern oder ernste Gesundheitsprobleme des Mieters. Letztlich liegt die Einzelfallentscheidung jedoch beim zuständigen Gericht.
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Welche Gefahren einem Gerichtsvollzieher bei einer Zwangsräumung drohen
Bei einer Zwangsräumung kocht die Wut schnell über. Denn für Betroffene stellt eine Räumung einen heftigen, rechtlich aber zulässigen Eingriff in ihre Grundrechte dar. Ein Gerichtsvollzieher muss dann auf alles gewappnet sein. Matthias Boek zählt die Gefahren auf, denen er und seine Kollegen ausgesetzt sind: „Das kann von verbalen Beleidigungen bis zum tödlichen Angriff mit Schuss- und Stichwaffen oder Herbeiführen von Gasexplosionen reichen.“
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Darf in Corona-Zeiten eigentlich zwangsgeräumt werden?
Ja. Denn auch während einer Pandemie hat ein Gläubiger gegenüber dem Staat einen Anspruch auf Durchsetzung des Rechtes. Deshalb können auch in Corona-Zeiten weiterhin Räumungen erfolgen. Allerdings sind dabei alle notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. „Und Räumungen müssen unter Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalls durchgeführt werden“, sagt Matthias Boek.